Carl XV. König von Schweden (1826-1872)
schwedischer Dichter
Die Heimath des Herzens
Wo ist dein Heim? - sprach ich zu meinem Herzen,
O du, das freundlich schon vom ersten Tag
Bei meinen Freuden mich, bei meinen Schmerzen
Begleitete mit frommgeduld'gem Schlag!
Ist's, wo im Walde still die Erlen säuseln?
Wo Quell und Strom im Windeswehn sich kräuseln? -
Nein, gab mein Herz zur Antwort, nein!
Wo ist dein Heim? - Ist's, wo Orkane brausen,
Und wo vom Fels der Waldbach niederstäubt?
Ist's, wo die Jagd mit Lust und wonn'gem Grausen
Die sanfteren Gefühle übertäubt?
Ist's, wo im Schlachtfeld Tod und Lorbeer'n winken,
Im Kugelregen Bajonette blinken? -
Mein Herz sprach Nein darauf, o nein!
Wo ist dein Heim? - Ist's, wo im Himmelsbrande
Des sonn'gen Süd's der Erde Gärten blühn?
Ist's, wo am üppigen Tyrrhenerstrande
Die Purpurtrauben und Orangen glühn?
Ist's, wo am Nil die hohen Palmen stehen,
Und wo am Ganges die Bananen wehen? -
Jedoch mein Herz sprach wieder Nein!
Wo ist dein Heim? - Ist's, wo am Dovrefjelle
Das blaue Eisgebirg in Wolken hängt?
Ist's, wo die Fee der Mittnachtsgluth und Helle
Der Morgenröthe schwesterlich umfängt?
Wo schwarz im Schnee die mächt'gen Föhren ragen,
Und wo im Nordlichtschein die Drosseln schlagen?
Doch wieder sagte Nein das Herz.
Wo ist dein Heim? - Ist's in des Engels Nähe,
Der mit dir jauchzt' in seligem Verein,
Und mit dir litt, wenn unter Sturm und Wehe
Dein letzter Stern erlosch im Myrthenhain? -
Gewiß, bei ihr ist's! - Allzuhold und heiter
Noch schwebt ihr Bild auf deiner Jakobsleiter! -
Mein Herz voll Wehmuth seufzte Nein.
Wo ist dein Heim? - Ach, soll ich dich noch fragen?
Es ist doch das ersehnte bess're Land,
Wohin nach langen, bangen Erdentagen
Die Seele wiederkehrt zum Heimathstrand? -
Dort ist dein Heim, nicht wahr? - Auf jenen fernen
Weltinseln in dem Meer von Sternen?
Ja, sprach mein Herz da endlich, ja!
Dort ist mein Heim, so sprach mein Herz mit Beben,
Wo ich im Vaterarm des Herrn geruht;
Wohl mag ich glühn von ird'scher Gluth im Leben,
Doch leb' und web' ich in der Himmelsgluth.
In meiner Asche noch, in meinem Sterben
Flamm' ich zu Gott empor, sein Reich zu erben,
Denn meine Heimath ist in Gott!
(S. 17-19)
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Fragen
"Warum mit Lust und Bangen
Leb' und web' ich so in dir?
Du Geliebter, warum hangen
Deine Blicke so an mir?" -
Frage den Stern des Tags, den prächtigen,
Und warum er Feuer sprüht,
Und warum nach dieser nächt'gen
Erde seine Sehnsucht glüht?
Frage das Meer, warum so helle
Abends es in Purpur steht,
Wenn die Sonn' in seiner Welle
Selig lächelnd untergeht?
(S. 22)
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Mission des Weibes
Worin besteht des Weibes Macht? -
Ein Tempel ist es der Geduld,
Vor welchem unbefleckt von Schuld
Der Engel des Gebetes wacht.
Es ist des Weibes himmlisch Wesen
In jedem Blick des Augs zu lesen.
Was ist des Weibes Liebesgluth? -
Ein Frühling wolkenlos und rein;
Durch Sturm und Wüste führt ihr Muth
Den Mann zurück in Edens Hain,
Wo dann die beiden durch die Auen
Gott wieder sichtbar wandeln schauen.
(S. 23)
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Dir bin ich hold
Dir bin ich hold,
Wie ich's den sonn'gen Maientagen
Nach Winternacht und Schneesturm bin: -
Dem Mai mit seinen Rosenhagen
Und mit der Nachtigall darin.
Dir bin ich hold,
Gleichwie der Wanderer der Wüste
Dem Quell es ist des Felsenhangs: -
Wo du bist, ist die Heimathküste
All meiner Lust und meines Sangs.
Dir bin ich hold,
Denn engelmild und lieblich strahlen
Mir deine Blicke hell und licht.
Den Schmelz, die Farben mag man malen,
Den Himmelsglanz im Auge nicht.
Dir bin ich hold,
Denn wo du gehst in sel'gem Prangen,
Da blühen Blumen um dich her;
Da hat die Wildniß keine Schlangen,
Die Rose keine Dornen mehr.
Dir bin ich hold;
Was in der Welt der Streit geschieden,
Gibst du im Herzen mir zurück,
O du in deinem Tempelfrieden,
Du meine Ruhe, du mein Glück!
Dir bin ich hold,
Zu dir will ich in Treue stehen
Und will dich preisen hell mit Klang: -
Still! - Hör' ich nicht die Pforte gehen?
Ach, sie ist's selbst, die ich besang!
(S. 24-25)
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Im Traume
Im Traume flog ich in's Gewölk empor,
Draus lieblichhold ein Engel kam hervor: -
Er grüßte mich mit Augen frühlingsblau
Und Wangen hell und klar wie Silberthau.
Er brachte süß in sel'ger Himmelsruh
Mit mir die zaubermächt'ge Mainacht zu,
Und Nacht und Sterne nur und Mondenschein
Sahn unser stillgeheimes Stelldichein.
Das Wort, das Wort, dem ich so oft gelauscht,
Ach, zwischen ihm und mir nun ward's getauscht;
Das Wort, das ich im Wachen nie gewagt,
Im Traume ward's mir jetzt von ihm gesagt.
O weile, bat ich still, o weile, Nacht,
Und komm noch nicht, du lichte Morgenpracht! -
Doch purpurhell erglomm der Wolke Saum,
Und ich erwachte - und es war ein Traum.
(S. 26)
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Komm wiederum einmal!
Am Saum des Himmels glänzt der Abendstern
Sanft durch der Wolken halbzerriss'nen Schleier;
Gleich einer Ampel in dem Dom des Herrn,
Winkt er im Spätrothglanz zu sel'ger Feier.
Und aus dem Meer in purpurheil'ger Pracht
Erhebt des Mondes Feuerball sich düster;
Im Schmelz der Wiesen blitzt der Thau der Nacht,
Und durch den Wald geht ahnungsvoll Geflüster.
O Traum, nun komm! - Komm wiederum einmal,
Nach dem ich mich gesehnt mit Lust und Schmerzen!
Komm, lächle mild herab auf meine Qual,
Und deinen Frühling bringe meinem Herzen!
(S. 28)
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Übersetzt von Gottfried von Leinburg (1825-1893)
Aus: Gedichte von Carl XV.
König von Schweden und Norwegen
Übersetzt von Gottfried v. Leinburg
Berlin Allgem. Deutsche Verlags-Anstalt Sigismund Wolff
[1870]