Europäische Liebeslyrik

(in deutscher Übersetzung)

Edward Charles Halle (1846-1914) - Die Musik

 


Edmund Spenser (1552-1599)
englischer Dichter



Amoretti

Sonette


1.
Beglückte Blätter! wenn das Paar der Lilienhände,
Die über Tod und Leben sitzen zu Gericht,
Euch nähm', und in der Liebe sanfte Fesseln bände,
Wie Sclaven zitternd vor des Siegers Angesicht.
Beglückte Zeilen! wenn auf euch, mit Sternenlicht,
Der schönen Augen helle Lampen manchmahl ruhten,
Und läsen, wie mein sterbend Herz vor Kummer bricht,
Wie Thränen vollgedrängt im Buch des Busens bluten.
Und hochbeglückte Reime! in die heil'gen Fluthen
Des Helikon's, woher Sie stammet, eingetaucht,
Wenn ihr euch naht dem Engel, Ihr der Guten,
Des Himmels Segen, Kost, so meine Seele braucht,
Ihr Blätter, Zeilen, Reime, suchet Ihr vor allen
(Denn Andre kümmern mich nicht weiter) zu gefallen.
(S. 3)
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2.
Unruhiger Gedanke, welchen ich zuerst
Mit Pein des liebekranken Herzens gross gezogen,
Der du seit dem von Seufzern und von Gram dich nährst,
Bis du jetzt gar des Busens Gränzen überflogen;
Entschwinge dich einmahl des Herzens inn'rem Bogen,
Worauf du ruhst, wie junger Nattern Zungenpfeile,
Such Hülfe, dass du stillst zuerst der Schmerzen Wogen,
Und auch damit dir selber Nahrung werd' zu Theile.
Doch wenn in Gegenwart der schönsten stolzen Fräule
Von ungefähr du kömmst, fall nieder Ihr zu Füssen,
Dass Sie Verzeihung dir und Gnade mir ertheile,
Sollst du demüthig Sie mit Trauerweise grüssen.
Verzeiht Sie dir, so leb', such Liebe zu erwerben;
Wenn aber nicht, stirb schnell, und ich will mit dir sterben.
(S. 5)
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3.
Die höchste Schönheit, die von mir Bewundrung fodert,
Wird, wie es billig, hoch geschätzt von Jung und Alt;
Das Licht, das himmlisch meinem Geist' entlodert,
Erhebet ihn durch Ihrer Schönheit Allgewalt.
Da dieses Licht Ihr heller Schimmer überstrahlt,
Fühl' über niedre Dinge weit ich mich erhoben.
Mit Staunen seh' ich an die herrliche Gestalt,
In deren Wunderblick des Himmels Glanz verwoben,
Allein wenn meine Zunge will nach Würden loben,
In staunender Gedanken Meer versinket sie,
Und will die Feder geben Ihrer Schönheit Proben,
Wird sie entzückt von Wundern hoher Phantasie.
Ich sprech' und schreibe dann in's Herz mit Flammenzügen
Die Wunder, denen stumm mein Geist muss unterliegen.
(S. 7)
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4.
Das junge Jahr blickt längst hervor aus Janus Thoren,
Verheissend Hoffnung uns von wechselndem Vergnügen;
Es hat der alten Zeit das Lebewohl geschworen,
Die traurigen Gedanken sind in letzten Zügen.
Es ruft vom Winterschlaf, worin die Blumen liegen,
Die Liebe, so in freudelosem Busch verschwunden.
Es wecket sie, und lässt nach allen Seiten fliegen
Die Schwingen und die Speere voll von Todeswunden.
Der frohe Lenz in seinen besten Feyerstunden
Bereitet sich die junge Liebe zu empfangen;
Er selbst, von mannigfarben Blumen schön umwunden,
Befiehlt der Flur den schönen Mantel umzuhangen.
Du, schöne Blume, voll von jugendlichem Leben,
Bereite dich dann neuer Liebe Raum zu geben.
(S. 9)
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5.
Hart thust Ihr Unrecht, die mein Herz beglückt,
Wenn dir Ihr allzu hoher Stolz missfällt,
Was mich an Ihr, wie billig, meist entzückt,
Wird meist beneidet von unwürd'ger Welt;
Verachtung alles Niedern Schlechten hält
Sich auf in Ihres luft'gen Blicks Revier,
Erschreckend rasches Aug, das nach Ihr stellt,
Und sich nicht trauet frech zu schau'n nach Ihr.
Solch Stolz ist Preis, und Hoheit Ehre hier,
Im kühnen Blicke Unschuld sich gestaltet;
Ihr schönes Angesicht ist ein Panier,
Mit gutem Glück zum Trotz des Feinds entfaltet;
Nie kam in dieser Welt Etwas zur Ehre,
Worin ein Funke nicht von Selbststolz wäre.
(S. 11)
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6.
Verzage nicht, weil sie mit kalter Brust
Verharret in empörerischem Sträuben;
Solch Liebe ist nicht gleich der niedern Lust,
Wenn schwer erreicht, wird sie so fester bleiben.
Die feste Eiche, deren Saft im Treiben,
Braucht lang', eh ihr sie könnt zum Brennen bringen.
Doch brennt sie, wird sie grosse Hitze treiben,
Und hoch die Flamme gegen Himmel schwingen.
So schwer ist's, neu Verlangen anzuzünden
In zarter Brust, das ewig hin soll brennen;
Tief sind die Wunden, die ins Inn're dringen,
Mit keuscher Neigung, die nur Tod soll trennen.
Darum bedenke nicht die kleine Pein,
Den Bund zu schliessen, der soll ewig seyn.
(S. 13)
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7.
Ihr schönen Augen, Spiegel der verwirrten Brust!
Welch' hohe Wunderkraft ist nicht in euch enthalten?
Es schiessen Todesqual und süsse Lebenslust
Hin auf den Gegenstand aus eures Blicks Gewalten;
Denn wenn die Blicke mild und lieblich sich gestalten,
Dann athmet meine Seele nichts als Lieb' und Leben;
Doch wenn sie lauernd und verschmähend sich entfalten,
Dann sterb' ich, wie getroffen von des Blitzes Beben.
Doch weil stets mehr als Tod erwünschet ist das Leben
So blicket lieblich stets, wie euch es stehet gut,
Dass euren Strahlen, mit Bewundrung hingegeben,
Ich in der Brust entzünden mag des Lebens Gluth.
