Europäische Liebeslyrik
(inklusive nordamerikanische Liebeslyrik)

(in deutscher Übersetzung)

Edward Charles Halle (1846-1914) - Die Musik

 

 

William Cullen Bryant (1794-1878)




O, schönste Maid vom Lande du!

O, schönste Maid vom Lande du!
Geboren in des Waldes Ruh,
Wo Laubengrün und Himmelsblau'n
Die Kinderaugen winzig schau'n.

Die Spiele deiner Kinderzeit
Triebst du in Waldeseinsamkeit;
All' seiner Schönheit Wiederschein
Im Herzen, auf dem Antlitz dein.

Wie Busch und Fels im Dämmerlicht
Sich seiner Locken Farben bricht;
Dein Schritt ist wie der Wind so leicht,
Wenn er die Blätter spielend neigt.

Dein Auge wie der Quellen Fluth,
Darin des Himmels Abbild ruht,
Die Augenlieder sind das Kraut,
Das sich in Baches Spiegel schaut.

Nicht kann der Urwald reiner sein,
Als deines Busens stiller Schrein;
Der ringsum athmet im Revier;
Der Waldesfrieden wohnt in dir.

Übersetzt von Karl von Beaulieu-Marconnay (1811-1889)

Aus: England und Amerika
Fünf Bücher englischer u. amerikanischer Gedichte
von den Anfängen bis auf die Gegenwart
In deutschen Übersetzungen
Chronologisch geordnet mit litterarhistorisch-kritischen Notizen
und einer Einleitung: Ueber Geist und Entwicklung der englischen Poesie
von Julius Hart / Minden i. W. J. C. C. Bruns' Verlag 1885 (S. 368-369)
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Zeit der Werbung

Müssig scherzend fragst Du mich,
Schalk: Zu welcher Stunde
Lässt die Maid erflehen sich
Von des Liebsten Munde?
Ach! sie glaubt ja nur zu oft
Leichtgesinntem Freier!
Stets die Maid auf Treue hofft -
Wären Männer treuer!

Freie sie, wenn in die Rund
Junge Vögel singen,
Freie, wenn am feuchten Grund
Junge Pflanzen springen!
Wenn der Hain am Bache (wann
Blüten sich erneuen)
Liebe haucht und Schönheit - dann
Magst die Holde freien.

Freie, siehst errötend Du
Sommerabend sinken,
Und auf Ströme voller Ruh
Sterne niederblinken!
Wenn im dunkelen Gezweig
Mondesstrahlen necken -
Sanftere Gefühle gleich
Wird die Stunde wecken.

Freie, wenn sich schmückt der Fels
In des Herbstes Farben,
Wenn am Rande sich des Quells
Häufen dürre Garben!
Künde ihr dies Bild, wie flieht
Jugend schnell vorüber -
Mag sie, eh' ihr Lenz verblüht,
Dich beglücken lieber.

Freie, hörst des Nordwinds Schall
Du am Lattich nächtig,
Wenn gemütlich in der Hall'
Flammen lodern prächtig.

Denn dieweil der Sturm umdrohnt
Schneegefilde trübe,
Süsser ihrem Ohr ertönt
Sprache sanfter Liebe.


Übersetzt von Karl Bleibtreu (1859-1928)

Aus: Geschichte der englischen Litteratur im neunzehnten Jahrhundert
von Karl Bleibtreu
Zweite verbesserte Auflage
Leipzig Verlag von Wilhelm Friedrich K. R. Hofbuchhändler 1888 (S. 406-407)

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Die Trauer der Indianerin

Es sass die Inderin, wo schlief
Ihr Liebster, der im Kampfe fiel.
Ihr schwarzes Haar, ihr Schleier tief
Auf's Antlitz niederfiel.
Und in des Waldes Sprache, bang
Und wild, doch einfach, scholl ihr Sang:

"Sieh! Meine Hand die Staude bricht,
Die eng umwächst dein schlafend Haupt.
Den Zweig ich breche, der zu dicht
Beschattend Dich umlaubt,
Dass gern auf deiner Gruft verweilt
Die Sonn', die vom Südwesten eilt.

