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Bion von Smyrna (Ende 2. Jh. v.
Chr.)
griechischer Dichter
Todesfeier für Adonis
Klage, Gesang, um Adonis, dahin ist der schöne Adonis!
Hin ist der schöne Adonis, mitklagen um ihn die Eroten.
Nimmer im purpurnem Kleid, o Kypria, schlummere fürder;
Wach', in schwarzem Gewand, Unselige, schlage den Busen,
Allen verkündend: dahin ist der schöne Adonis gegangen!
Klage, Gesang, um Adonis, mitklagen um ihn die Eroten.
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Da liegt auf dem Gebirge Adonis, vom Zahn in den Schenkel,
Schwer in den Schenkel getroffen, den weißen, vom Zahne, und ängstet
Leise veratmend die Kypris, und schwarz an dem schneeigen Leibe
Träufelt ein Blutstrom, starr ward unter den Wimpern das Auge
Und von den Lippen entfliehet die Rose, es stirbt um die bleichen
Selber der Kuß, dem nimmer und nimmer entsaget Kythere.
Ihr ist der Kuß noch süße des nicht mehr lebenden Mundes.
Doch nicht weiß es Adonis, daß noch im Tod sie ihn küßte.
Klage, Gesang, um Adonis, mitklagen um ihn die Eroten!
Grausig, o grausig verwundet bist du an dem Schenkel, Adonis,
Aber die stärkere Wunde hat tief im Herzen Kythere.
Laut um jenen erheben die Hunde, die treuen, Gewinsel,
Nymphen, der Berge Geschlecht, umweinen ihn, doch Aphrodite,
Offen der Locken Gewind', durchirret das Dunkel der Eichen,
Jammer-erfüllt, unverschleiert, mit nackender Sohle; die Dornen
Ritzen der Wandelnden Fuß und saugen vom heiligen Blute,
Aber sie stürzt laut klagend dahin durch breitende Thäler,
Ruft den assyrischen Gatten und nennt ihn wieder und wieder.
Weh dir, weh Kythereia, mitklagen um dich die Eroten!
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Während das dunkele Blut zum Nabel empor ihn umsprudelt,
Rötend die Brust aus dem Schenkel; und d'rüber die Höhen des Busens
Werden, bevor wie Schnee, zum Purpur jetzt dem Adonis.
Weh dir, weh Kythereia, mitklagen um dich die Eroten!
Mit dem Geliebten verlor sie, dem schönen, den heiligen Liebreiz:
Schön war Kypris' Gestalt, als noch ihr lebte Adonis,
Aber die Schönheit starb mit Adonis der Kypria, weh! weh!
Alle Gebirge und Wälder, sie rufen ein Weh um Adonis,
Und Aphroditen beweinen, die trauernde, trauernd die Ströme,
Thränen vergießen die Quellen auf bergiger Höh' um Adonis,
Fahl sind Blumen aus Schmerz, und allwärts durch das Gebirge,
Durch die bewaldeten Thäler ertönet der Jammer Kytheres,
Echo hallet entgegen: dahin ist der schöne Adonis!
Weh dir, weh Kythereia, dahin ist der schöne Adonis!
Kyprias traurige Lieb', wer weinete ihr nicht ein Wehe?
Als sie geseh'n und erkannt des Adonis' ertötende Wunde,
Als sie das purpurne Blut an der welkenden Lende gesehen,
Rief sie, die Arme gebreitet, im Schmerz aus: Bleibe, Adonis!
Bleib', du armer Adonis, daß einmal noch ich dich fasse,
Daß ich um dich mich schmiege, und Lippe der Lippe vereine.
Nur auf ein Weilchen erwache, Adonis, zum letzen der Küsse;
So lang' küsse mich fort, als Leben noch ist in dem Kusse,
Bis aus der Seele herauf in den Mund mir und in den Busen
Fließt dein Odem und so ich, schlürfend den süßen Bezaub'rer,
Ganz austrinke die Lieb': den Kuß will ich bewahren,
Als wär' selbst es Adonis, da du, Unsel'ger, mich fliehest.