Solch Leben sey die Ehre Eures Strahlenlichtes,
Solch Tod sey Beyspiel Eures mächtigen Gerichtes.
(S. 15)
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8.
Du mehr als Schönste! voll vom Lebensfeuer,
Das an dem höchsten Thron des Schöpfers scheint,
O Freudenquell der Augen, wo was theuer
Und lieb der Welt erscheinet, sich vereint;
Durch eure Strahlen schiesset zwar der blinde Gast
Die Pfeile, dass der Sinnen Wunde wüthe;
Doch Engel geben schwachen Seelen Rast,
Die keusch verlangen nach des Himmels Güte.
Ihr seyd es, die in mir Gedanken schafft,
Die Zunge fesselt, sprechen lehrt die Jugend,
Ihr sänftiget den Sturm der Leidenschaft,
Der stark durch euch, und schwach durch eure Tugend.
Die Welt ist schwarz, wenn euer Licht nicht scheint,
Und wohlgeboren, wer euch schaut als Freund.
(S. 17)
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9.
Womit die mächt'gen Augen zu vergleichen,
Die mich erheitern, hab' ich nachgedacht.
Ich finde in der Erde weiten Reichen
Kein treues Bild von ihrer lichten Pracht.
Der Sonne nicht, sie scheinen bey der Nacht;
Dem Monde nicht, dieselben wechseln nimmer;
Den Sternen nicht, kein Stern so freundlich lacht;
Dem Feuer nicht, denn diess verzehret immer;
Dem Blitze nicht, weil er nicht dauernd brennt;
Dem Demant nicht, den sie an Glanz beschämen;
Nicht dem Krystall, da nichts dieselben trennt;
Und nicht dem Glas, sie möchten's übel nehmen.
Sie sind allein dem höchsten Schöpfer gleich,
Dess Licht erleuchtet seiner Schöpfung Reich.
(S. 19)
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10.
Unbill'ger Gott der Liebe! was ist diess,
Dass ich gepeinigt werde fürchterlich?
Indess Sie, üpp'ger Seligkeit gewiss,
Aus freyer Wahl verhöhnet dich und mich?
O siehe, die Tyranninn freuet sich
Der blut'gen Schlachten ihrer Augenlieder,
Sie gibt gefang'ne Herzen ab an dich,
Dass du mit mächt'ger Hand sie rächest wieder.
O schüttle ihres stolzen Sinns Gefieder,
Den hohen Blick, mit dem Sie eine Welt
Verschmähend überblicket, schlage nieder.
Schreib in dein schwarzes Buch was Sie gefehlt,
Dass mir es auch vergönnet sey zu lachen,
Wenns Ihr beliebt aus Schmerzen Scherz zu machen.
(S. 21)
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11.
Alltäglich, wenn ich Frieden bitt' und suche,
Und Geissel anerbiethe meiner Treu,
Macht Sie im Kriege grausam Schlachtversuche,
Das blutige Gefecht wird wieder neu.
Auf keinem Wege lässt Sie sich herbey,
Rastlosem Kampfe kurze Rast zu geben;
Den schwarzen Plan verfolgt Sie ohne Scheu
Erbarmungslos zu rauben mir das Leben.
Ich gäb' es gern, die Sorgen all zu heben,
Die Wuth zu stillen gäb' ichs gerne hin,
Da peiniget Sie mich, durch ihr Bestreben
Mich zwingend, dass ich lebe ferner hin.
Es enden Müh'n, und jeder Kampf hat Frieden;
Mir ist um Preis und Flehn nicht Ruh beschieden.
(S. 23)
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12.
Nur Waffenruh und Stillstand einzugehen
Mit ihren Augen, war einst mein Verlangen.
Ich sann nicht falschem Feinde nachzuspähen;
Er aber mich verräthrisch zu umfangen.
Schon hatte ich die Waffen aufgehangen,
Als böser Hinterhalt, verborgen lang'
In ihrer Augen schuldbewussten Schlangen
Hervor brach, und in Schaaren auf mich drang.
Ich war, zu schwach zu widersteh'n dem Drang,
Gezwungen mich dem Feinde zu ergeben,
Der als Gefang'nen mich sogleich umschlang,
Und mir seit dem die Freyheit nie gegeben.
So, Fräulein, klag' ich eure Augen an:
Es werde wider sie mir Recht gethan.
(S. 25)
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13.
Im stolzen Wuchs, der Sie so köstlich schmücket,
Im schönen Antlitz, das gen Himmel steht,
Indess ihr Augenlied die Erde drücket,
Der sanfte Hauch der schönsten Mischung weht,
Mit milder Demuth hohe Majestät.
Denn blickt Sie auf den Grund, der Sie geboren,
Die Sterblichkeit sogleich im Sinn' Ihr steht,
Das Schönste nicht entflieht des Grabes Thoren.
Durch luft'ge Haltung hat sie abgeschworen
Das Niedre, denkt zum Himmel sich zu schwingen.
Sie tritt die schwere Erde als verloren,
Weil Himmlisches nicht durch den Thon kann dringen.
Versprich, Du wollest niedrig auf mich schauen,
Du sollst dafür in luft'ger Höhe bauen.
(S. 27)
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14.
O kehrt zurück, ihr meine Kräfte, jüngst geschlagen,
Zu der Belag'rung, die ihr liesset ausser Acht;
Denn Schand' ist's abzusteh'n, wenn man davon getragen
Von einer schönen Hand so leichter Schläge Tracht.
Gen solche starke Festung braucht es grössre Macht,
Denn die ihr sonst gewohnt gewesen auszuheben;
So hoch gestimmter Sinn, gestählt durch harte Schlacht,
Verschmähet auf den ersten Sturm sich zu ergeben.
Drum bringet auf, was ihr vermögt an Macht und Leben,
Und gen ihr Herz sey eurer Stücke Wall gekehrt
Mit Klagen, Bitten, Gram, Gelübden, Sorgen, Beben.
Das spröd'ste Liebchen wird durch solch Geschütz bekehrt;
Und fehlet diess, so fallet sterbend nieder Ihr zu Ehren:
So sollt ihr sterbend leben, lebend sie verehren.
(S. 29)
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15.