Der Todespfad war traurig lang,
Zur Himmelsküste sonnig mild,
Wo deine Hand im Gras umschlang
Des toten Vaters Bild,
Wo ewiger Herbst, wo goldig wallt
Die Wolke überm goldigen Wald.

Ich nähte dir den Moccasin,
Auf dem du ziehst zu jenem Land,
Ich legte Pfeil und Bogen hin
Zu deiner kalten Hand,
Den Pfeil, der nie umsonst entsandt,
Den Bogen, oft im Kampf gespannt.

In Bisonhaut hüllt ich bequem
Und schmückte dich mit Wampum breit,
Und Nahrung, die dir angenehm,
Ich legte dir zur Seit,
So ist's für einen Krieger recht
Von grossem Namen und Geschlecht.

Du bist nun glücklich, denn Dein Schritt
Durchmass des Grabes schwarzes Reich.
Du jagst im Kreis von Helden mit
Im Jagdgrund wonnereich -
Der Schönste und der Bravste hier,
Im Himmel selbst des Himmels Zier!

Doch oft Dein Herz wohl sehnend ruft
Nach Deiner treuen Indermaid,
Zu Ihr, die weint an Deiner Gruft,
Dem Grame nur geweiht
Ein Trost nur ihrem Kummer blieb:
Dass sie Dir immer noch so lieb.

Mich däucht, Du streifst am See vielleicht,
Auf dem des Friedens Sonne ruht,
Wo nie des Himmels Bild entweicht
Im Südwind von der Flut.
Dort unter farbiger Wolken Pracht
Die Laube hast Du uns gemacht.

Dort willst Du bieten süssen Gruss,
Wenn mir ein froher Tod beschert.
Du staunst, was der Geliebten Fuss
Das Kommen wohl verwehrt.
Und meiner Tritte Nahen schon
Hörst Du in jedem leisen Ton.


Übersetzt von Karl Bleibtreu (1859-1928)

Aus: Geschichte der englischen Litteratur im neunzehnten Jahrhundert
von Karl Bleibtreu
Zweite verbesserte Auflage
Leipzig Verlag von Wilhelm Friedrich K. R. Hofbuchhändler 1888 (S. 410-411)

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Die Maid von Peru

Wo mit den Olivenblättern spielt der angenehme Wind,
Sass im tiefen süssen Schatten von Peru ein schönes Kind.
Ein Nacken weiss wie Elfenbein erglänzt und schimmernd Haar,
Wo sich die Zweige öffnen dem Äther sonnig klar.
Und aus dem schattigen Winkel hier die Silberstimme scholl,
Wie in verborgnem Thale klingt des Baches sanft Geroll.

In edler Spanierzunge noch ein Sang von Lieb und Kraft,
Den einst auf sonnigem Plane sang Kastiliens Ritterschaft,
Wenn vom Gebirge in das Thal, wo's Heer der Mauren ruht
Die Christen niederstürzten sich, wie angeschwollne Flut.
Jetzt schweigt die Melodie - doch dann aufs neue nun erschallt
Von Freiheit und Peru ein Lied von stärkerer Gewalt.

Den Harnisch gürtete sie selbst um ihres Kriegers Leib
Und sandt' ihn fort am Tage, wo sie werden sollt' sein Weib.
Zu kämpfen tapfer für das Recht, anflehte sie ihn an,
Und ihrer Augen Quelle schloss, bis sie ihn nicht mehr sah.
Sechs Monde gingen hin, seit sie ihr letzt' Lebwohl gehaucht,
Und noch der Feind im Lande tobt und Blut zum Himmel raucht.

Eine weisse Hand die Büsche teilt, ein lieblich Antlitz, seht!
Mit schwarzen hellen Augen ernst und fest nach Norden späht.
Umsonst du blickst, o süsse Maid! Der schärfste Blick wohl kaum
Ein Lebenszeichen rings entdeckt im weiten öden Raum.
Denn heiss die Mittagssonne nun und grell vom Himmel blickt,
Und stille nun und Schwüle bang auf Forst und Hügel drückt.