Weithin fliehst du, Adonis; du wirst zum Acheron kommen
Und zu dem schrecklichen König, dem grausamen, aber ich Arme
Leb', und Göttin bin ich und kann dir hinunter nicht folgen.
Nimm denn, Persephone, mir den Gemahl! weit mächtiger bist du
Ja, denn ich selbst, und darnieder zu dir fließt alles, was schön ist!
Unglückselig bin ich und satt wird nimmer mein Jammer:
Weinen den toten Adonis und dann vor dir noch zu beben!
Dreimalgeliebter, du stirbst, und traumgleich flieht mich die Liebe.
Witwe ist nun Kythereia, und müßig im Haus die Eroten.
Mit dir hin ist der Gürtel. Warum auch jagen, Verweg'ner?
Schönheit, woher dein Wahn, im Kampf zu begegnen dem Raubtier?
Also jammerte Kypris, und mit ihr klagten Eroten:
Weh dir, weh Kythereia, dahin ist der schöne Adonis!
Thränen vergießet so viele die Papherin als von Adonis
Blut fließt: beiderlei Strom wird schnell auf der Erde zu Blumen;
Rosen gebieret das Blut und die Thräne gebiert Anemonen.
Doch nicht im Dunkel der Eichen, o Kypris, klage den Gatten;
Schon ist ein schwellendes Bette, ein Pfühl ist bereit dem Adonis:
Sieh, dein Lager bedeckt er, Kythere, dein eignes . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . tot bist du,
Adonis,
Auch in dem Tode noch schön, schön bist du im Tode wie schlafend.
Leg' auf die weichen Gewand' ihn hin, auf denen er ruhte,
Wo ihn mit dir in der Nacht sonst heiliger Schlummer vereinte
Auf ganz gold'nem Gestell; das trauernde sucht den Adonis.
Wirf auf ihn Kränze und Blumen; mit ihm ist alles gestorben,
Wie er selber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
und welk ist jegliche Blüte geworden.
Spreng' ihn mit syrischen Ölen, mit Balsam sprenge ihn, Göttin,
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Hin sei alles, was Balsam! hin ist dein Balsam, Adonis.
Hier auf Purpurgewande gestreckt ist der zarte Adonis,
Ringsher weinen um ihn aufseufzend die Götter der Liebe,
Schneiden für ihn das Gelock': Der tritt die Geschosse zu Boden,
Jener den Bogen, und dieser zerbricht den entleereten Köcher;
Der hat den Schuh ihm gelöset, noch andere bringen in gold'nem
Gießfaß Wasser getragen, ein anderer wascht ihm die Hüfte,
Und vom Rücken befächelt ihn einer mit seinem Gefieder.
Weh dir, Kythereia, mitklagen um dich die Eroten.
Ganz hat die Fackel gelöscht auf der Schwelle der Thür' Hymenäos'
Und aus einander gestreuet den Kranz der Vermählung: nicht Hymen,
Hymen töne nicht mehr, ein Lied nur, Weh, wird gesungen;
Weh um Adonis! noch mehr denn um dich, Hymenäos, der Wehruf!
So um des Kinyras' Sprößling entfließt auch der Chariten Thräne:
Hin ist der schöne Adonis! verkünden sie wechselnd einander.
Weh dir, Kythereia, mitklagen um dich die Eroten.
Klangvoll endlich noch mehr, weit mehr als du selber, Dione,
Heben den klagenden Ruf um Adonis die Musen: Adonis
Bleib' uns! tönt ihr Gesang, doch er leiht ihnen das Ohr nicht,
Nicht, und wollt' er es auch, ihn löset Persephone nimmer.
Laß von den Seufzern, Kythere! die Trauer bewältige heute:
Wieder der Klage bedarf's in dem kommenden Jahr und der Thränen.
(S. 157-160)
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Die Schule des Eros
Als ich Jüngling noch war, trat vor mich die mächtige Kypris,
Mit an der reizenden Hand ihr Knäblein führend, den Eros,
Das auf den Boden sich bog, und also sagte sie zu mir:
"Nimm, mein freundlicher Hirte, den Eros, und lehre ihn singen."