Ihr Handelsleute, die mit lästigem Bemühen
Euch kostbar zu bereichern suchet für und für,
Nur stets bedacht die beyden Indien auszuziehen,
Was braucht's? in so entferntem Land' was suchet ihr?
Denn seht, bey meinem Liebchen finden sich allhier
Die Schätze, so auch die entfernsten Länder dienen.
Sucht ihr Saphire? Seht die Augen sind Saphir.
Rubinen? Seht die Lippen gleichen den Rubinen;
Die Perlen sind im Glanze ihrer Zähn' erschienen.
Wenn Elfenbein; die Stirn' ist ja das Elfenbein;
Wenn Gold; das Haar, es liegt kein feinres in den Minen;
Wenn Silber; seht der schönen Hände Silberschein.
Allein das Herrlichste, was Wenigen nur strahlt,
Bleibt ihr Gemüth, geschmückt mit Tugend mannigfalt.
(S. 31)
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16.
Als eines Tags ich unverwahret blickte
Ins schöne Auge, meiner Liebe Licht,
Indess Erstaunen ganz mein Herz entzückte
Durch süsse Täuschung, so durch Blicke bricht,
Auf einmahl in dem glänzenden Gesicht'
Ich Schaaren kleiner Liebesgötter sehe.
Sie schwangen tödtliche Geschosse dicht
Auf Jeden, der sie anschaut in der Nähe.
Und Einen dieser Schützen ich erspähe,
Der mit dem Pfeil gerad' ins Herz mir schoss:
Als durch ein Blinken ihres Auges gähe
Das Fräulein brach sein irrendes Geschoss.
That sie nicht so, ward ich gewiss erschlagen,
Das Leben hab' ich kaum davon getragen.
(S. 33)
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17.
Das herrliche Gebild von dieses Engels Zügen,
Gemacht, die Kunst der schwachen Menschen zu enterben,
Und allen nicht'gen Ruhm der Welten zu besiegen,
Welch Pinsel kann damit sich Ehre wohl erwerben?
Denn wenn der Mahler auch versteht die Kunst zu färben,
Und die gelehrte Hand nach freyer Wahl zu leiten,
Dass sie das Meisterstück nicht zitternd soll verderben;
Doch gibt es viel der Wunderdinge noch beyseiten:
Des Auges süsse Blicke, die wie Pfeile gleiten,
Des Lächelns Zauber, der das Herz sich selbst entrücket,
Anmuth'ger Liebereitz und luft'ge Sprödigkeiten,
Unmöglich werden sie durch Kunst je ausgedrücket.
Es ist nur einer gröss'ren Künstlerhand gegeben:
Der Dinge Seyn als Schöpfer wirklich zu beleben.
(S. 35)
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18.
Das Rad, das rollend sich im Kreise dreht am Wagen,
Wird in der Zeiten Lauf den härtsten Stahl verzehren;
Durch Regentropfen, die oft an die Mauer schlagen,
Muss endlich selbst der feste Kiesel ganz versehren:
Doch kann ich nicht mit Tropfen wiederhohlter Zähren,
Mit langen Bitten nicht ihr hartes Herz erweichen,
Dass Sie einmahl Gehör den Klagen soll gewähren,
Und blicken mitleidsvoll auf meiner Wunden Zeichen.
Denn wenn ich klage, heisst Sie mich von hinnen weichen;
Und wenn ich weine, sagt Sie: diess heisst Wasser machen;
Und wenn ich seufze, saget Sie: ich kenn' dessgleichen;
Und wenn ich ächze, fängt Sie an sogleich zu lachen.
So ist umsonst mein Weinen, Seufzen, Aechzen, Klagen;
Indessen gleicht dem Stahl und Kiesel ihr Betragen.
(S. 37)
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19.
Der frohe Guckguck, er, der Frühlingsbothe
Liess hell schon dreymahl die Trompete schallen
Für alle Liebende zum Aufgebothe
Des Königs, dem gekrönt mit Thaukorallen
Das Vögelchor lässt süsse Lieder schallen,
Gedichtet um der Liebe Glück zu preisen,
So dass die Wälder alle wiederhallen,
Als wenn sie kundig wären ihrer Weisen.
Doch unter allen diesen Liebeskreisen
Verstummet Sie, meist schuldig solcher Pflichten,
Will dem Geboth Gehorsam nicht erweisen,
Und kehret an die Bothschaft sich mit nichten.
Wird Sie, eh Guckguck aufhört, nicht bekehret
Zur Lieb', sey Sie Aufrührerinn erkläret.
(S. 39)
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20.
Ich such' und fleh' umsonst bey Ihr um Gnade,
Und leg' mein Herz auf Ihrer Tritte Spur,
Indess Ihr Fuss die Nacken tritt als Pfade,
Zerknicket Sie mein Leben auf der Flur:
Und doch der Leu, die mächtigste Natur,
Der Herr der Thiere, die auf Feldern leben,
Verschmäht das Lamm zu würgen, wenn es nur
Sich seiner Macht gehorsam hat ergeben.
Sie aber grausamer und wilder eben
Als Löwinnen und Löwen weit und breit,
Sie schämt sich nicht, nach reinem Blut zu streben,
Und rühmet sich noch ihrer Grausamkeit.
Der Schönen Schönste! Niemand möge sagen:
Du habest zahme Beute frey erschlagen.
(S. 41)
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21.
Ist's Werk der Kunst? Ist's Ihr von der Natur beschieden?
Von beyden welche hat geformt so ihr Gesicht,
Dass Stolz und Sanftmuth hier, vereint in Frieden,
Nur zu erhöhen scheinen ihrer Schönheit Licht?
Mit milder Huld, die durch des Stolzes Wolken bricht,
Versteht sie jeden Blick zur Liebe zu bewegen,
Und jaget alsogleich mit finsterem Gesicht
Die freyen Blicke fort, die nied're Lust erregen;
Sie ist gewohnt ihr Aug so wundersam zu pflegen,
Dass Sie mit einem Blick verdammet mein Geschick,
Und mit dem anderen es überstrahlt mit Segen;
Ihr Lächeln zieht mich an, ihr Zorn treibt mich zurück.
So pflegt sie mich, und lehrt mich durch der Blicke Kunden
Die Kunst, die ich bisher in Büchern nicht gefunden.
(S. 43)
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22.