Die Hand zurück sie zog, und auch ihr süsses Antlitz wich -
Doch stets die süsse Melodie leis durch die Lüfte schlich.
Nicht, wie zuletzt in frohem Ton, nein, trauervoll und trüb,
Das Lied von dem gebrochnen Herz der Maid, die starb vor Lieb';
Von ihm, der brav und jung im Kampf gefallen war,
Und ihr, die starb vor Gram an seiner frühen Bahr'.

Doch einen stolzen Reiter man am Bergeshang erblickt,
Zerrissen ist sein Säbelgurt, die Feder hängt geknickt.
Tief gräbt er seine Sporen ein, die Zügel los er hält,
Von seines Renners Flanken Blut und Schaum in Tropfen fällt.
Auf den Olivenhain gerad zujagt er hastig wild -
Gott schirme dort die schwache Maid, führt Böses er im Schild!

Doch plötzlich unterbricht sich nun der Maid Gesang,
Und plötzlich, horch! ein Schrei - doch nicht ein Schrei der Furcht - erklang!
Denn süsse Laute folgen und süsse Pausen, ach!
Der Freude Überströmen, wo Worte viel zu schwach!
"Mein Schwert liegt hier zu deinem Fuss, denn frei ist Peru nun!
Und im Olivenhain ich will an deiner Seite ruhn!"

Übersetzt von Karl Bleibtreu (1859-1928)

Aus: Geschichte der englischen Litteratur im neunzehnten Jahrhundert
von Karl Bleibtreu
Zweite verbesserte Auflage
Leipzig Verlag von Wilhelm Friedrich K. R. Hofbuchhändler 1888 (S. 411-412)
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Lied

Welche Zeit die beste sei,
Fragst du mich, zur Minne,
Wann mit süßer Schmeichelei
Herzen man gewinne?
Ach, ein Mädchen glaubt so leicht,
Schwört man hoch und theuer,
Mädchenherz ist bald erweicht;
Wären wir nur treuer!

Wirb um sie, wenn in der Luft
Frühe Vögel singen,
Wirb um sie, wenn frischen Duft
Frühe Gräser bringen;
Wenn den Hain, den Bach zumal
Blüthen rings umkrönen,
Liebe haucht in Berg und Thal,
Huldige der Schönen.

Wenn des Sommers Abendgluth
Auf den Fluren winket,
Wenn der Stern in sanfter Fluth
Klarer Bäche blinket,
Wenn der stille Mond sich zeigt
Durch der Zweige Windung,
Wirb, bis leise sie beschleicht
Weichere Empfindung. -

Wirb, wenn Busch und Wald sich hüll'n
In des Herbstes Farben,
Wenn des Baches Spiegel füll'n
Blätter, die erstarben;
Möge, daß ihr Lenz verblüht,
Sie im Stillen ahnen,
Und ihr Herz, eh' es verglüht,
Sie zur Liebe mahnen.

Wirb, wenn Nordwind durch die Nacht
Braust mit wildem Schalle,
Wenn des Herdes Gluth entfacht
Die erwärmte Halle;
Wenn durch die beeiste Flur
Winterstürme rauschen,
Auf der Liebe süßen Schwur
Selig dann zu lauschen.

Übersetzt von Adolf Laun (1808-1881)

Aus: Amerikanische Gedichte
von William Cullen Bryant
in deutscher Nachbildung von Adolf Laun
Bremen J. G. Heyse's Verlag 1863 (S. 39-40)

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Du frische, liebliche Gestalt

Du frische, liebliche Gestalt,
Die du geboren bist im Wald,
Zuerst begrüßten auf der Welt
Dich Baum und Busch, vom Licht durchhellt.

Du schweiftest in der Kinderzeit
Umher in grüner Einsamkeit
Es strahlet ihrer Schönheit Zier
Im Herzen und im Antlitz dir.

Der Felsen und der Bäume Nacht
Ist schwarz wie deiner Locken Pracht,
Dein Schritt ist wie der Wind so leicht,
Der spielend durch die Blätter streicht.

