Europäische Liebeslyrik

(in deutscher Übersetzung)

Edward Charles Halle (1846-1914) - Die Musik

 


Vitéz Mihály Csokonai (1773-1805)
ungarischer Dichter



Die Erdbeere

Duft des Rosmarins, der Feigen
Honigsüsse, wie des Lasslieb
Röthe, ist dem Aug', der Nase,
Ist dem Mund gleich angenehm.

Wie erst, wenn sie sich vereinen,
Diese angenehmen Reize? -
Schaue die gereifte Kirsche,
Die ist roth, und sie ist süss;
Nardus duftet die Melone,
Nektar ist dem Gaumen sie;
Rosen sind wie Sammt zu schauen,
Ambra ist ihr Wohlgeruch;
Doch der Rosmarin, das Masslieb,
Feige, Kirsche, die melone,
und die Rose sind vereinet
In der schönen Erdbeer Sammt. -
Gerne sieht das Aug' die Farbe,
Ihren Honig liebt der Mund,
Und ihr Duft erfüllt das Haupt.

Dich, geliebte Erdbeer! würd' ich
Auf der Götter Tafel setzen;
Und wenn du auch sprechen könntest,
Und auch küssen, würdest du
Aehnlich Lilla's Lippen seyn.

Übersetzt von Johann Graf Mailath (1786-1855)

Aus: Blumenlese aus ungrischen Dichtern
in Übersetzungen von Gruber, Graf Mailath, Paziazi,
Petz, Graf Franz Teleki d. Jüng., Tretter u.a.
Gesammelt und mit einer einleitenden Geschichte
der ungrischen Poesie begleitet von Franz Toldy
Pesth und Wien 1828 (S. 27)

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Das Mahl

Wie der Tanne reifer Samen,
Der auf reinen Schnee gefallen;
Wie der Käfer, der in einer
Weissen Rose Kelch verstecket;
Wie getrocknete Korinten
In dem weissen Zuckerkuchen;
Glänzt, wie Sammt; ist schön, und süss, und
Rund, ein Mahl auf Lilla's Busen.

Eine Insel ist's voll Reizen,
Wo die Liebesgötter scherzend,
Trocknen ihrer Haare Gold, wenn
Sie in Ihres Busens milch'gen
Wogen sich gebadet haben.
Redet ihr, ihr meine Küsse!
Ob es Raserei, auf Lilla's,
Einer Erdennymphe Busen
Selbst den Fehler anzubethen?


Übersetzt von Johann Graf Mailath (1786-1855)

Aus: Blumenlese aus ungrischen Dichtern
in Übersetzungen von Gruber, Graf Mailath, Paziazi,
Petz, Graf Franz Teleki d. Jüng., Tretter u.a.
Gesammelt und mit einer einleitenden Geschichte
der ungrischen Poesie begleitet von Franz Toldy
Pesth und Wien 1828 (S. 28)

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Die arme Suse

Abends ward der Befehl gebracht,
Es war ein grosses Siegel darauf,
In einer schönen Sommernacht,
Da weckten sie meinen Jancsi auf.

Eben war er von mir geschieden;
Er sah mich im Traume sicherlich,
Ruh'te in seinem Bett in Frieden;
Es träumte ihm, wie er gehalset mich:

Da rief ein trüber Trompetenstoss,
'S hiess, gegen die Türken zöge das Heer.
Meine Jancsi schwang sich eilig auf's Ross.
O weh! vielleicht seh' ich ihn nimmer mehr.

Zu seinem Quartier ging weinend ich hin,
Bis an's Ende der Gärten ging ich ihm nach,
Sein Marsch war mein Klaglied, fort sah ich ihn zieh'n,
Und seufzt', wie die einsame Taube am Dach.

Seinen Csáko ich reich mit Thränen begoss,
Ich knüpfte ein trauriges Band daran,
Zehn Rosen gab ich seinem Ross,
So viel hundert Küsse dem lieben Mann.

Selbst meine Seele weinte in mir,
Als Abschied genommen wir beide;
Er sprach nur eins: "Gott sei mit dir!"
Und umarmt' und küsst' mich mit Leide.


