Robert Crawfurd (gest. 1732 oder 1733)
schottischer Dichter
Tweedside
Wie Schönes schafft Flora, o siehe!
Wie lächelt so süß sie am Tweed.
Doch lieblicher lächelt Marie,
Nichts Schöneres denkt man und sieht.
Nicht die Ros' mit erröthender Wange,
Nicht alle Blumen der Au'n,
Nicht der Tweed, ob durch Blumen er prange,
So reizend als sie ist zu schau'n.
Die Sänger, sie singen im Laube,
Lerch', Hänfling und Nachtigall
Und Amsel und girrende Taube
Sie singen im Hain überall.
Komm, laß uns ins Frei' uns begeben
Und sehn, wie die Blumen entspringen.
Im Dörfchen am Tweed laß uns leben,
Und lieben, weil Vögelein singen.
Wie die Zeit doch mein Lieb sich vertreibet?
Hat sie nicht zu hüten die Schaf'?
Und die Herde zusammen nicht bleibet,
Liegt sie im glücklichen Schlaf.
Wenn am Tweed sie in Schlummer versunken,
Und Natur mir gönnet die Lust,
Da küßt' ich sie gern wonnetrunken,
Zu lindern die Pein meiner Brust.
O lieblich ist sie zum Entzücken,
Keine Schönheit kann mit ihr besteh'n.
Die Grazie der Liebe sie schmücken,
Die Schönste, wo Tausend sind schön.
Wo ist Deine Herde zu finden
Sag', wo sie am Morgen hinzieht?
Wo die Wogen des Tay sich winden?
Zum schönern Ufer des Tweed?
übersetzt von Eduard Fiedler (1817-1850)
Aus: Geschichte der volksthümlichen schottischen
Lieder-Dichtung von Eduard Fiedler
Zweite Ausgabe Erster und zweiter Band
Leipzig 1858 Verlag von Wilhelm Violet (Band 1 S. 74-75)
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Der Busch bei Traquair
Hört', Bursch' und Mädchen allzumal,
Wie sehr mich Gretchen kränket!
Klag' ich ihr meine Herzensqual,
Nie Glauben sie mir schenket.
Mein Flehn und Seufzen sie nicht mehr
Als Windesstille rühren.
Beim hübschen Busche von Traquair
Ließ sich mein Herz verführen.
Da war ihr Lächeln süß und mild,
Daß Wonne mich durchglühte,
Und für ein Glückskind ich mich hielt,
Zu finden sie voll Güte.
Da wollt' ich lindern meine Glut,
Ihr meine Lieb' bekennen;
- Wenn ich zu weit ging, leid's mir thut,
Nicht strafbar war's zu nennen.
Jetzt flieht verächtlich sie die Flur,
Die Au'n, wo wir uns fanden,
Zeigt, sieht sie mich, mir Hochmuth nur,
Als ob wir nie uns kannten.
Wie blüht' im Mai der Busch so schön!
'S wird nimmer mir entschwinden,
Vor ihrem Zorn muß er vergehn
Wie vor Dezembers Winden.
Ihr Wald- und Feldesgötter all'
Helft mir in meinem Schmerze!
O laßt sie theilen meine Qual,
Ihr Lächeln heilt mein Herze.
Sonst bleibt nicht zärtlich Liebe mehr,
Verzweifeln sonst ich müßte,
Und fort vom Busche zu Traquair
Flöh' ich zu öder Wüste.
übersetzt von Eduard Fiedler (1817-1850)
Aus: Geschichte der volksthümlichen schottischen
Lieder-Dichtung von Eduard Fiedler
Zweite Ausgabe Erster und zweiter Band
Leipzig 1858 Verlag von Wilhelm Violet (Band 1 S. 75-76)
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