Europäische Liebeslyrik

(in deutscher Übersetzung)

Edward Charles Halle (1846-1914) - Die Musik


 

Luis de Camoes (1524-1579)
portugiesischer Dichter



Sonette

1.
(Unerwartet)

Es ordnet flink das süße Vögelein
Mit zartem Schnabel seine bunten Schwingen,
Vom Blütenzweig die hellen Töne klingen,
Wild, regellos, im goldnen Sonnenschein.

Ein Jäger wandelt durch den Forst allein,
Müd von des Waidwerks heiterem Gelingen;
Läßt ihm durchs Herz des Pfeiles Spitze dringen,
Bereitet ihm das Nest still, kalt und klein.

So ward mein Herz vom süßen Leid getroffen,
Da es am frohsten in der Brust mir spielte,
Obschon es längst verdammt war vom Geschicke.

Aus deinem Aug, so klar, so groß und offen,
Versteckt der Schütz nach meinem Busen zielte,
Der ich geblendet war von deinem Blicke.
(S. 3)
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2.
(Ihr Bild)

Das blonde Haar in wellenweichem Glanze,
Zusammen bald von schöner Hand gebunden,
Bald frei, vom duftgen Rosenkranz durchwunden,
Umgiebt das Antlitz, wie mit einem Kranze.

Ihr Augen, die ihr strahlt in reinem Glanze,
Hellflammend wie die Sonn' in Morgenstunden,
Die ihr das Herz, die Seele mir entwunden, -
Gut, daß die Ferne mich vor euch verschanze!

O, süßes Lächeln, das du wirst geboren,
Inmitten weißer Perlen und Korallen,
O, daß dein Echo kläng in meinen Ohren!

Wenn der Gedanke schon das Herz umstrickte,
Die Reize, die die Phantasie beschworen,
Wenn ich dich säh? – o daß ich dich erblickte.
(S. 4)
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3.
(Höchstes Leid)

Was ists, was diese Welt mir könnte geben,
Daß ihr mein Herz in Liebe sollte schlagen?
Nur Ekel sah ich, Haß und Sünde ragen,
Und wie der Tod entkeimet allem Streben;

Doch sättigt nie das Leben je das Leben:
Den größten Schmerz, weiß ich, kann man ertragen,
Und giebts ein tiefres Weh – die schwersten Klagen
Hab ich gehört – ich trag es ohne Beben.

Es wollt der Tod mich jedem Leid entheben,
Das je mich treffen könnte; als entsagen
Ich jener mußt, hab ich die Furcht verloren.

Lieblosigkeit allein sah ich im Leben,
Im Tod den Schmerz, der übrig ist zu tragen,
Für dies allein, so scheints, bin ich geboren.
(S. 5)
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4.
(Bitte)

Du meine Seele, die so früh geschieden
Aus diesem Leben, das dir nicht gefallen,
Jetzt ruhst du ewig in des Himmels Hallen,
Indeß ich leb im stäten Schmerz hienieden.

Wenn dort noch ist Gedächtniß dir beschieden,
Zu dir hinauf der Erde Klagen schallen,
O denk der Lieb, die dir einst wol gefallen,
Die du in meinen Blicken nicht vermieden.

Und wenn du glaubst, daß Etwas mög verdienen
Der Schmerz, mit dem mich dein Verlust umwoben,
Die Qual, der keine Hülfe ist erschienen:

So bitte Gott, der dich so früh nach oben
Entführte, daß ich dort dir möge dienen,
So schnell wie er dich hier dem Blick enthoben.
(S. 6)
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5.
(Warnung)

In dir seh ich den Lenz, den blütenvollen,
Den jugendschönen, glänzend aufgegangen,
Denn deinen Lippen, deinen weichen Wangen
Ist Ros' an Ros und Nelk' an Nelk' entquollen.