Die Menschen sollen sich in dieser heil'gen Zeit
Des Fastenmonds der Andacht einzig nur ergeben,
Drum will an diesem Tage, der so hoch geweiht,
Ich Kirchendienst begehn für meiner Heil'gen Leben.
Seht ihren Tempel sich in meiner Brust erheben,
Worin ihr glorreich Wunderbild ist aufgemacht,
Das die Gedanken ohne Rast und Ruh' umschweben,
Gleich Priestern, mangelnd nie bey Tag und Nacht.
Dort will ich Ihr, der Schöpferinn von meiner Macht,
Hinbauen den Altar, um ihren Zorn zu stillen,
Worauf als Opfer dann mein Herz sey dargebracht
In Flammen brennend von dem reinsten keuschen Willen.
Nimm an, o Göttinn! nimm es gnädig an als dein,
Bewahr's in deinem köstlichsten Reliquienschreyn.
(S. 45)
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23.
Penelope, Ulyssen einst zu Lieb',
Ersann ein Werk, die Werber zu bethören;
Was sie den ganzen Tag lang spann und trieb,
Begann sie nächtlings wieder zu zerstören;
Die List könnt ihr von meinem Fräulein hören;
Zu legen mein Verlangen in den Bann,
Wird das Geweb von tagelangen Flören
In einer kurzen Stunde ungethan.
Denk' ich zu enden, was ich längst begann,
Muss ich beginnen, ohn' es zu vollziehen.
Mit einem Blick verdirbt sie, was ich spann:
Mit einem Wort, des ganzes Jahres Mühen.
Es ist wie Spinngeweb', indem geschwind
Die nicht'ge Müh' zerstört der kleinste Wind.
(S. 47)
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24.
Wenn ich betracht' der Schönheit Wunderspur,
Und aller guten Eigenschaften Runde,
Diess Meisterstück vollendeter Natur,
Ehr' und bewundr' ich nur des Schöpfers Kunde;
Doch wenn ich fühle bittre Schmerzenswunde,
Von schönen Augen gählings mir versetzt,
In deren lichten Strahlen liegt die Todesstunde,
Erscheint Sie als Pandora mir zuletzt,
Von welcher Götterrath hat festgesetzt,
Sie in die sünd'ge Welt herab zu senden,
Als Geissel Bösem, der die Pflicht verletzt,
Für was begangen ward von schuld'gen Händen.
Weil Du nun meine Geissel bleiben sollst,
Mich zu empfindlich doch nicht schlagen wollst.
(S. 49)
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25.
Wie lang soll dieser Todeskampf noch währen,
Und seines Elends Ende nicht erstreben?
Wie lang soll ich mich ungewiss verzehren,
Und zwischen Furcht und Hoffnung zweifelnd schweben?
Weit besser nähmest Du mir gleich das Leben,
Zum letzten Beyspiel' solcher Stolzgefahren,
Als so mich auf die Folterbank zu geben,
Zur Probe Deiner Macht, die Dich erfahren.
Doch solltest Du in harter Brust bewahren
Den Vorsatz, Dich mir gnädig zu erzeigen,
Will ich vor Wehen und vor Schiffsbruchbahren
Als Mitteln Deiner milden Huld mich neigen,
Und wünschte, dass sie mir viel grösser schienen,
Um so viel grössern Lohn einst zu verdienen.
(S. 51)
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26.
Süss ist die Rose, doch auf einem Dornenstrauch;
Süss ist Wacholder, doch gar scharf gespitzt sein Bau;
Süss ist die Hagebutte, dennoch sticht sie auch;
Süss ist die Feuerlilie, doch an Zweigen rauh;
Süss die Cypresse, doch die Rind' ist hart zur Schau;
Süss ist die Nuss, doch bitter ihre inn're Haut;
Süss ist die Heublum', doch zu sauerem Gebrauch;
Und süss die Wurzel Molly, doch von bösem Kraut.
So ist die Süssigkeit mit Bitt'rem stets getraut.
Das macht, dass man um so viel mehr darnach verlangt.
Denn von den meisten Menschen wird nicht viel geschaut
Nach leichten Dingen, die man gleich nach Wunsch erlangt.
Warum soll ich denn hoch aufrechnen kleine Pein,
Wodurch unendliches Vergnügen einst wird mein?
(S. 53)
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27.
Warum, o stolze Schöne! bist Du stolz, weil schön?
Die Herrlichkeit der ganzen Welt ist nichtig Wesen,
Und in das Grab versinken dieses Lebens Höh'n;
Gering ist der Gewinn, den Du Dir hast erlesen.
Im öden Raum des Grabes wird der Reitz verwesen,
Dess Göttlichkeit für jetzt so fröhlich Dir behagt.
Es wird vergessen seyn, als wär' sie nie gewesen
Die Schönheit, der man den Bewundrungszoll abtragt,
Und Keiner finden sich, der nach derselben fragt.
Es bleibet einst davon kein anders Angedenken,
Als was diess Lied, das weit noch in die Nachwelt ragt,
Mit unbelohnter Müh' für ew'ge Zeit soll schenken.
Drum, Schöne, sey nicht stolz auf was zu Grunde geht,
Sey stolz auf das, wodurch Dein Ruhm für stets besteht.
(S. 55)
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28.
Das Lorbeerblatt, das dich am heut'gen Tage schmückt,
Gibt grosse Hoffnung mir, du seyst fortan gelinde.
Denn seit es Dir als Ehrenkranz die Schläfe drückt,
Scheint es, als ob Dein Herz für mich etwas empfinde.
Es dringe nun die Kraft, die ich in mir oft finde,
Gleichfalls in Deines mildgestimmten Busens Blut
Mit süssem Einfluss, und erinnere Dich geschwinde
An Daphne, die in Lorbeer hüllt den spröden Muth;
Die Spröde, so verschmähte Phöbus' Liebesgluth,
Und vor ihm floh weit in Tessaliens Küstenraume,
Sie büsst dafür nun durch der Götter Rachewuth,
Auf immerhin verschlossen in dem Lorbeerbaume.
Drum flieh nicht mehr, schön Liebchen, vor Apollo's Lauf:
Nimm in die Brust sein Laub, und seine Liebe auf.
(S. 57)
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29.
O seht! das Fräulein, voll von Starrsinn, denkt
Mich wegzuwerfen schnöd' als einen Thoren.
