Jacob Cats (1577-1660)
niederländischer Dichter
Aus Cats Autobiographie
Doch mir kommt in den Sinn jetzt, daß ich muß erzählen,
Woraus man lernen kann, wie junge Leute fehlen.
Zu Middelburg ich einst in die französische Kirche ging,
Und da entstand in mir ein wunderseltsam Ding.
Ich sah ein Mädchen dort, als ich die Predigt hörte;
Der Minne Brand alsbald sich wild in mir empörte,
Sie schien mir wunderschön, über die Maaßen fein,
Ich fühlt' es, wie ein Feuer, es drang durch Mark und Bein.
Ich war nun aus der Kirch' zurück nach Haus gekommen,
Wo diese Jungfrau wohnt', das hatt' ich schnell vernommen.
Nun schrieb ich ihr sogleich einen hübschen Minnebrief
Und sandt' ihn in der Eil dem neuerwählten Lieb.
Ich bat sie schriftlich nun, ließ es der Jungfrau wissen,
Vor ihrer Thür zu seyn des Abends nach dem Essen,
Denn sie zu sehen dort, war ich so voll Begier,
Um huldvoll meinen Dienst dort anzutragen ihr.
Die Jungfrau that auch so, wie ich's ihr angegeben,
Und hat zu rechter Zeit sich vor die Thür begeben.
O welche Freude ich, als ich sie sah, empfand,
Es war mir, als ob mir der Himmel offen stand.
Da bracht' ich an den Tag nichts als gar schöne Worte,
Besetzt an jedem Rand mit Gold- und Seidenborte,
Und kurz, mit einem Wort, ich habe sie geehrt
Mit Allem, was die Kunst vor diesem mich gelehrt. -
Sie sah mich an, verschämt, erröthend auf den Wangen,
Mit günstigem Gesicht, und stillte mein Verlangen,
Zwar sprach sie anfangs nichts, doch als ich von ihr ging,
Vernahm ich etwas, das mir über Alles ging.
In größer'm Ernst nachher ich meinen Gruß ihr sagte,
Und fand an Allem, daß mein Lieben ihr behagte.
So daß ich Hoffnung faßt', und zu gewinnen fand,
Zuerst ein liebend Herz, dann festen Ehestand.
Doch als ich einem Freund den Plan hatt' mitgetheilet,
Und mich zur Heirath nun in vollem Ernst beeilet,
Geschieht es, daß der Mann, mir widerrathend, spricht:
Die Heirath paßt durchaus für Euch, o Freund, sich nicht.
Ihr müßt in dieser Stadt Euch Achtung nur erwerben,
Und würdet's Euch gewiß auf diese Art verderben,
Der Vater von dem Kind, das Ihr Euch zugedacht,
Ist an der Börs' veracht't, weil der Bank'rott noch macht.
Wie mich dies Wort erschreckt, braucht man wohl nicht zu fragen;
Mir ward zu Muth, als wenn der Donner mich erschlagen,
Und das, weil jenes Kind in meinem wilden Sinn
Vor Allem mir gefiel, und riß mein Herz ganz hin.
Da fühlt' ich großen Streit in den betrübten Sinnen,
Und gänzlich zweifelhaft ward mir, was zu beginnen,
Sie war gewaltig fest in meines Herzens Wahn,
Doch ihres Vaters Fall, der trieb sie aus der Bahn.
Ich war ihr sehr geneigt, mir däucht', es sey gelegen
Für mich in ihrer Hand ein übergroßer Segen,
Für sie hätt' ich gewiß und ohne große Noth
Mit freudigem Gemüth gegeben mir den Tod.
Allein das Unglück, das den Vater überkommen,
Hat plötzlich alle Lieb' von mir hinweg genommen,
So daß ich späterhin, obwohl nicht ohne Streit,
Strebt', von der Liebesgluth und ihr zu seyn befreit.
Nach diesem Fall kam ich auf vielerlei Gedanken,
Die von mir Tag und Nacht nicht weichen und nicht wanken,
Doch sieh, die Jungfrau zog ganz fort nach Amsterdam,
Und darauf fand ich's ganz nun wie ich Abschied nahm.
Ich klagte nicht mehr so, als sie nun fortgezogen,
Der Liebe stärkste Gluth, die war bereits verflogen;
Ach, was ist doch der Mensch! und was er hier beginnt,
Wie schnell verläßt er doch, was er zuvor geminnt.
Nun sprach ich zu mir selbst, doch mit gestillten Trieben,
Was hat denn wohl die Welt, das Jemand könne lieben?
Was ist es, das dem Menschen, der noch auf Erden weilt,
Außer der Fleischeslust, Vergnügen zuertheilt?
Worein soll er sich ganz in seinem Sinne fügen;
Ein Wesen nur allein kann uns so ganz vergnügen,
Was hier sich das Gemüth zu seiner Lust erkohr,
Ist wie ein Wind dahin, der sich alsbald verlor.
Doch fragt Ihr, was als Kern der Freuden ich erwähle,
Des Geistes festen Grund und aller Tugend Seele.
Des Herzens schönste Lust, die Lust von dem Verstand,
Wodurch man hier schon knüpft mit seinem Gott das Band.
Die Liebe ist's, die wir Gott hier entgegen bringen,
Worin verborgen liegt, was man nur kann erringen,
Denn wer in seiner Brust den Segen recht gefühlt,
Ist still und ruhevoll, wie Fleisch und Welt auch wühlt.
Kein Ding, so groß es ist, von allen ird'schen Sachen
Kann uns so wohlgestellt und wirklich glücklich machen,
Als Gottes Lieb' allein, denn ohne dieses Kleinod
Ist alles Fleisch nur Heu, sind alle Lüste rein todt.
Das hab' ich wohl gemerkt, wie auch die Menschen wühlen,
Daß Gott läßt seine Macht allüberall uns fühlen,
Als ich es nicht gesucht, und nicht daran gedacht,
Hat mir ein liebes Weib mein Schöpfer zugebracht.
In Seeland hatte ich zu dieser Zeit gesessen,
Was Holland nur betraf, das hatt' ich ganz vergessen,
Und doch in Holland selbst, sogar in Amsterdam,
War's, daß ich mir zur Hülf' ein trefflich Weibchen nahm.
Ein Weibchen voll Verstand und lieblichen Manieren,
Sie konnt' das Hausgesind' mit rechter Art regieren,
Statt daß Romane las das gute theure Weib,
War selbst Plutarch, Plutarch! ihr wahrer Zeitvertreib.
Doch Gottes heilig Wort, das stets ihr Heil gewesen,
Das liebte sie zuerst vor Anderem zu lesen;
Wozu noch mehr gesagt - sie war ein werthes Weib,
Ein Schatz für's Haus, und treu und echt an Seel' und Leib.
Übersetzt von Oskar
Ludwig Bernard Wolff (1799-1851)
Aus: Die schöne Litteratur Europa's in der neuesten Zeit
dargestellt nach ihren bedeutendsten Erscheinungen.
Vorlesungen gehalten vor einer gebildeten Versammlung
von O. L. B. Wolff
Leipzig Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel 1832 (S. 396-402)
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