So herrlich hat Natur dich schmücken wollen,
Mit ihrer schönsten Farben reichstem Prangen,
Daß Berg und Wald erfüllt ein heiß Verlangen,
In Liebesweh des Flusses Wellen rollen:

Doch willst du nicht, daß wer dich liebt, die Blüten
Abpflücken dürfe, sich zum Kranz zu flechten,
Wirst bald du sehn wie flüchtig sie verglühten:

Denn wenig hilft es, daß der Lieb die echten
Lustblümelein in deinem Antlitz blühten,
Trägst du im Geist des Unkrauts Wust, des schlechten.
(S. 7)
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6.
(Erinnerung)

Wenn des Abends ist die Sonn hinab gegangen,
Die Welt erfüllt des Zwielichts heilges Schweigen,
Geh ich den Wald entlang, umrauscht von Zweigen,
Und denk der süßen Feindin mit Verlangen.

Hier seh ich wehn der goldnen Locken Schlangen,
Dort auf die Hand das schöne Haupt sie neigen,
Bald froh, bald trüb, wie ihr allein es eigen,
Jetzt ruhte sie, jetzt ist sie fort gegangen.

Hier saß ich, hier hat mich ihr Blick getroffen,
Als sie die hellen Augen aufgeschlagen,
Bald stolz und bald doch auch, als dürf ich hoffen;

Hier lachte sie und dort hört ich sie klagen:
Und solchem eitlem Sinnen immer offen,
Muß ich des Lebens leeres Nichts ertragen.
(S. 8)
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7.
(Hoffnungslos)

In dieser Glut wird sich kein Thier erheben,
Liso allein fühlt nicht den Mittag tagen;
Den Flammen, die er muß im Innern tragen,
Kann, die er liebt, allein nur Kühlung geben.

Es scheint als ob die Berge selbst erbeben
Bei seiner Qualen bangen Trauerklagen,
Doch an ein Steinherz sie vergebens schlagen,
Das einer andern Liebe ist ergeben.

Vom Wandeln in dem Dickicht ganz ermattet,
In einen Buchenstamm hat seiner Schmerzen
Die trüben Trauerworte er geschrieben:

"Hofft nicht auf Weiber, die ihr lieb einst hattet,
Denn also schuf Natur die leichten Herzen,
Daß sie im Wechsel nur beständig blieben."
(S. 9)
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8.
(Gelöstes Räthsel)

Auf seiner Mutter Schooß im Schlaf versunken,
Ruht Amor, und so schön, daß er erreget
Das Herz selbst, das ihn sonst schaut unbeweget,
Daß er die Mutter selbst macht liebestrunken.

Im Anschaun ist sie ganz in ihn versunken,
Der diese Welt in Leid zu stürzen pfleget;
Doch jener leis' im Traum die Lippen reget:
"Du bist es die zum Brand aufschürt den Funken."

Saliso, der im Liebesspiel erfahren,
Und der das Wesen Beider früh erkannte,
Spricht so, des Räthsels Sinn zu offenbaren:

"Ob mich des Knaben Pfeil auch oft verbrannte,
Vor dessen Gift ich nie mich konnt bewahren,
Der Mutter Schönheit tiefern Schmerz doch sandte."
(S. 10)
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9.
(Liebeszauber)

Der Augen zartes, sanftes Umsichschauen,
Ohn daß man sieht wohin; fast wie erzwungen
Ein lieblich Lächeln, demuthsvoll durchdrungen,
Darin man glaubt, Frohsinn versteckt zu schauen;

Schamhaftes, ruhiges Sichselbstvertrauen;
Ein Herz, vom tiefsten Frieden eng umschlungen;
Und ein Güte, die allein erklungen,
Wo wolkenlos der Seele Himmel blauen;

Und eine Sanftmuth und ein furchtsam Wagen;
Ein Bangen, ohne Schuld, ein heitres Blicken;
Ein langes und gehorsames Ertragen:

Das sind die Reize, welche mich umstricken,
Das Gift der Circe, dem die Kraft erlegen,
Deß, den verwandelt hat ihr zauberisch Nicken.
(S. 11)
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10.
(Ferne)