Sie hält mich, weil ich ihr den Kranz geschenkt,
Als ihren Sclaven künftighin verloren.
Zum Kranz, sagt sie, sind Sieger nur geboren,
Wesshalb die Ueberwundenen ihn bringen.
Er schmücket auch der Dichter Schläf' und Ohren,
Weil sie den Ruhm der Heldenthaten singen,
Will Sie mich durch Eroberung bezwingen,
So bin ich gerne die getreue Beute.
Es soll sich ihr Triumph zum Himmel schwingen,
Und mich verherrlichen im ruhmerfüllten Streite.
Dann decke ich ihr Haupt mit Ruhmeskränzen:
Es soll die Welt vom Preis des Sieges glänzen.
(S. 59)
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30.
Mein Liebchen ist gleich Eis und ich gleich Flammen,
Wie kömmt es, dass durch meiner Sehnsucht Blitze
Des Herzens Eis nicht längstens schmolz zusammen,
Dass es durch Fleh'n erstarrt in seinem Sitze?
Wie kömmt es, dass bey mir die grosse Hitze
Nicht nachlässt durch ihr Herz gefroren hart,
Dass ich verbrenne, dass ich siedend schwitze,
Und fühle Gluth vermehret mannigfalt.
Wo gibt es wunderwirkende Gewalt,
Wodurch in Eis das Feuer wird verkehret,
Und Eis, das ist gefroren fühllos kalt,
Auf wunderbare Weise Flammen nähret?
Solch ist in zartem Sinn der Liebe Spur,
Dass sie den Lauf verändert der Natur.
(S. 61)
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31.
Warum ward doch zu solchen Schönheitsgaben
So hartes Herz gesellt von der Natur?
Denn aller Werth und Schimmer, den sie haben,
Wird durch den Stolz den Liebenden zum Schur.
Es ward den Bestien von blut'ger Spur
Ein Angesicht voll Grauen und voll Schrecken,
Um And're zu verscheuchen von der Flur,
Dass sie vor ihrem Grimme sich verstecken:
Doch grösseres Verderben kann sie wecken
Durch süsse Lockungen der Lieblichkeit,
Um dann die Hand so sichrer auszustrecken
Nach armem Wilde, das sich willig beut.
Doch wüsste Sie, wie schlecht sich dieses reimt:
So legte Sie den Grimm ab ungesäumt.
(S. 63)
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32.
Der äms'ge Schmid mit Hülfe heisser Gluth
Wird auch das härt'ste Eisen bald erweichen,
Er formet draus nach Willkühr Waarengut,
So bald der Hammer es nur kann erreichen:
Doch konnten meine Flammen sonder gleichen,
Nicht schmeidigen ihr Herz, so hart wie Stahl;
Hartnäckig widerstand ihr Herz den Streichen,
Der Bitten und der Klagen allzumahl.
Je feuriger sie schaut des Herzens Qual,
So mehr gefriert sie nur in ihrem Sträuben;
Je härter dass sie drückt des Hammers Maal,
So tauber will sie meinen Klagen bleiben.
So werd' ich denn ein Häufchen Asche seyn,
Und sie zuletzt gefrieren noch zu Stein.
(S. 65)
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33.
Ich hab' gross Unrecht, ich bekenn' es immerhin,
Gen meine Kaiserinn, vor der ich süss muss beben,
Dass ich vollendet nicht die Feenköniginn,
Um ihrer Thaten Preis auf ewig zu erheben.
Doch Ludwig, Eines musst du mir doch wohl zugeben,
Bedenkst du nicht, es gebe dieser hohe Bau
Genugsam Werk für Eines Mannes Kopf und Leben?
Und wäre Alles, wie das Uebrige, auch rauh,
Wie soll denn ich nun ohne andres Witzestau
Mein Schiff aus so mühseliger Gefahr erretten;
Indem mein eigner Witz verwirret ganz zur Schau
Gehalten wird von schnöder Lieb' als Beut' in Ketten.
Darum hör' auf, bis Sie gewährt der Ruhe Lust,
Wenn nicht, belebe mir mit andrem Geist die Brust!
(S. 67)
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34.
Gleichwie ein Schiff, das auf dem weiten Ocean
Der sichern Strasse folgt, die ihm die Sterne mahlen,
So bald den Steuermann verschlang des Sturmes Bahn,
Sich hin und her treibt auf dem Wogenfeld, dem kahlen,
So wandr' ich hin, seit dem die Sterne, deren Strahlen
Mich leiteten, mit dunkeln Wolken sind bedeckt,
In Finsterniss und unaussprechlich schweren Qualen
Durch die Gefahren, so rund um mich sind versteckt.
Doch hoff' ich, dass, so bald der Sturm sich ausgeneckt,
Durch meine Helice des Lebens Leitgestirne
Mit neuem Schein ich werde wieder aufgeweckt,
Dass alle Wolken sich zerstreuen von der Stirne.
Bis dahin werd' ich kummervoll und rastlos schwanken
Voll von geheimem Gram und traurigen Gedanken.
(S. 69)
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35.
Mein hungrig Augenpaar verlangt hiernieden
Zu schaun den Gegenstand von seiner Pein,
Dasselbe stellet Nichts, gar Nichts zufrieden,
Als stets gequält und klagend nie zu seyn.
Denn ohne Sie ist aus das Leben rein,
Und ist Sie da, so schauen sie so mehr,
Geblendet wie Narciss von eitlem Schein
Durch Augendurst; so macht mich Fülle leer.
Doch meine Augen sind gefüllt so schwer
Mit Ihrem Antlitz, dass sie nichts verlangen,
Als anzuschauen was sie sah'n bisher,
Und können doch nicht länger daran hangen,
So scheint der Ruhm der Welt nur eitel mir,
Und alle Schau ist Schatten ausser Ihr.
(S. 71)
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36.
Sag mir, wann sollen diese Wehen enden,
Sag, soll nie enden diese Folterqual,
Soll ich mein Leben schmachtend ganz verschwenden,
Ganz ohne Trost und ohne Hoffnungsstrahl?
Kann ich erkaufen nicht ein Friedensmahl,
Nicht mit den Augen Waffenruh' eingehen?
Musst Du durch Grausamkeit denn allzumahl
Mit jedem Tag vermehren meine Wehen?
Und willst Du denn das Aeusserste begehen,
So denk', wie wenig es Dir Ehre macht
Zu tödten den, der zwar nicht angesehen
Dein Leben oft zu Ehren hat gebracht.
