Europäische Liebeslyrik

(in deutscher Übersetzung)

Edward Charles Halle (1846-1914) - Die Musik

 

 

Konstantin Hadzopulos (Chatzopulos) (1868-1920)
griechischer Dichter




Laß lodern deiner Haare Fackel . . .

Laß lodern deiner Haare Fackel,
ja, lodern tief in Waldesnacht!
Mit dir nur einmal dort zu wandern,
treibt es mich wie mit Zaubermacht.

Laß rings um uns die Satyrn tanzen,
die Blätter wirbeln weit und breit,
laß deiner Augen Fackeln leuchten
tief in die schwarze Dunkelheit.

Den Weg zum Turm soll sie uns weisen,
wo in des Drachen sichrer Hut
der Schatz, den man uns hat gestohlen,
wo unser Schatz verloren ruht.

Umschnürt hab' ich mich mit dem Panzer,
geschliffen hab' ich scharf mein Schwert;
das Blut, es soll in Strömen fließen;
daß du hindurchdringst, ist mir's wert.

Laß lodern deiner Haare Fackel,
ja, lodern tief in Waldesnacht!
Den Weg mit dir, den nie begangnen,
zu wandern, treibt es mich mit Macht!
(S. 9)
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O, wie die Fichten . . .

O, wie die Fichten hier im Walde ächzen,
wie - hörst du's wohl? - der Uhu klagt sein Weh!
Geschwind, komm mit mir, komm mit mir hinüber,
weit weg von hier, ins Feld hinüber,
ins Feld hinüber, wo der Mohn uns lacht, der rote,
ins Feld hinüber, wo die Schwalben lustig zwitschern!

O, wie die Fichten hier im Walde ächzen,
wie - hörst du's wohl? - der Uhu klagt sein Weh!
Es ist, als wehen Todeslüfte rings umher,
es ist, als wandelte zum Friedhof sich der Garten.
Wie Totenweihrauch duften mir die Lilien,
wie Totenkränze schimmern mir die Rosen . . .
So komm doch, komm mit mir hinüber,
weit weg von hier, ins Feld hinüber!
Ins Feld hinüber, wo der Mohn uns lacht, der rote,
ins Feld hinüber, wo die Schwalben lustig zwitschern!
(S. 9)
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Es führte mich der Weg . . .

Es führte mich der Weg vor jene Pforte,
vor jene öde, stille Pforte wieder,
die fest verschlossen stets und stets verriegelt.
Die alten, regungslosen Schatten schweben
noch um sie her, und an der Schwelle drunten
kroch feuchtes Moos, der Holzwurm rastlos bohrte.
Und unten, unabsehbar weit, die Eb'ne
mit ihrer ew'gen Ironie von Sonne,
von einer kalten, immer siechen Sonne.
Dort blieb ich stehn -
Ich wußte selbst nicht, was ich wollte,
wozu ich durch das Schlüsselloch hineinsah.
So stand ich dort. Ich weiß nicht mehr, wie lange,
ob's nur Minuten, ob es lange Jahre.
Ich sah auch gar nichts durch das Schlüsselloch
und hört' auch gar nichts durch die Tür hindurch.
Erst als ich in die Eb'ne stieg hernieder,
da brüllt' es hinter mir wie wilde See,
da braust' es wie der Sturmwind durch den Wald.
(S. 10)
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Übersetzt von Karl Dieterich (1869-1935)

Aus: Neugriechische Lyriker
Ausgewählt und übertragen von Karl Dieterich
mit einem Geleitwort von Gerhart Hauptmann
Zweite Auflage In Kommission bei Friederichsen
de Gruyter & Co. m. b. H. Hamburg 1931



 

 


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