Die ihr durchströmt, des Tajo weiche Wellen,
Die Wiesen, deren Grün eur Kuß erneuet,
Die Pflanzen ihr und Blüt und Blatt erfreuet,
Das Herz des Hirten machet fröhlich schwellen:

Ich weiß nicht ob ich deinen Lauf, den schnellen,
Mein süßer Strom, je wieder seh; es scheuet
Ein krankes Herz, deß Glück ist all zerstreuet,
Die Hoffnung selbst, sich dir noch zu gesellen:

Denn also hat es das Geschick beschlossen,
Daß es, in dem mir andre Sterne tagen,
Mich übergab dem Schmerze zum Genossen:

Sehnsucht nach dir, das Leid das ich muß tragen,
Um jene klagt, durch andre Lüft ergossen,
Und andre Wellen stören meine Klagen.
(S. 12)
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11.
(Widerspruch)

Die Liebe ist ein unsichtbares Feuer;
Ist eine Wunde, deren Schmerz verborgen;
Zufriedenheit, die Streit gebiert und Sorgen;
Ein Schmerz, der schmerzlos schmerzet ungeheuer;

Verlangen, dem nichts ist und alles theuer;
Ein einsam in der Menge sein verborgen;
Ein Glück, das von dem Unglück stets muß borgen;
Gewinn verleihender Verlusterneuer;

Ein sich freiwilliges Gefangengeben;
Des Siegers Sieger ists ein willig Dienen;
Ist eine Treue, die den Tod uns bringet:

Doch könnte je zur Harmonie verschweben
Im Menschenherzen, da sie ist erschienen,
Die Lieb, die stets in Dissonanzen klinget?
(S. 13)
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12.
(Gleiches Schicksal)

Es ist dem bunten Schmetterlinge eigen,
Daß, wo er sieht der Kerze Flamme blinken,
Er sie umkreisen muß, in sie versinken,
Bis seine Asche hüllt des Todes Schweigen:

Demselben Schicksal wird mein Loos sich neigen:
Ich eile deiner Augen Glanz zu trinken,
Die mir zum Tode um so sichrer winken,
Als ich verständig wähne mich zu zeigen.

Ich weiß wie viel die trunknen Blicke wagen,
Ich weiß wie hoch sich heben die Gedanken,
Und daß des Todes Schwingen mich umschlagen:

Doch duldet Liebe kein unsichres Schwanken,
Noch meine Seele, die den Schmerz zu tragen,
Als ihren größten Ruhm dir mögte danken.
(S. 14)
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13.
(Eitel)

So oft ich auf die Zeit schau, die vergangen,
Hab Reue des Geschehnen ich empfunden;
Ich sah, daß all die Zeit umsonst entschwunden,
Daß thöricht war mein Hoffen und mein Bangen.

Nach meinem Leid nur trug ich heiß Verlangen!
Was ich erreicht, schlug stets mir tiefste Wunden;
Wenn ich des Glückes wärmsten Kuß empfunden,
War auch die letzte Hoffnung schon vergangen.

Die Schlösser, die die Phantasie erhoben,
Im Augenblick, da ich den Giebel kränzte,
Sah ich sie, wie ein Morgentraum, zerstoben.

Wie manchen Trug hat diese mir gewoben!
Ein leerer Hauch ist, was so golden glänzte;
Weh dem der hofft! weh, wer vertraut auf Oben!
(S. 15)
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14.
(Verwandlung)

Was lockst ihr mich, der Sehnsucht süße Lieder?
Mit welcher Hoffnung wollt ihr mich betrügen?
Vergangne Zeit wird sich zurück nicht fügen,
Und thäte sies, die Jugend kehrt nicht wieder.

Schon senkt die letzte Stunde ihr Gefieder!
Die Tage flohn in leichtbeschwingten Zügen;
Ich glaube jetzt nicht mehr an süße Lügen;
Vor einem andern Geiste sink ich nieder.

