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Luis de Camoes
(1524-1579)
portugiesischer Dichter
Gärtnerinnen
Frischbegrünte Gärten,
Laub und Blütentriebe,
Mädchen, die da gießen,
Tödten mich vor Liebe.
Dort am Felsgesteine
Liegen duft'ge Matten,
Und erwünschter Schatten
Breitet sich im Haine;
Wasser perlt zum Raine
Auf die Blütentriebe;
Blumen, die da keimen,
Tödten mich vor Liebe.
Wellen, die entschiessen
Dort dem Fels, die hellen,
Mischen sich mit Wellen,
Die dem Aug' entfliessen;
Allesammt begießen
Dann die Blütentriebe;
Augen, die da knospen,
Tödten mich vor Liebe.
Gärten sind's wie Eden,
Sterne rings die Blüten,
Mädchen, die sie hüten,
Seraphim für Jeden;
Um den Preis befehden
Sich die Blütentriebe;
Engel, die da gießen,
Tödten mich vor Liebe. (S.
104-105)
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Ohne Dich
Der sanfte Reiz der Berggeländ' und Auen,
Der laubigen Kastanien Schattenkühle,
Der laut'ren Bächlein murmelndes Gewühle,
Verscheuchend Sorg' und Leid von Stirn und Brauen;
Des Meeres dumpf Geroll, die fremden Gauen,
Der Sonne Niedergang am fernen Bühle,
Der Herden Heimzug nach des Tages Schwüle,
Der Wolken hold Gewirr im Abendgrauen;
Kurz, alles was Natur zu wonn'gem Schauer
Für Seel' und Sinn so mannigfach ergossen:
Wo Du mir fehlst, erregt es Gram und Schmerzen;
Dir fern – betracht' ich's lässig und verdrossen;
Dir fern – erweckt mir allezeit im Herzen
Gröss'rer Genuß alleinzig gröss're Trauer.
(S. 105)
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Absage
Weil Du so Dich mir entziehst,
Seit ich Sorgen bracht' und Schmerzen
Uns'rer Liebe, die Du fliehst,
Geh' ich jetzt mit trübem Herzen
Wo Du nimmermehr mich siehst.
Wenn Du so trotz meinem Flehen
Dieses Herz bestrafst und bannst,
Scheid' ich; das soll nie geschehen,
Dass mich könn' ein And'rer sehen,
Während Du nicht mehr es kannst.
Stimmt vielleicht doch unser Scheiden
Einst, ob wenig auch, Dich mild:
Bitt' ich – konnt' ich's doch vermeiden -
Gelte wenig Dir das Leiden
Dessen, der Dir wenig gilt.
Hat die Strafe, hart wie keine,
Einst gebettet dieses Herz
In die Gruft am grünen Raine,
Lese man am Leichensteine
Deine Härt' und meinen Schmerz.
Eines will ich noch Dir sagen,
Was mich meine Pein gelehrt:
Soll das Leben Dir behagen,
Musst Du nicht um Liebe fragen
Wo man Deiner nicht begehrt.
(S. 106)
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Der verschmähte Fischer
Für Galatee, die blonde, glüht Seren,
Der arme Fischer, nach des Sterns Beschlusse,
Der ihm verhängt, in Elend zu vergeh'n.
Die Netze stellten auf im Tejoflusse
Die and'ren Fischer; er beschwert' allein
Den tauben Wind mit diesem Klagergusse:
"Wann, schöne Nymphe, kommt des Tages Schein,
An dem ich dir genaue Kund' erbringe,
Des trüben Wahnes und der eit'len Pein?
Kann dir's entgeh'n, wie mir das Herz entspringe,
Auf das den rothen Mund es lächeln seh';
Vom blauen Aug' ein Grüssen sich erringe?
Kennst Mitgefühl du noch für fremdes Weh,
Ist noch ein Funken Liebe dir verblieben:
Wie dünkt dich dieser Tausch, o Galatee?
Behalte du mein Herz mit seinem Lieben,
Weil du's geraubt und immer mir entziehst,
Für einen Blick, vergönnt aus freien Trieben!
Doch wenn es dich und meinen Stern verdrießt,
Dass nach zu hohem Preise mich gelüste,
So nimm noch Amors Flügel, die's umschließt!
O schöne Nymphe, reich're Gabe wüßte
Ich nicht zu bieten, schmückte selbst die Flut
Mir rings mit Perlen die beglückte Küste.
Oft schweigt der Sturm und jede Welle ruht;
Doch meine Weh'n beschwichtigen sich nimmer,
Das Sehnen ist umsonst, umsonst die Glut.
Ein blinder Nebel deckt beim Tagesschimmer
Arrábidas Gebirg im Morgenweh'n,
Bevor sie traf der Sonne Glanzgeflimmer:
Darf and're Strahlen, hold und schön, ich seh'n,
Die Farb' und Glanz der Himmelsbläue stahlen,
Muss mein erblindet Aug' in Thränen steh'n.
