Europäische Liebeslyrik

(in deutscher Übersetzung)

Edward Charles Halle (1846-1914) - Die Musik

 


Gergely Czuczor (Gregor Czuczor) (1800-1866)
ungarischer Dichter


Was ich sein möchte!

Könnt ich ein Vöglein sein
Und als Turteltaube schwirren,
An der Liebsten Fensterlein
Würde Tag und Nacht ich girren!

Könnte nach der Blumen Art
Ich als weiße Rose blinken,
Mit der Farben blaß und zart
Würd' ich mein Vielliebchen schminken!

Könnt' ich doch als Perle nur,
Aber blos als echte, prangen,
Würd' ich an der Seidenschnur
An der Liebsten Nacken hangen.

Glänzt er doch wie Sammet fein,
Gleich dem Schnee, gefallen eben;
Dort - mein Lied gesteh' es ein -
Ruht' ich gern durch alles Leben!

Aus: Klänge aus dem Osten.
Ungarische Dichtungen frei übersetzt von
Demeter Dudumi [1855]
Zweite Auflage Pesth Verlag von H. Geibel 1855 (S. 15-16)
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Lieder im Volkston

I.
Schon ist's Abend, dennoch steht
Offen halb das Thor,
Und ein Mädchen guckt, so scheint's,
Durch den Spalt hervor.

Bist Du klein noch oder groß,
Zierlich Püppchen, sprich?
Bist Du groß schon, komm' heraus,
Zeige, Veilchen! Dich.

Sieh! da fährt sie rasch zurück,
Wirft die Thüre zu,
Und die Straß', so weit ich schau',
Decket tiefste Ruh.

Heilig ist die Ruh! - vergieb
Zierlich Püppchen mein;
Wußt' nicht, daß Du noch ein Kind,
Daß Du noch so klein.

Und wie ich so weiter geh'
Um die Straßeneck',
Lenkt den Schritt zum Hause hin
Nun ein Bursche keck;

Und es öffnet jenes Thor
Leis' und langsam sich,
Und der Bursche weilet dort
Kosend minniglich.

Ei mein Mädchen, ob Du klein
Oder groß zur Frist,
Das ist gleich, - genug, daß schlau
Und verliebt Du bist!
(S. 70-71)


II.
Der Himmel hüllt sich in Gluth
Beim Sonnenniedergehn;
Das kleine Mädchen wird roth,
Wenn Burschen auf sie sehn;
Sie denkt dann stille bei sich:
Was gafft nur das Volk und bleibt stehn?
Denn ach! die Einfalt, sie weiß
Ja noch nicht, daß sie so schön!

Sie weiß nicht, daß sie so schön,
Wie's Aepflein rosig lacht,
Noch kennt sie, kennet ja nicht
Der Liebe große Macht;
Sie kehrt sich, eilet davon,
Zur Schürze der Mutter sie flieht,
Und daß nicht folgen in Hast
Die Burschen, sie freudig sieht.

Doch kommen dürfte die Zeit,
- Und das in Kurzem sogar, -
Wo zitternd spähen sie wird
Hin nach der Burschen Schaar,
Nachseufzen heimlich wohl auch
Dem Schönsten, in Sehnsucht entbrennen,
Und, - wenn sie's auch wollte sodann -
Vor ihm nicht mehr fliehen wird können.
(S. 71-72)


III.
(Völlig in den Volksmund übergegangen)
Der Rose Duft, er ist zum Entzücken,
Darf einer sich die Rose auch pflücken;
Schön sind des Mädchens purpurne Lippen,
Wenn Küsse sich der Bursch darf nippen.

Des großen Baumes Apfel ist's Beste,
Doch hoch an solchem Baum sind die Aeste;
Der Wuchs ist schlank der Rosigrothen,
Jedoch die Umarmung ist verboten.

Der Donau Wasser niederwärts fließet,
Ein andres aber drein sich ergießet;
Und geht mein Püppchen, will ich's nicht binden,
Ich werd' eine Andre schon noch finden.

Und sinket die Sonne, daß Nacht es werde,
So fällt der kühle Thau auf die Erde;
Und geht mein Lieb, kann nimmer ich's schauen,
Beginnt auch gleich mein Auge zu thauen.
(S. 72-73)


IV.
Am Quellenbrunnen der Juhaß sitzt,
Sein Antlitz leuchtet, sein Auge blitzt;
Es kommen singend beim Abendglühn,
Drei schöne Mädchen zur Quelle hin.

Es singt die Eine: "Mein Gott und Herr!
Wenn nur mein Liebster dahier nun wär;
Der schöpfte Wasser mir minniglich,
Und würd' bewahren vor Schwindel mich."

Die Zweite singet: "Ich bin so schwach,
So groß und schwer die Eimer, ach!
Mein Täuber, wäre der jetzt doch hier,
Er würde mit Freuden gleich helfen mir."

Die Dritte aber, - von Angesicht
Wie Morgenroth, - sie singet schlicht:
"Mein Gott und Schöpfer! erbarme Dich,
Was bin allein ohne Liebsten ich?"