Verwandelt ist, was ehmals mich entzückte,
Ein andres worden, und in diesen Tagen,
Muß ich verdammen, was mich einst beglückte.

Es ließ das Schicksal mir der Wünsche keinen
Nach künft'gem Glück aus meines Irrthums Tagen,
Die nur nach meiner Ruhe lüstern scheinen.
(S. 16)
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15.
(Canzone)

Mir gegenüber hebt die kahle Stirne
Ein Berg empor mit ungestalten Gliedern,
Von der Natur gehaßt, öd, ohne Leben;
Kein Quell, kein Bach entströmet seiner Firne;
Kein Wild schläft dort; mit glänzenden Gefiedern
Hebt sich kein Vogel, keine Blätter beben.
Der Name, den das Volk ihm hat gegeben,
Heißt "glücklich", weil er ist ein Ort voll Grauen.
Er hebt sich aus den Wogen
An jener öden Stelle,
Wo zwischen Afrika des Meeres Welle,
Und Yemens Felsenklüfte sich gezogen,
Wo einstmals Berenice war zu schauen,
Wenn dich das Schiff getragen
Von dort her, wo versinkt der Himmelswagen.

Dort siehst du jenes Vorgebirg sich heben,
Das Afrikas östliche Grenze bildet,
Arómata, so ward es einst benennet,
Arómata, vor diesem; ihm gegeben
hat in der Zeiten Wandel ein verwildet
Volk jetzt den Namen, welchen Niemand kennet.
An dieses Meer, das hier mit wildem Drange
Aufbäumend flutet durch die Felsenpforte,
Hat mich in trüben Tagen
Mein Schicksal fest gebunden;
Und hier, an diesem fernen, wüsten Orte,
Vom kurzen Leben soll, von meinen Klagen,
Ein flüchtges Angedenken sein gefunden,
Der ich von meinem Leben
Die kleinen Theile rings der Welt gegeben.

Hier zehrt ich nutzlos auf einst trübe Tage,
Einsame, trübe, elende, gebunden,
Erfüllt von Mühsal, bittren Zornesgluten;
Nichts wollend, nichts; erliegend fast dem Schlage
Des Schicksals; brennend heiß die Stunden
Der Mittagssonne; kalt des Meeres Fluten;
Die Lüfte dick und kochend, Hauch des Kranken;
Mir feindlich selbst die eigenen Gedanken,
Die sonst ich als den besten Schutz empfunden
Im Kampf mit meinen Schmerzen;
Indem sie mir erneuen
Vergangner Stunden kurzes Glückerfreuen; -
Denn ich auch durfte in der Welt einst scherzen.
Sie schaffen tiefre Qualen meinen Wunden,
Indem zurück sie bringen
Vergangner Freuden seliges Gelingen.

Hier weilte ich mit solcherlei Gedanken,
Das Sein, den Tag verzehrend, sie erhoben
Mich auf den Flügeln hoch, zum tiefen Falle.
Wohl war es leicht in jener Höh zu schwanken!
Und aus den Träumen, die mich hold umwoben,
Umgiebt Verzweiflung mich mit lautem Schalle.
Es wandeln sich des Traumes Freuden alle
In Thränen um, selbst unbewußtes Klagen,
Die durch die Lüfte dringen.
Die Seele, die gebunden,
Bis in das Mark durchbohrt von Todeswunden,
Vom Schmerz verzehrt, vom qualvollsten Mißlingen,
Muß ohne Schutz des Schicksals Schlag ertragen,
Ist wehrlos und mit Beben
Dem unerbittlich stolzen preisgegeben.

Mir blieb im Leben keine Ruhestelle,
Noch eine Hoffnung, wo in kurzem Frieden,
Mein müdes Haupt die Qualen mög vermeiden;
Ach Leid ist alles, und der Leiden Quelle!
Doch tödtets nicht, damit, was mir beschieden
Ein hart Geschick, ich alles mög erleiden.
O, daß der Sturm sich legte meiner Leiden!
Schon scheints, als ob der Winde wilde Stimmen
Beruhigt sich zerstreuen;
Allein des Himmels Grollen,
Das Schicksal, und die Stern, die unheilvollen,
An meinem steten Leiden sich erfreuen;
Die mächtigen im wilden Zorn ergrimmen,
Ob einen Staub, ob einen
Zerbrechlich ird'schen Wurm, und ach so kleinen!