So mancher würde seinen Tod beklagen,
So mancher Dich als schuldig dann anklagen.
(S. 73)
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37.
Welch eine List ist diess, dass Sie die gold'nen Flechten
Mit solcher Sorgfalt in ein gold'nes Netz versteckt,
Dass sie mit schlauer Kunst diesselben weiss zu flechten,
Dass man nicht Unterschied von Gold und Haar entdeckt?
Ist es die Augen, welche schauen unerschreckt,
Auf immer zu verstricken in die gold'nen Spangen?
Sind sie verstrickt, wird alsogleich die List erstreckt
Auf schwache Herzen, die nur allzu unbefangen.
Ihr Augen habet Acht nicht allzu rasch zu hangen
Ins Künftige an diesem Netze voll von List,
Indem, wenn ihr darinnen einmahl seyd gefangen,
Befreyung aus den Banden nicht zu hoffen ist.
O Thorheit, für den Freyen Fesseln zu begehren,
Und wenn dieselben auch vom reinsten Golde wären.
(S. 75)
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38.
Als einst Arion durch des Sturmes Grausamkeit
Hinaus geschleudert wurde in die gier'gen Wogen,
Da fand sogleich durch seiner Töne Süssigkeit
Zur Rettung von dem Tod sich ein Delphin bewogen;
Doch meine rauhen Töne (denen sonst gewogen
Manch zartes Ohr) sie können sänft'gen nimmermehr
Das Ungewitter, so ihr Grimm hat aufgezogen.
Auf steiget kein Delphin aus ihres Starrsinns Meer,
In ihrem Stolz verharrt Sie immer mehr und mehr
Ganz sorglos, dass ich schmachtend sterb' in ihren Ketten.
Ein Wort bringt Rettung oder bringt Verderben schwer,
Schad' ist es zu verderben, herrlich ist's zu retten,
Desswegen rufe man Dich lieber aus für gut,
Als schuldig des Vergiessens von unschuld'gem Blut.
(S. 77)
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39.
O süsses Lächeln, Tochter Philomiden's,
Dir ward der Mutter mächt'ge Kunst zu Theil,
Womit bey Zevs sie bürgt des Himmelsfriedens,
Wenn er die Götter schreckt mit Donnerkeil.
Du selbst bist süss, und schenkest süsses Heil;
Als du jüngst schienst durch meines Kummers Drücken
Durchrann ein schmelzend Wohlseyn jeden Theil,
Den Frohsinn fühlt' ich süss mein Herz beglücken;
Indess, entführt von himmlischem Entzücken,
Ganz in Erscheinungen mein Geist versank;
Er fühlte dann nicht mehr des Kummers Drücken,
Weil er den frohen Glanz des Lächelns trank.
Viel süsser als Ambrosia's Götteressen
Schien jeder Bissen, den ich dann gegessen.
(S. 79)
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40.
Schau, wenn Sie lacht voll Liebenswürdigkeit,
Und sag', welch' ein Vergleich wird vorgezogen,
Wenn hundert Grazien sind allbereit
Zu schatten sich auf Ihrer Wimpern Bogen.
Mir scheint's - einfältig hab' ich es erwogen -
Wie Sonnenschein an einem Sommertag,
Der, wenn des Sturmes Grimm vorbey gezogen,
Mild niederblicket auf der Welt Gelag,
Wo jedes Thier, das in der Höhle lag,
Und jeder Vogel, der zum Zweig geflüchtet,
Von seinem Unfall sich erhohlen mag,
Indem zum Licht empor das Haupt er richtet.
So ist mein sturmgewühltes Herz erfreut
Durch diesen Sonnenschein in heitrer Zeit.
(S. 81)
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41.
Wird durch Natur, wird durch den Willen Sie geheissen,
Sich gen geschlag'nen Feind so grausam zu bewähren?
Ist es Natur, so mag sie and'rer sich befleissen,
Ist's Wille, mag freywillig sie sich wohl bekehren;
Doch wenn Natur und Wille beyde sich verkehren
Zur Pein des Mannes, der am meisten weiss zu lieben,
Und eines armen Wichtes Qual stets zu vermehren,
So werden ihre schöne Gaben all zerstieben,
Und ihrer Schönheit eitles Lob so hoch beschrieben
Ist Lockspeis nur die Elenden damit zu blenden,
Die lange schon im Sturm von ihrer Liebe trieben,
Zuletzt entrinnen sie doch nicht den grimmen Händen.
Der Schönen Schönste lass,  o lass es nimmer sagen:
Dass solche Schönheit solche Schand' davon getragen.
(S. 83)
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42.
Die Liebe, die so grausam an mir zehrt,
Ist doch so lieblich in der Qualen Hitzen,
Dass, wenn mein Kummer sich gleich immer mehrt,
Ich mehr noch liebe meiner Folter Spitzen.
Auch wünsch ich nicht (denn was kann Wünschen nützen)
Befreyt zu seyn von dem beständ'gen Schmerz,
Mich freut's, will Sie als Sclaven mich besitzen,
Ich geb' Ihr hin als Pfand mein armes Herz,
Und dass es nicht entspring' in losem Scherz,
Mag Sie es fest mit Demantketten binden,
Dass Untreu', welche ziehet niederwärts,
Durch sich're Huth nie möge Eingang finden;
Nur möge sparen Sie die Grausamkeit,
Dass ich nicht sterbe vor gehör'ger Zeit.
(S. 85)
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43.
Soll ich denn schweigen, oder soll ich sprechen?
Und wenn ich sprech', soll sich ihr Zorn ergiessen?
Und wenn ich schweige, will das Herz mir brechen,
Und voll von Bitterkeiten überfliessen.
Wie grausam ist's, mein Herz durch Zwang zu schliessen,
Durch Sprödigkeit die Zunge mir zu binden,
Dass Worte und Gedanken mich verdriessen,
Dass ich stockstumm im Schweigen Tod soll finden?
Ich will das Herz mir insgeheim verbinden:
Bey Ihr gerechte Sache zu verweisen,
Und auch mein Auge soll sich unterwinden
Dem Ihrigen der Liebe Zug zu lesen.
Es liest ihr tiefer Geist die Herzgedanken,
Und wahren Sinn, wenn selbst die Worte wanken.