Die Mädchen haben mit solchem Sang
Erreicht den Brunnen in leichtem Gang;
Der schöne Juhaß hat Alles gehört
Und sang zurück, zu ihnen gekehrt:

"Die, welcher schwindelt, wenn sie sich bückt,
Die Augen schließe sie hübsch geschickt;
Die viel auf einmal nicht zwingen kann,
Sie mach's auf zweimal, wohl geht es dann.

Die aber keinen Geliebten hat,
Gott steh' ihr bei mit gutem Rath:
Mit offnem Arm steht Einer schon hier,
Ich selbst, der Juhaß, gefall' ich ihr."
(S. 73-74)


V.
Wind bläst kalt von Matra's Seite,
Selbst die Seele friert mir heute;
Woher nehm' ich Wärmespendung?
In der Herbstnacht Frostabwendung?

Ei, Frau Wirthin, Blumenstengel,
Laßt mich draußen nicht, mein Engel!
Habt Ihr trinkbar gute Weine?
Wacht noch Eure blonde Kleine?

Eures Blondchens Augenbläue,
Gleicht dem Himmel, meine Treue!
Ihres rothen Mündchens Lachen
Ist des Morgenroth's Erwachen.

Nichts vom Schlaf! horcht meinen Worten,
Seht nach mir und nicht nach dorten!
Schenkt mir voll den Krug nochmalen,
Will als Mauthgeld Küsse zahlen.

Heje, Huja! Speck und Zwiebel!
Daß ich eintrat, war nicht übel;
Bin im Haus beim Trunk geborgen,
Und es weichen Frost und Sorgen.

Wenn sich nun auch Blondchen artig
Mir erweist, nicht spröd' und schartig,
Mir ihr Lächeln strahlt als Sonne:
Ist mein Leben mehr als Wonne!
(S. 75-76)

Aus: Album hundert ungrischer Dichter
In eignen und fremden Übersetzungen herausgegeben durch
Karl Maria Kertbeny [1824-1882]
Zweite Auflage Dresden Pest Robert Schaefer Hermann Geibel 1854

[Übersetzer nicht explizit genannt]
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Die schlafende Schöne

Nacht ist's! doch senkt sich auf mein Aug'
Kein Flor der Ruhe heut',
Im offnen Fenster lehn' ich noch,
Gedankenvoll zerstreut.
Ringsum ist Alles lautlos still, -
Mir gegenüber ruht
Mein schönes Lieb auf weichem Pfühl,
Und schlummert, ach! so gut!

Die Jungfrau, wie sie lächelt, wie
Sich leis' ihr Busen hebt,
Und fessellos ihr Seidenhaar
Vom Hauch des Athmens bebt!
Sie zieht den runden Arm an sich,
Als sänke sie voll Lust
- Auf sel'ger Täuschung Fittigen -
Dem Liebsten an die Brust.

Wenn mir vielleicht das Lächeln gilt,
Mich ihre Hand begrüßt,
Ihr Arm mich an den Busen zieht,
Ihr Honigmund mich küßt:
O dann, Du wildes Sturmgebraus,
Und Blitz und Donner Ihr,
Dann störet nicht der Holden Traum
Und flieget weit von hier.

Ja, röthen soll sich später selbst,
Als sonst, des Morgens Schein;
O, hüllten finstre Wolken doch
Den Tag in Dunkel ein!
Mich führte Phantasie vielleicht
In's Herz noch tiefer fort,
Und gönnen würd' ein Plätzchen mir
Auch die Erwachte dort.

Doch glüht im Arm ein Andrer ihr
Und saugt vom Mund sich Lust,
Und hängt an ihrem Schwanenhals
Und preßt sie an die Brust:
Dann, Sturmgebraus! dring' in den Traum
Der Schelmin weckend ein,
Wem er auch galt - aufwache sie,
Und sie vergesse sein!
(S. 90-91)

Aus: Album hundert ungrischer Dichter
In eignen und fremden Übersetzungen herausgegeben durch
Karl Maria Kertbeny [1824-1882]
Zweite Auflage Dresden Pest Robert Schaefer Hermann Geibel 1854

[Übersetzer nicht explizit genannt]
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Die Lieb' ein Bienchen

Die Lieb' ein kleines Bienchen ist,
Das rings von Honig überfliesst;
Doch ihre Flamme schaffet Pein,
Dringt, wie des Bienchens Stachel, ein.

Und schmerzt es auch - mach' mir nichts d'raus,
Flög' nur nach mir das Bienchen aus;
Nicht wollt' ich seinen Stachel scheu'n,
Könnt' ich mich seines Honigs freu'n!


übersetzt von Gustav Steinacker (1809-1877)

Aus: Ungarische Lyriker
von Alexander Kisfaludy bis auf die neueste Zeit (die letzten 50 Jahre)
In chronologischer Reihenfolge metrisch übertragen
und mit literar-historischer Einleitung
und biographisch-kritischen Notizen versehen
von Gustav Steinacker
Zweite Ausgabe Leipzig Joh. Ambr. Barth Buda-Pest
Grill'sche (vormals Geibel'sche) Buchhandlung 1874 (S. 92)

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