Gekräuselt ward die Flut zu vielen Malen
Durch mein Geseufz und weilt' in ihrem Gang
Voll Mitgefühl, zu lauschen meinen Qualen.
Erheb' ich meine Stimme zum Gesang,
Wie Pein mir lohne, weil ich treu dir diene,
Im Mondenlichte bei der Ruder Klang:
So lauschen mir die zärtlichen Delphine,
Die stille Nacht, das regungslose Meer;
Nur du entweichst und fliehst mit heit'rer Miene.
Schreckt dich vielleicht die Flut, die Netz' umher,
Der Nachen, den die Klippen leicht zerschellen,
Des armen Fischers Arbeit und Beschwer?
Bevor die Berg' am Morgen sich erhellen,
Kann mir ein hold Geschick erhöh'n den Muth,
Wie's And'ren schon verlieh'n des Meeres Wellen.
Zwar deinen Reiz bezahlt nicht Glück und Gut,
Noch was an Gold der Tejo mag bescheeren, -
Doch Liebe, die getreu im Herzen ruht.
So lass zum Strande deinen Blick sich kehren
Und deinen Namen sieh im weichen Sand,
Wo nie des Meeres Wuth ihn soll versehren.
Noch bot er jedem Winde Widerstand;
Drei Tage sind's, dass Amor ihn geschrieben
Und treulich ihn beschützt vor böser Hand.
Er suchte Muscheln, die als Lohn mir blieben,
Und schwur, dass ihre Farben, sanft und bunt,
Die Sonne dir zur Lust hervorgetrieben.
Zarte Korallen holt' ich dir im Sand;
Sie sahen aus, eh sie die Sonn' erblickte,
Wie was ich längst ersehnt von deinem Mund;
Glückselig, wenn es mich dereinst erquickte!"
(S. 107-109)
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Unvergleichlich
Mit solchem Reiz auf Stirn und Mund und Wange
War fern im Ost zu schauen
Aurora niemals beim Beginn des Maien,
Der weit und breit ausspendet bunt Geschmeide,
Wie jenes schöne Wild, das schnell zerstückte
All mein Gebein mit nie versiegten Wehen,
Darin ich mich verzehre.
Kein Veilchen that sich auf am Wiesenhange,
Kein Röschen auf den Auen,
Um rings den Lüften süßen Duft zu leihen,
Zur Zeit des Sommers, der versengt die Heide,
Wie diese Blume, die so hold sich schmückte
Und ihren Schein verhüllte, kaum gesehen,
Zu Gram mir und Beschwere.
Kein flinkes Nymphchen, schön, erzürnt und bange,
Verfolgt im Waldesgrauen
Vom Satyr, dem erbarmend würde weihen
Mitleid ein wildes Thier im Liebesleide,
Entfloh, die Qual verachtend, die ihn drückte
Und süße Pein ihn dünkte beim Entstehen,
So rasch, wie mir die Hehre.
Nie rief Natur hervor im Schaffensdrange
Rings auf der Erde Gauen
Ein Weib, so schön und kalt, die meinem Schreien
Nie leiht Gehör, dieweil ich schon verscheide;
Doch muss das Leben, das sie mir entrückte, -
Klar seh' ich's ein – so wonniglich vergehen,
Dass nichts ich mehr begehre.
Wohl strebte meine Seel' in Red' und Sange
Mit muthigem Vertrauen
Ob ihrer Schönheit Lob an Lob zu reihen,
Bereit, zu künden was das Herz mir weide;
Doch wähnt' ich, dass der Sonnenflug mir glückte,
So war's um mein gewagtes Thun geschehen;
Ich sank in Nacht und Leere.
Der süße Reiz, an dem sich gern und lange
So Herz wie Aug' erbauen;
Das schöne Haar, mit dem die Lüft' im freien
Wettstreit sich hold ergetzen, mir zum Neide;
Der holde Blick, der meine Seel' entzückte
Und dem ich Sein und Leben gab zu Lehen,
Entzieh'n mir Waff' und Wehre.
Doch nimmer acht' ich, ob mit Qual und Zwange,
Mit wilden Weh'n und rauhen
Gefahren ohn' Ermatten und Verzeihen
Voll Neid mich Amor straf' und nie vermeide,
Mir jede Lust zu rauben, die ich pflückte,
Und kalt wie Stein trotz Bitten mir und Flehen
Das arme Herz versehre.
Zur Sonn' allein muss stets die Blick' ich drehen,
In der ich Gott verehre.
(S. 109-110)
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Unwiderstehlich
Mutter, laßt mich gehen
An des Schiffes Bord,
Will als Fergin stehen
Bei dem Fergen dort!