(S. 87)
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44.
Als Argo's Helden ihre Kräfte massen,
Durch Stolz erpicht, einander zu vernichten,
Und auf's berühmte gold'ne Vliess vergassen,
Konnt' Orpheus' Harfe ihre Händel schlichten;
Doch bey den ew'gen inn'ren Kriegsgeschichten,
Die in mir selbst entflammt der Liebe Feuer,
Wo alle Leidenschaften herrisch richten,
Bezwingt nicht Kunst der Zwietracht Ungeheuer;
Und nehm' ich in die Hand die stumme Leyer,
Vermehr' ich nur des Feindes Widerstand,
Die Leidenschaften athmen desto freyer,
Und geben sich zum Kampf mit mir die Hand;
Je mehr ich suche Frieden abzuschliessen,
Je höher seh' ich ihre Bosheit schiessen.
(S. 89)
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45.
In dem krystall'nen Spiegel hell und rein
Hört auf Euch zu beseh'n, o Zier der Frauen!
Und in mir selbst in meinem innern Mein
Sollt Euer wahres Ebenbild Ihr schauen.
Wiewohl mein Herz sich schwerlich kann getrauen
Das Göttliche zu seh'n mit Augen sterblich,
So ist das Ideal der Himmelsauen
Die Rose des Gesichts darin unsterblich.
Wollt' Eure Grausamkeit nicht so verderblich
Durch Kummer und durch Schmerzen es entfalten,
So würde Euer Bildniss unerwerblich
Sich heller als Krystall darin gestalten.
Drum, wollet Ihr in mir Euch sehen funkeln,
Entfernet, was die Strahlen kann verdunkeln.
(S. 91)
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46.
So bald die Zeit des Aufenthalts verflossen,
Heisst Sie mich grausam gleich von hinnen eilen,
Da strömen von dem Himmel Blitz und Schlossen,
Die mir gebiethen länger noch zu weilen.
Wie soll ich den Gehorsam nun zertheilen?
Der Himmel hat das Beste ausersehen;
Doch da Ihr Wille zeigt des Lebens Meilen,
Muss, was der unt're Himmel will, geschehen.
Ihr höhern Himmel könnt mein Leiden sehen,
Und da nicht ab mich Eure Stürme halten,
So stillet sie, sonst muss ich noch vergehen
Durch euch und Sie in Schiffbruchs Nothgewalten.
Es ist genug für Einen Mann zu dulden,
Was Sie herstürmet ohne mein Verschulden.
(S. 93)
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47.
Trau nicht Verrätherey'n von holden Blicken,
Bis nicht ihr listig Spiel du hast erwogen,
Sie mögen sich zu gold'nen Angeln schicken,
Wodurch dem Fisch die Lockspeis' wird entzogen.
So wird ein schwaches Herz von Ihr betrogen,
Zur Liebe wie zum Untergang verleitet;
Sie mordet es mit stolzer Brauen Bogen,
Geniesset dann mit Lust, was Sie erbeutet,
Und während Sie mit blut'gen Händen streitet,
Blickt hold Ihr Aug' und lächelt mit Vergnügen
Den Armen, denen Sie das Spiel bereitet,
Und die sich sterbend um den Schmerz betriegen.
O mächt'ger Zauber, der den Mann verblendet,
Dass er mit Schmerzen lebt, mit Freuden endet.
(S. 95)
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48.
Unschuldig Blatt, das Sie mit grimmen Händen
Erwählte als des Zornes Racheziel,
Das eh', als ich Aufklärung konnt' vollenden,
Ein Opfer dem Altar des Feuers fiel.
Dir ziemte wohl ein ehrenvoll'res Ziel
Als Feuer, das die Ketzer sonst verschlang.
Du sannst Verrath und Ketzerey nicht viel,
Du sprachst von deines Herren hartem Drang,
Den Sie, der Leiden unbekümmert, zwang
Laut auszuschrey'n die Qualen seines Herzens;
Den Sie nicht hören wollte, als er sang
Die Leidenschaft im letzten Zug des Schmerzens.
So leb', o Blatt! wenn Sie dich gleich gescholten,
Sprich Gutes, wird's mit Bösem gleich vergolten.
(S. 97)
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49.
Warum so grausam, Schönste! und so stier,
Ist's, weil den Augen Macht ward, mich zu tödten?
Dann wiss', Erbarmen ist des Mächt'gen Zier,
Nicht Morden ist das Schönste, sondern Retten;
Doch ist es Deine Lust in stolzen Wetten
Zu zeigen Deiner Augen Herrschermacht,
So lege Deine Feinde nur in Ketten,
Nicht ihn, der Böses nie von Dir gedacht.
Besieg' die Feinde in der Würgerschlacht,
Und tödt' wie Basilisken mit den Blicken.
Doch ihn, der fleht vor Deines Thrones Pracht,
Woll'st mit erbarmungsvollem Aug' beglücken:
Durch solche Huld wirst Du bewundert werden,
Und leben, so Du leben lässt auf Erden.
(S. 99)
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50.
Ich siechte lang am Körper und am Herzen,
Da kam ein grosser Arzt zu mir in Eil',
Bereit mit Mitteln wider alle Schmerzen
Zu geben meinem Leibe wieder Heil.
O Eitler! sprach ich, dir ward nicht zu Theil
Der tiefe Blick in Seelenschmerz den stillen;
Ist nicht das Herz des Körpers erster Theil,
Der all die Glieder lenkt nach seinem Willen?
Drum such' zuerst mit Stärkungen zu stillen
Die inn're Sehnsucht meiner Herzenswunde,
Dann wird dem Körper wohl; doch solche Pillen
Sind weit erhaben über Doctorskunde.
Du meines Lebens Arzt, enthüll' dein Wissen,
Dass Seel' und Leib zugleich gesunden müssen.
(S. 101)
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51.
Seh' ich es nicht selbst an den schönsten Bildern,
Sie sind geformt aus hartem Marmorstein,
Um dauernd später Nachwelt noch zu schildern
Berühmter Monumente Ehrenschein.
Soll ich denn ungeübt im Liebeshandel
Die Härte tadelnd, so zu loben mehr?
Da Nichts Vortreffliches im Erdenwandel,
Es wäre denn auch auszuführen schwer.