Übersetzt von Johann Graf Mailath (1786-1855)

Aus: Blumenlese aus ungrischen Dichtern
in Übersetzungen von Gruber, Graf Mailath, Paziazi,
Petz, Graf Franz Teleki d. Jüng., Tretter u.a.
Gesammelt und mit einer einleitenden Geschichte
der ungrischen Poesie begleitet von Franz Toldy
Pesth und Wien 1828 (S. 31)

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 Liebeslied an meine Feldflasche

Süsses Täubchen, Herzensköder,
Fläschchen du, von Holz und Leder!
Hältst mich fest am Liebesfädchen,
Tausch' dich nicht für hundert Mädchen.

Kann dein Antlitz, hell und sonnig,
Dein rund Mäulchen, kusseswonnig,
Ich an meine Lippen schliessen,
Frag' ich nichts nach Suschens Küssen.

Hör' dein Herz mit Liebesschlägen
Sich in deinem Busen regen,
Seh' dein Hälschen mit Entzücken,
Werth, dass Perl' und Gold es schmücken.

Ohne Fischbein, schmiegt dein Mieder
Schön sich um die schlanken Glieder,
Nicht wie Manczi's eng Corsettchen,
Oder das von andern Mädchen.

's wallt dein Haar in üpp'gen Sprossen
(Ob auch nur von jungen Rossen),
Nicht, wie's manche Stirn umsäuselt,
Künstlich vom Friseur gekräuselt.

Lieblich tönt, gleich sanften Glocken,
Deiner Stimme süsses Locken;
Dein Gluck! Gluck! ist meinem Herzen
Festgesang in seinen Schmerzen.

Meine Seufzer, meine Klagen
Kann ein Wort von dir verjagen;
Wenn mich heit're Lust umwehet,
Wird ihr Reiz durch dich erhöhet.

Bei der Winterstürme Wüthen
Treibst du holde Frühlingsblüten,
Bei des Sommers läst'ger Schwüle
Labst du mich mit süsser Kühle.

Hält mein Arm dich nicht umfangen,
Strebt nach dir mein heiss Verlangen;
Doch kann ich an's Herz dich drücken,
Strahlt mein Auge süss Entzücken.

Musst am Tage bei mir weilen,
Nachts mit mir mein Lager theilen,
Und so oft ich mich erhebe,
Deiner Liebe neu ich lebe.

Lag bei dir so manche Stunden,
Ob kein Schwur uns auch verbunden;
Nur ein Wink, und du ruhst heute
Wiederum an meiner Seite.

Könnten unsern Liebesflammen
Zarte Pfänder doch entstammen,
An der Wand mit süssem Winken
Voll in langer Reihe blinken!

Räumte nur so lang' die Stätte
Dir mein Weib im Ehebette,
Bis an Mädchen und an Knaben
Junger Fläschlein viel wir haben.

Zsany würd' indess zum Humpen,
Wein vollauf aus ihr zu pumpen;
Ihre Haut hat viele Falten,
Kann wohl vier - fünf Eimer halten.

Aber ach! an deiner Seite
Fall' ich einst dem Tod zur Beute;
Mich verzehrt dein Liebesfeuer,
Und dir bleibt der Wittwenschleier.

Traurig Loos! - Gebt Wein vom Alten,
Lasst den Tor* voraus uns halten,
Und, was käm' in fremden Magen,
Selber durch die Gurgel jagen!


* Tor: Der in vielen Gegenden Ungarns
noch übliche Leichenschmaus.

übersetzt von Gustav Steinacker (1809-1877)

Aus: Ungarische Lyriker
von Alexander Kisfaludy bis auf die neueste Zeit (die letzten 50 Jahre)
In chronologischer Reihenfolge metrisch übertragen
und mit literar-historischer Einleitung
und biographisch-kritischen Notizen versehen
von Gustav Steinacker
Zweite Ausgabe Leipzig Joh. Ambr. Barth Buda-Pest
Grill'sche (vormals Geibel'sche) Buchhandlung 1874 (S. 8-9)
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