Es ist dein Auge, klar und mild,
Ein Quell, drin strahlt des Himmels Bild,
Die Wimper gleicht dem Uferkraut,
Das sich im Bächlein selbst beschaut.

Des Dickichts nie betretner Raum
Ist wie dein Herz, so schuldlos kaum,
Ein heil'ger Friede wohnt bei dir
Wie rings im stillen Waldrevier.

Übersetzt von Adolf Laun (1808-1881)

Aus: Amerikanische Gedichte
von William Cullen Bryant
in deutscher Nachbildung von Adolf Laun
Bremen J. G. Heyse's Verlag 1863 (S. 61)

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Des Jägers Ständchen

Gebaut ist deine Hütte,
Du schöne Jägerbraut,
Wo fern durch die Savannen
Der Wald herüberschaut.
Durchwandert hab' ich hin und her
Das weite Westrevier,
Doch fand ich nirgends einen Platz
So schön wie diesen hier.
Und doch wird er noch schöner,
Wenn mir dein Lächeln winkt
Und deiner Stimme Silberklang
Durch diese Stille dringt.

Für dich erglühn die Trauben
Im sonnerhellten Raum,
Für dich die gelben Früchte
An dem Melonenbaum,
Dir holt das Huhn aus den Prairien,
Die Ent' aus Sumpf und Moor,
Den wilden Schwan aus hoher Luft
Zum Mahl mein Feuerrohr;
Des Urwalds schöner Panther,
Im Laufe wild und schnell,
Wird deinem Fuß zum Teppich leihn
Sein buntgeflecktes Fell.

Ich weiß, der Heimath Blumen
Freun deinen Mädchensinn,
Doch bring' ich dir die unsern,
Wie bleicht ihr Glanz dahin!
Wenn Wald und Fluren im April
In voller Blüthe stehn,
Dann hat noch keines Menschen Aug'
Je Schöneres gesehn.
Durch blüthenrothe Wiesen
Summt in der Sommerzeit
Die Bien' und macht die Honigzell'
Für dich und mich bereit.

Und wünschest du die Zeugen
Vergangner Zeit zu sehn,
Sieh dort mit Moos bewachsen
Die alten Eichen stehn.
Wie Schlangen rankt der wilde Wein
Sich um den Ahornbaum,
Und manchen hundertjähr'gen Stamm
Umfaßt des Waldes Raum.
Und über die Savanna
Steigt fern am Himmelsrand
Ein einsam hoher Damm, gebaut
Von unsrer Väter Hand.

O komm', denn du vergissest
Den Eid der Treue nicht,
Den du mir hold erröthend
Einst schwurst beim Sternenlicht.
O komm, dich grüßt der Veilchen Duft
An meines Gartens Thor,
Und lauschend an der Fensterbank
Rankt der Jasmin empor;
Der Rothfink singt am Tage
Im nahen Maulbeerbaum,
Und Nächtens klagt die Nachtigall
Im stillverschwiegnen Raum.

Übersetzt von Adolf Laun (1808-1881)

Aus: Amerikanische Gedichte
von William Cullen Bryant
in deutscher Nachbildung von Adolf Laun
Bremen J. G. Heyse's Verlag 1863 (S. 96-98)

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Liebe am Nordpol

Des langen, langen Winters Nacht
Entschwand in düstrem Grau,
Der Sonne Ball in stolzer Pracht
Rollt durch der Lüfte Blau;
Und frisch wie deines Odems Hauch
Entsteigt ein Duft dem Weidenstrauch;
Der Sommer kommt, o schau! -

Nun ist's der lange, helle Tag;
Hörst du den dumpfen Schall?
Es löste sich das Eis und brach,
Hell schimmert's überall!
Der Schneeberg rollt hinab zum Meer,
Und schäumend von dem Abhang her
Wälzt sich der Wasserfall.