Wenn für so vieles Leid ich nur gewönne,
Daß ich es sicher wüßt; in fernen Tagen,
Ein klares Aug würd, mein gedenkend, beben;
Daß diese trübe Stimme nicht zerrönne,
Bevor sie dürft an schöne Ohren schlagen
Der, für die einst vergönnt mir war zu leben;
Daß, ihrem frühern Selbst zurückgegeben,
Und überblickend schnell, tief im Gemüte,
Die längst entschwundnen Tage
Von meinen süßen Schmerzen,
Geliebter Schuld, vom Wahnsinn mir im Herzen,
Den ich für sie gesucht, für sie ertragen;
O daß, ob spät, das Mitleid sie durchglüh'te,
Daß doch in ihrem Innern
Als allzuhart sie strafte ihr Erinnern.

Dies schon allein, wüßt ich's, würd sich erweisen
Als süßer Trost für all mein künftig Leben,
Dies würde Frieden schaffen den Beschwerden.
O Herrin! wie so reich muß ich dich preisen,
Daß du, dem Freudefernen, konntest geben
Schon in Gedanken jedes Glück der Erden!
Beschwört mein Geist die himmlischen Geberden,
Entfliehen alle Leiden, alle Qualen.
Ach, schon ein Deingedenken
Macht sicher mich und kräftig,
Des Todes Blick genüber, wild und heftig.
Und wenn die Hoffnung mir den Trost will schenken,
Daß heiter deine klaren Augen strahlen,
Sollt' einst zurück ich kehren,
Fühl ich mein Leid sich schnell in Lust verkehren.

Mit meiner Hoffnung leb ich hier und frage
Die liebessel'gen Winde, welche wehen
Von dorther, wo du weilst, nach dir, mein Leben,
Die Vögel frag ich, ob sie dich gesehen?
Wo, wie, an welcher Stund, an welchem Tage?
Und was du thust, und welche dich umgeben?
Schon fühl ich froh den Geist sich neu erheben,
Und frische Kraft, mit der ich will besiegen
Das Schicksal und die Klagen,
Allein, weil ich dich sehen,
Dir dienen soll, dir dienend nah' soll stehen.
Den Knoten löst die Zeit, den sie geschlagen.
Doch muß der Sehnsucht Qualen ich erliegen;
Sie öffnet alte Wunden
Und schafft mir neue qualenvolle Stunden.

So lebe ich, und fragt Gesang, dich Einer,
Warum ich denn nicht sterbe?
So kannst du ihm erwiedern: weil ich sterbe.
(S. 17-20)
___________

 

16.
(Canzone)

Entfernung

Mit ungewohnter Flamme
Versengen ew'ge Lohen
Ein Eiland, das im fernen Ost gelegen;
Bewohnt vom fremden Stamme;
In dem des Winters Drohen
Den grünen Schmuck erneut den Waldgehegen.
Die Portugiesen pflegen,
Mit blutgefärbtem Eisen,
Der Herrschaft dieses Landes;
Statt eines Gürtelbandes
Des Meeres Wellen sehnend es umkreisen;
Am Kräuterschmuck der Erde
Erfreut der Blick zugleich sich und die Heerde.

Dem Schicksal hat's gefallen,
Daß hier ein Theil entschwände
Von meinem Leben, das der Leiden Erbe,
Damit die Todtenhallen
Des Krieges Eisenhände
Mit Blut und mit Erinnerungen färbe.
Wenn ich soviel erwerbe,
Als Tausch für dieses Heute,
Daß einst in der Geschichte
Ich lebe, im Gedichte,
Daran ein schönes Auge sich erfreute,
Würd gern ich Glück und Leben
Für ein so süßes Angedenken geben.

