Giosue Carducci (1835-1907)
italienischer Dichter
Mit einem Bilde des Ariost
An Frau ***
Dies Bildniß, edle Frau, darin wir schauen
Des göttlichen Lombarden Angesicht,
Trägt es den Abglanz großer Träume nicht
Auf dieser mächt'gen Stirn, den festen Brauen?
Der Glückliche! Voll durft' er im Gedicht
Sich seine heitre, kecke Welt erbauen
Und dann nicht länger sehn die ird'schen Auen,
Ihr tristes Grün, ihr bleiches Himmelslicht.
Noch mehr beglückt, daß keine Fürstengunst,
Noch Volkesgunst, die wankelmüth'ge Dirne,
Kein theologisch Liebchen nur ihn kränzte.
Ein schöner Mund belohnte seine Kunst,
Die Gluten kühlend seiner Dichterstirne
Mit Küssen, daß sie wie ein Stern erglänzte.
(S. 96)
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Wo weilst du jetzt? Wem glänzt der schöne Strahl
Der lachend heitren Augen, du mein Leben?
Wem tönt der sanften Stimme süßes Beben,
Das aus dem Tiefsten deiner Brust sich stahl?
Ruhst du gedankenvoll im blum'gen Thal,
Wo frische Winde gaukelnd dich umschweben?
Hast du die schönen Glieder hingegeben
Der Flut, so wonnig und so wild zumal?
Ach, wo du seist, ob wollustvoll die Luft,
Ob sich die Welle mit geheimem Klingen
An deinen Nacken schmiegt, an Mund und Wangen:
's ist meine Liebe, die dich sucht und ruft,
In Allem, was du fühlst von holden Dingen,
Sich an dich drängt zu ewigem Umfangen.
(S. 98)
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Maremmen-Idyll
Wie mir des neuen Frühlings ros'ger Strahl
Ins Zimmer flutet, lächelst du mir zu,
Blonde Maria, plötzlich noch einmal,
Und füllst, das lange dich vergaß, mit Ruh'
Dies Herz, von müß'gen Stürmen umgetrieben,
Mein erstes Lieb, mein Liebesfrühroth du!
Wo weilst du jetzt? Nicht unvermählt geblieben
Lebst du mit Seufzen hin; o sicher mußt
Du glücklich sein und Mann und Kinder lieben.
Die stolzgewölbte Hüfte, diese Brust,
Die von dem Fürtuch kaum sich ließ bezwingen,
Verhießen allzu süße Liebeslust.
Ich weiß, daß starke Kinder daran hingen,
Die jetzt, belohnt durch einen Blick von dir,
Dem wilden Roß keck auf die Kruppe springen.
Wie warst du schön, o Mädchen, wenn du mir
Entgegenkamst durch wallende Saatenfluren,
In Händen einen Kranz von bunter Zier,
So hoch und lachend! Aus den Wimpern fuhren
Wildscheue Blitze, wenn du tief und groß
Die Augen aufschlugst, leuchtend und azuren.
Wie die Cyane sanft dem blonden Schooß
Der Saat entsprießt, so unterm Goldhaar blühte
Dies blaue Auge. Rings um dich ergoß
Hochsommer seine Glut, die Funken sprühte,
Und hie und da aus grünen Zweigen lachte
Die röthlich funkelnde Granatenblüte.
Der schöne Pfau, wenn du vorbeigingst, machte
Sein Rad, wie seiner Göttin einst gebührt,
Mit heitrem Schrei, der Huldigung dir brachte.
Wie trüb und traurig und vom Frost berührt
Lebt' ich seitdem! O hätt' ich damals nur,
Blonde Maria, froh dich heimgeführt!
So ging' ich jetzt im Dickicht wohl der Spur
Des Büffels nach, der in die Niedrung kühn
Entsprang und steht und ausspäht durch die Flur,
Statt mich an kleinen Versen abzumühn;
Vergäß' im Schweiß der Arbeit, nachzusinnen
Den Räthseln, die dem dunklen All entblühn.
Nun bohrt beständig kalt im Hirne drinnen
Der Wurm des Denkens; schnöd ist und armselig
Was ich mag schreiben, reden und beginnen.
Muskeln und Herz zerrüttet mir allmählich
Der Geist; die faule Zeit frißt mein Gebein;
Umsonst in engen Banden mich zerquäl' ich.
O wie im Wind ihr säuselt, lange Reih'n
Der Pappeln! O wie traut im kühlen Schatten
Die rauhe Bank, wo Sonntags wir zu Zwei'n
Auf braune Äcker schau'n und grüne Matten,
Hier Hügel, dort des Meeres Herrlichkeit,
Und nah der Ort, wo sie uns einst bestatten.
O süß, zu plaudern um die stille Zeit
Des Mittags mit den Nachbarn und am rauhen
Abend zu sitzen um den Herd gereiht!
O schönrer Ruhm, die Jagd in Bergesauen
Den Kleinen schildern, deren Augen blitzen,
Und Fährden, leicht bestanden ohne Grauen;
Den Eber zeigen mit den blut'gen Schlitzen
Im Fell, der daliegt mit verglas'ten Lichtern,
Als mit gereimtem Hohn die Haut zu ritzen
Italiens Lumpenpack und eitlen Dichtern.
(S. 103-105)
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Ruit hora
O du ersehnte grüne Abgeschiedenheit,
Entrückt dem Lärm der Menschenwelt!
Zwei freundlich holde Götter sind uns nachgefolgt,
Liebe und Wein, o Lydia.
Ha, wie der ew'ge Jüngling, der Lyäus, lacht
Im schimmernden Krystallgefäß!
Wie triumphirend dir im Aug', o Lydia,
Die Liebe leuchtet, schleierlos!
Tief äugelt schon die Sonne durch das Laubendach
Und strahlt mit sanftem Rosenschein
In meinen Bechern; golden bebt und funkelt sie
In deinen Locken, Lydia,
In deinen schwarzen Locken, weiße Lydia,
Drin eine blasse Rose welkt.
Und plötzlich dämpft im Herzen süße Traurigkeit
Den Liebesbrand, den lodernden.
O sprich, warum im flammenrothen Abendlicht
Geheimnißvoller Seufzerlaut
Vom Meere tönt! Was singen, meine Lydia,
Für Lieder dort die Pinien?
Sieh, wie mit Armen zu der sinkenden Sonn' empor
Die Hügel streben, sehnsuchtsvoll!
Der Schatten überwächs't sie; nach dem letzten Kuß,
So scheint's, o Lydia, schmachten sie.
Und ich nach deinen Küssen, wenn mich Nacht umfängt,
Lyäus, Freudenspendender,
Nach deinen Augen schmacht' ich, strahlende Lydia,
Wenn Hyperion niederfährt.
Es eilt die Stunde. O du süßer Rosenmund,
Erschließ dich! Seelenblume du,
Blume der Sehnsucht, öffne deine Kelche mir!
Geliebte Arme, öffnet euch!
(S. 111-112)
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übersetzt von Paul Heyse (1830-1914)
Aus: Paul Heyse Italienische Dichter in Übersetzungen
Lyriker und Volksgesang (darin: Italienisches Liederbuch)
Gesammelte Werke (Gesamtausgabe)
Reihe V Band 4
George Olms Verlag Hildesheim Zürich Neu York 1999
(Nachdruck der Ausgabe Berlin 1889)