O komm, da schon im Schilf am Strand
Mein Boot vor Anker liegt,
Ich rudre dich mit starker Hand
Schnell, wie die Möve fliegt,
Zum Fels, wo Ei an Ei sich reiht,
Die Seegans an der Klippe schreit
Und auf der Fluth sich wiegt. -

Wo nicht, so bleib' und Ruh' hier aus,
Wo Mohn und Winden stehn;
Ich will aufs Eisgefild hinaus
Den Bären jagen gehn;
Trotz seiner mächtigen Gestalt
Bezwingt mein Arm den Wüthrich bald,
Und blick' er noch so graus. -

Giebt dann der Himmel, glutherfüllt,
Des Sommers Scheiden kund,
Wenn Schnee, der nicht mehr schmilzt, umhüllt,
Ein Leichentuch, den Grund,
Bau' ich von Eis dein Winterhaus
Und breite auf dem Boden aus
Dir Felle warm und bunt.

Der weiße Fuchs wird zahm und mild
In deiner Nähe sein;
Es fällt, des Tages trügrisch Bild,
Die Dämmerung herein;
Du singst ein Lied, dein Auge lacht,
Und so verkürzt des Winters Nacht
Uns holder Liebe Schein. -

Übersetzt von Adolf Laun (1808-1881)

Aus: Amerikanische Gedichte
von William Cullen Bryant
in deutscher Nachbildung von Adolf Laun
Bremen J. G. Heyse's Verlag 1863 (S. 116-117)

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Der Prairiejäger

Hier bin ich frei! Der Dörfer Rauch
Trübt nirgends mir des Tages Licht,
Hier kommt der Blüthen frischer Hauch
Aus Feldern, die kein Pflug zerbricht;
Mit ihr, die mir zu Lieb' die Welt
Verließ, mit Roß und Feuerrohr
Durchstreif' ich dieses grüne Feld,
Das ich zum Jagdrevier erkor. -

Hier dehnt sich der Savannen Grün,
Deß Grenze nirgendswo zu sehn,
Soweit des Himmels Strahlen glühn,
Soweit des Himmels Lüfte wehn,
Und ungehindert jag' ich hier,
Wo Grasung ohne Ende winkt,
Den Auer und das Elenthier,
Das rauschend durch die Halme springt.

Mein ist die Gans, die kreischend fliegt
Ins Rohr, das wallend sie bedeckt,
Der Bär, der meine Waffe sieht
Und hastig sich im Wald versteckt.
Umsonst hält mir die Wölfin Stand,
Der fleck'ge Panther hoch im Ast,
Ihn trifft ein Schuß von meiner Hand,
Bevor er seine Beute faßt.

Die Ulme, der Platanenbaum
Strecken die Zweige frei hervor,
Und jünger als sie selber kaum
Rankt wilder Wein daran empor;
Frei wallt der Strom, von jeder Spur
Des Zwangs und der Befleckung rein,
Frei duften Blumen auf der Flur,
Wo nie geblitzt der Sichel Schein.

Das Feuer nur, wenn Gras und Laub
Im Hauch des Windes sind verdorrt,
Ergreift im Herbst hier seinen Raub
Und wüthet unaufhaltsam fort,
Es kracht wie fernen Donners Schall
Und strömend wallet Rauch empor;
Doch droht die Flamm' auch überall,
Sie stirbt an meines Hauses Thor.

Aus dunkler Wälder hohem Dom
Spricht zu mir die Vergangenheit,
Und vor mir rollt der helle Strom,
Ein Spiegel der zukünft'gen Zeit.
Wer nährt mit Regen ihn und Thau,
Wer, frag' ich mich, lenkt seinen Lauf,
Wer hängt die Traube saftvoll blau
So lockend hier am Weinstock auf? -

Breit ist der Strom, in seinem Schooß
Trägt mich mein Roß zum Ufer hin,
Groß ist der Wald, doch führerlos
Durchstreif' ich Baum und Busch darin;
Ich jage, bis die Sonne sinkt,
Und o welch freundlicher Empfang:
Das Auge der Geliebten winkt
Und ihrer Stimme süßer Klang! -


Übersetzt von Adolf Laun (1808-1881)

Aus: Amerikanische Gedichte
von William Cullen Bryant
in deutscher Nachbildung von Adolf Laun
Bremen J. G. Heyse's Verlag 1863 (S. 128-130)

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Das zukünftige Leben

Wie soll ich in der körperlosen Schaar
Erkennen dich in jener andern Welt,
Wenn Alles, was an dir vergänglich war,
Dereinst verschwindet und in Staub zerfällt?