Doch dieses Selbstbetrügen,
Fühl ich mit Widerstreben,
Hat mich mit falschen Hoffnungen gebunden.
Ich will mich nicht belügen,
Der Tod wird mir nicht geben,
Was ich im langen Leben nicht gefunden.
Schon längst ist mir entschwunden
Mein einst'ges Glückvertrauen:
Wenn ich mein Leid erblicke,
Verzag ich am Geschicke;
Selbst auf den Tod kann ich nicht hoffend schauen.
Doch ach! wenn preis gegeben
Ich der Verzweiflung wäre würd ich leben.

Was immer ich erblicke,
Daß es mir kein Erstaunen
Erwecke, hält Verzweiflung mich gebunden.
Das schafft ein fremd Geschicke:
Es sind nicht meine Launen,
Die Flammen weckend, welche mich verwunden.
Wer glaubt, daß meine Stunden
Die Furcht, daß ich vergessen
Vermöchte, trüben könnte! -
O, daß ein Gott vergönnte,
Daß irgend eine Furcht mich könnte pressen!
Ach, in der Liebe Banden
Hat ohne Furcht die Hoffnung je bestanden?

Verlieren kann geduldig
Nur, wem die Furcht geworden,
Unselig der, wer kann verlieren nimmer!
Deß bist du Herrin schuldig.
Es gnügte, mich zu morden
Ein Augenblick, wo ich dich schaute nimmer.
Mit froher Hoffnung Schimmer
Hast du mich schwer betrogen.
Doch das schafft mir im Herzen
Die leidentiefsten Schmerzen,
Daß nicht einmal der Zorn dein Aug umzogen,
Daß ich so klein erschienen,
So süße Qual nicht einmal zu verdienen.

Mich hielt die Lieb umfangen
So mild, so zornverhehlet,
Wie sie mir jetzt in meinem Leid erscheinet.
Nicht größ're Straf empfangen
Kann jener, der gefehlet,
Als wenn verdiente Straf ihm wird verneinet.
Wie man vom Kranken meinet,
Dem Armen, schmerzgeschlagen,
Vom Arzte aufgegeben,
Der kurz nur noch zu leben,
Dem keinen Wunsch die Freunde mehr versagen:
So hat, die mich verzehret,
Die Lieb, auch Sehnsucht, Hoffnung mir gewähret.

Und hier, in diesen Stunden
Vergang'nen Glücks Gedenken
Erneut dem Fernen sich in bangen Tagen.
Wer hätte je gefunden
In mir ein Schuldverschränken,
So schwerer Strafe würdig, zu ertragen?
Daß du mich so geschlagen;
Für eine Schuld so kleine,
So schweren Zins verschreiben,
Heißt, Herrin, Wucher treiben.
Doch kann, daß ich in der Verbannung weine,
Zufriedenheit dir geben,
So mög in ihr verzehren sich mein Leben.

Du Strom, du schöner, klarer,
Und ihr o grüne Bäume,
Die ihr gerechten Siegers Stirn bekränzet,
Eur geiziger Bewohner
Sieht wie, buntgoldne Träume,
Auf einem Stamm verschieden Frucht erglänzet,
Daß es euch ewig lenzet!
Daß nicht die Zeit euch breche!
In eurem Schutz empfunden
Hab Lindrung ich der Wunden,
So glänzt vom Sonnenlicht des Mondes Fläche:
Daß Zeit auf Zeit empfinde,
Daß Trennung nicht das Leben überwinde.
Du wirst, Gesang, in der Verbannung leben,
Ein nacktes Wort im Leeren,
Bis dich die Zeit zum Echo wird verkehren.
(S. 21-24)
___________


In der Übersetzung von Ludwig von Arentsschildt (1807-1883)

Aus: Völkerstimmen
von L. von Arentsschildt
Portugal. Spanien. Italien. Schottland. England
Hannover 1847

 

 


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