Mutter, mag ich wo
Geh'n und steh'n auch immer,
Ich – ich will es nimmer,
Amor will es so;
Quält mit Todeswehen
Wild mich fort und fort:
Soll als Fergin stehen
Bei dem Fergen dort!
Mutter, trotzen kann
Keiner dem Befehle;
Denn es flieht die Seele,
Liegt der Leib im Bann;
Geh' ich nicht, geschehen
Sicher Brand und Mord;
Muss als Fergin stehen
Bei dem Fergen dort!
Wer dem blinden Herrn
Gab anheim die Triebe,
Der verschmäht für Liebe
Königskron' und Stern;
Mutter, meinem Flehen
Gebt ein willig Wort:
Möcht' als Fergin stehen
Bei dem Fergen dort!
"Wellen, saht ihr je
Mädchen, die, an Jahren
Jung und unerfahren,
Wollten geh'n zur See?" -
Amor kann verdrehen
Alles, Zeit und Ort;
Lasst die Fergin stehen
Bei dem Fergen dort! (S.
111-112)
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Sehnsucht
Meine Qual und Lust,
Könnt' ich Euch doch sehen!
Sehn' ich heiss heran,
Was ich gerne sähe,
Weicht's aus meiner Nähe,
Und ich seufze: Wann?
Jahre flieh'n hindann;
Wird mir nie geschehen,
Euch einmal zu sehen?
Wie ein Traum entwich,
Also darf das Leben
Rasch für All' entschweben,
Aber nicht für mich;
Tag um Tag verstrich,
Und ich harr' in Wehen,
Ohn' Euch doch zu sehen.
Welch ein herbes Leid
Hat mich doch getroffen!
Solch ein langes Hoffen
In so kurzer Zeit!
Aber Groll und Neid
Mag an mir ergehen,
Kann ich Euch nur sehen!
Ach, wie quälen doch
Amors Tück' und Ränke!
Dass ich nie ihn kränke,
Trag' ich still das Joch;
Wär't Ihr höher noch,
Bliebe doch mein Flehen,
Immer Euch zu sehen.
Meine Qual und Lust,
Ziel der Wünsch und Klagen,
Wem, ach! kann ich sagen,
Was ersehnt die Brust?
Könnt' ich glückbewußt
Tag und Nacht doch stehen
Und Euch immer sehen! (S.
112-113)
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Ihre Augen
Nie bracht' ein holder Morgen,
Wenn rings die Welt durchschimmert sein Geleuchte,
Nach einer Nacht voll Sorgen
Im Wettersturm, dem Schiff, das müde keuchte
Auf hoher See und schon versenkt sich däuchte,
So sel'gen Trostes Gabe,
Wie Eurer Augen Licht mir Lust und Labe.
Die Schönheit, deren Fülle,
Thun sich die Wimpern auf, die Herzen weidet
Und jede Schattenhülle
Verscheucht und neu mit Grün die Au'n bekleidet:
Sie macht, ist alles meinem Geist verleidet,
Mit ihrem heit'rem Lichte
Auf meiner Stirn das Gramgewölk zu Nichte.
Kann, wo Ihr wohnt, der kleine
Raum meiner Brust so großen Schatz behüten?
Getroffen kaum vom Scheine
Der Augen, die sich nie um mich bemühten,
Holdsel'ge Herrin, fühl' ich Flammen wüthen,
Drin ganz zergeht das Herze,
Sowie den Falter sengt die Glut der Kerze.
Besäss' ich tausend Seelen,
Den schönen Augen gäb' ich sie gefangen;
Da dürfte keine fehlen,
Sie müßten all' an Euren Wimpern hangen,
Und wenn zum klaren Blick empor sie drangen,
So sollten sie für immer,
Unwürdig zwar, sich spiegeln dort im Schimmer.
Und Ihr, die jetzt ein Leben
Sorglos Ihr führt und frei von solchen Klagen,
Ihr könntet, rings umgeben
Von Seelen, nicht der Schau Euch mehr entschlagen;
Säh' Eure Seele dann das Fleh'n und Zagen,
Bestürmt von allen jenen,
Wie ließe da sie ungestillt das Sehnen?
Doch weil die Brust nur eine,
O schöne Herrin, haben kann und hegen,
Soll diese Seel' alleine,
Als wären's tausende, der Liebe pflegen,
Dass Euch die Flammen Mitgefühl erregen
Und nicht im Liebesfeuer
Zu Asche werd' ein Herz, das ewig Euer.
(S. 115-116)
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In der Übersetzung von
Wilhelm Storck (1829-1905)
Aus: Aus
Portugal und Brasilien (1250-1890)
Ausgewählte Gedichte verdeutscht von Wilhelm Storck
Münster i. W. 1892
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