Sprach's und enteilte, und was von Hirtengesängen ich wußte,
Lehrte ich, Thor, als wollt' der so was erlernen, den Eros:
Wie da die Querpfeif' Pan und Athene erfunden die Flöte,
Wie einst Hermes die Leier, der süße Apoll die Gitarre -
All' das lehrte ich ihn, doch achtete er nicht der Worte,
Liebesgekose dafür sang er mir, der Götter und Menschen
Süßes Verlangen hat er mich gelehrt, und die Werke der Mutter;
Und bald hatt' ich vergessen, so viel ich den Eros gelehret,
Doch was von Eros ich lernt' des Gekoses, das alles behielt ich.
(S. 163)
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Eros und die Musen
Nimmer empfinden vor Eros, dem schrecklichen, Scheue die Musen,
Lieben ihn vielmehr und folgen den Schritten des Gottes.
Macht sich ans Lied jemand von liebentfremdeter Seele,
Alsbald fliehen sie den und weigern sich ihn zu belehren,
Doch wenn, von Eros den Sinn durchschüttert, zum süßen Gesange
Einer sich wendet, so strömen sie eilig entgegen ihm alle.
Zeuge für jeden sei ich, daß was ich da sag' sich bewähret:
Wenn wen anders der Menschen ich fing', wen anders der Götter,
Sogleich stockt mir die Zung' und hat wie sonst nicht die Klänge,
Doch wenn auf Eros ich such' und auf Lykidas Töne zu finden,
Alsbald fließt mir das Lied in freudigen Wogen vom Munde.
(S. 163)
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Gegenliebe
Selig den Liebenden preis' ich, wenn Liebe ihm gleiches erwidert.
Selig gewesen ist Theseus, weil Peirithoos nah' war,
Ob er hinunter auch stieg zum Hades, dem nimmer erweichbar'n;
Selig Orestes inmitten der Taurer, der Frevler am Gastrecht,
Weil er gemeinsamen Pfad mit Pylades hatte erkoren;
Selig, so lang' ihm lebend der Freund blieb, war der Pelide,
Selig auch noch im Tod, weil grauses Geschick er gewehrt ihm.
(S. 164)
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An den Abendstern
Hesperus, goldene Leuchte der lieblichen Aphrogeneia,
Freundlicher Hesperus, Schmuck am dunkel umhülleten Nachtraum,
Bleicher so viel denn der Mond, als heller du bist denn die Sterne,
Sei willkommen, geliebter, und mir vom Feste zum Hirten
Wandelnden gieb du Licht an der Stelle Selenes, die, heute
Erst im Beginnen, zu frühe hinabsinkt. Nicht auf den Diebstahl
Geh' ich, noch an dem Weg auf nächtliche Wand'rer zu lauern,
Sondern ich liebe, und schön ist's, dem Liebenden liebend Genoss' sein.
(S. 164)
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An Aphrodite
Liebliche Kyprogeneia, Entspross'ne des Zeus, nicht des Meeres,
Weshalb trittst du den Menschen und Göttern entgegen so unhold?
Wenig noch sagt' ich: warum dich selber so feindlich bekriegst du,
Daß du, zu solchem Verderben für alle, den Eros geboren,
Grausam, erbarmungslos, nicht ähnlich an Seele dem Antlitz?
Weshalb gar noch beschwingt und fernher treffend ihn bringen,
Daß wir, so schrecklich er sei, ihm nicht zu entweichen vermögen?
(S. 165)
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Wunsch
Mögen die Musen mir Eros, den Eros mir bringen die Musen.
Immer verleihen Gesang mir Liebenden wollet, o Musen,
Süße Gesänge, von allem, was Wunden besänftigt, das Hold'ste.
(S. 166)
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Übersetzt von Friedrich Notter
(1801-1884)
Aus: Theokritos, Bion und Moschos
Deutsch im Versmaße der Urschrift
von E. Mörike und F. Notter
Zweite Auflage
Stuttgart Verlag von A. Werther 1883
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