Denn nimmer enden wird der Seele Pein,
Wenn dort mir fehlt dein liebes Angesicht,
Der Stimme süßer Ton, des Auges Schein,
Aus welchem liebend dein Gedanke spricht.

Verlangt dein sehnend Herz nicht dort nach mir,
Dein Herz, das hier mit jedem Pulsschlag mein?
Du nanntest betend meinen Namen hier,
Wird dort er deiner Lipp' erstorben sein?

Wo ein lebendig frischer Hauch sich regt,
In jenen Aun, die höhrer Glanz umgiebt,
Wo fesselfrei die Seele sich bewegt,
Vergäßest du, wie wir uns hier geliebt?

Die Liebe, die der Jahre Sturm bestand,
Die sanft sich beugte meinem rauh'ren Sinn,
Die tiefer stets und enger uns verband,
Sie schwände mit des Lebens Hauch dahin?

Dein harrt ein schönres Loos, ein hellres Licht,
Für Alle schlug dein Herz in edler Gluth,
Du beugtest deinen Sinn und murrtest nicht,
Du warst den Feinden, die dich kränkten, gut.

Mein Herz wie an dem Herd ein Pergament
Verdorrt, in niedrer Sorgen Joch gebannt,
Und Haß, der wie der Hölle Feuer brennt,
Hat schlimmer Wunden Mal hineingebrannt.

Bleibt nicht, wenn du dort wallst in Himmelsaun,
Im Lichtgewand, dein holder Name dein,
Werden der Blick, die sinnend edlen Braun,
Wenn auch verklärt, nicht stets dieselben sein?

In jener stillern Heimath lehrst du mich
Die Weisheit, die ich hier noch oft verkannt,
Die Weisheit, die die Liebe ist, bis ich
Dein würdig mit dir wall' im sel'gen Land.


Übersetzt von Adolf Laun (1808-1881)

Aus: Amerikanische Gedichte
von William Cullen Bryant
in deutscher Nachbildung von Adolf Laun
Bremen J. G. Heyse's Verlag 1863 (S. 141-142)

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Des Mädchens Klage

Schon tränkt der Regen sieben Jahr'
Den Hügel, welcher dich umfängt,
Schon sieben Jahr', daß immerdar
Mein Herz in Kummer dein gedenkt.

Im fernen West traf dich dein Loos,
Verlassen, einsam starbst du dort,
Sie legten dich in der Erde Schooß
Und gingen trocknen Auges fort.

Wohl windet sich um deine Gruft
Im Mai der Veilchen duft'ger Kranz,
Wohl schwankt dort in der Sommerluft
Der Phlox mit dunkelrothem Glanz;

Dort girrt ein Turteltaubenpaar,
Im Grase weidet das scheue Reh,
Und wenn der Wald des Laubes bar,
Durchstreift der Wolf den knarrenden Schnee.

Du trocknest meine Thränen bald,
Mein Tagewerk ist nun vollbracht,
Mein armer Vater grau und alt
Schlummert schon in des Grabes Nacht.

In meiner Kammer stillem Raum
Seh' ich des Nachts dein Angesicht,
Ich plaudre lange mit dir im Traum,
Und Tags vergess' ich des Traumes nicht.

Der tiefen Wunde brennende Qual,
Das lange schlummerlose Leid,
Bald fühl' ich es zum letzten Mal,
Wenn Gott die Seele mir befreit. -

Übersetzt von Adolf Laun (1808-1881)

Aus: Amerikanische Gedichte
von William Cullen Bryant
in deutscher Nachbildung von Adolf Laun
Bremen J. G. Heyse's Verlag 1863 (S. 161-162)

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