Nichts Schweres gibt es, das nicht möglich wär'
Zu sänftigen, und zu dem Ziel zu ziehen;
So hoff' ich, bleibt Ihr störrig Herz nicht leer,
Und wird um so beständiger dann glühen.
Die Müh' ist grösser, doch wird Sie einst mein,
Soll meine Freude auch so grösser seyn.
(S. 103)
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52.
Wenn bey'm Nachhausegeh'n von Ihr ich scheide,
Geh' ich wie Einer, der, vom Feld vertrieben,
Gefangen ward mit schwerem Herzensleide
Beraubt des Schildes, welcher wehrt den Hieben;
So bin auch ich gefangen nun geblieben,
Einsam mit Kummer und mit schwerer Pein,
Verwiesen von der Gegenwart der Lieben
Für lange Zeit zu schmachten ganz allein.
Es sollen Lustgedanken ferne seyn,
Die Trostesnahrung könnten mir gewähren,
Von aller Weltlust soll nur düstrer Schein
Und gähe Schwermuth meine Peinen nähren.
Entfernt von Ihr will ich die Strafe leiden,
Dass ihre Gegenwart mich lohn' mit Freuden.
(S. 105)
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53.
Der Panther weiss, sein buntes Fell gefällt,
Jedoch sein Blick erschrecket jedes Thier,
D'rum lauscht er, mit dem Kopf im Busch' gestellt;
Die Thiere schau'n, und er stillt seine Gier:
Gerad so grausam spielet Sie mit mir;
Denn mit dem Schein von ihrem Angesicht
Lockt Sie mich zu des Untergangs Revier,
Und zeiget mir dann Huld und Gnade nicht.
Wohl schändlich ist's, dass so ein göttlich Licht,
Geschaffen zu der Welten schönstem Schmuck',
Hervor als Lockung für die Seher bricht.
Das Gute folget nicht des Bösen Druck.
Erbarmen schmückt am meisten schöne Frau'n,
Im Schöpfer kannst Du Huld und Schönheit schau'n.
(S. 107)
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54.
Im Welttheater, wo wir Alle steh'n,
Sitzt auch mein Liebchen eitel auf dem Sitz,
Den bunten Zauberstücken zuzuseh'n,
Die vor Ihr aufführt mein verwirrter Witz.
Seh' ich die Freude nur durch einen Ritz,
Verlarv' ich mich sogleich als Komödie,
Und folgt auf Freude nun des Kummers Blitz,
So wein' und klag' ich dann als Tragödie.
Mit unverwandtem Auge schauet Sie,
Nichts fühlend von der Lust und Nichts vom Schmerz'.
Sie lacht mich aus, so bald ich lach' - und sieh!
So bald ich weine, stählet Sie ihr Herz.
Was kann Sie rühren, wenn nicht Lust noch Pein?
Sie ist kein Weib, gefühllos nur ein Stein.
(S. 109)
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55.
Wer da betrachtet Ihrer Schönheit Art,
Und Ihre Grausamkeit damit vergleicht,
Verwundert sich, woraus geformt Sie ward
So schön, und doch zugleich so unerweicht.
Aus Erde nicht, Ihr Sinn zum Himmel reicht;
Aus Wasser nicht, Sie brennt mit Gluth der Liebe;
Aus Lufthauch nicht, Sie ist nicht gar so leicht;
Aus Feuer nicht, Sie macht zu Eis die Triebe.
Was ist das Element, das übrig bliebe
Zu Ihrer Schöpfung, als des Himmels Glanz?
Die stolzen Blicke sind des Himmels Diebe,
Und Ihre Liebe ist unsterblich ganz.
Kann man dem Himmel billig Dich vergleichen,
Sollst Du Dich auch wie er mit Huld erweichen.
(S. 111)
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56.
Schön bist du, ja! - doch grausam, nie gerührt;
Gleich einem Tiger, der mit grimmer Gier
Nach Blute jagt, wenn er durch Zufall spürt
Ein schwaches gleich von ihm gewürgtes Thier.
Schön bist du, ja! doch blickst du wild und stier
Gleich einem Sturm, der Alles niederstaubt,
Der einen Baum im einsamen Revier
So lange schlägt, bis er ihn ganz entlaubt.
Schön bist du, ja! jedoch ein starres Haupt,
Gleich einem Felsen in der wilden Fluth,
An dem ein Schiff, der Hülfe ganz beraubt,
Zu Grunde geht mit Kiel und Mann und Gut.
Das Thier, der Baum, das Schiff bin, Aermster! ich,
Erwürgt, entlaubt, zertrümmert jämmerlich.
(S. 113)
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57.
O süsse Kriegerinn! wann gibst Du Frieden?
Es ist die höchste Zeit den Krieg zu flieh'n,
Er fallet längst zu schwer dem Kämpfensmüden,
Er unterlieget Deinen Batterie'n.
So schwach bin ich, so heiss die Wunden glüh'n,
Dass ich noch lebe, ist ein Wunder bloss,
Wenn man durch's Herz die Pfeile schauet zieh'n,
Die auf mich Elenden Dein Auge schoss.
Doch immerfort noch rasselt Dein Geschoss,
Und suchet Ruhm in solcher Grausamkeit.
O Grausame! fürwahr ein schönes Loos
Zu morden den, der lebend sich Dir weiht,
Du wollest desshalb Gnade mir ertheilen,
Und alsbald werden meine Wunden heilen.
(S. 115)
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58.
Schwach ist Versich'rung, die auf eig'ne Kraft sich lehnet,
Und ohne fremde Hülf' empor sich selber rafft,
Die fällt am ersten, die am sichersten sich wähnet,
Die Warnungen vor der Gefahr der Lügen straft.
Gebrechlich ist das Fleisch, unsicher ist die Kraft,
Gleich eitlen Blasen, aufgehauchet von den Winden.
Wie Manche fiel durch Zeit, ein Raub der Leidenschaft,
So dass ihr Stolz sich nimmer kann zu rechte finden.
So schön, so stark, so weis' ist keine aufzufinden,
Die dort nicht fehlte, wo sie selber sich vertraut.
Es fällt, wer sich empor zum Höchsten wollte winden,
Am tiefsten; denn auf Erden ist nichts fest gebaut.
O stolze Schöne, d'rum wie kannst so weit Du fehlen,
Dass auf die eig'ne Kraft Du sicher glaubst zu zählen?
(S. 117)
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59.
Dreymal beglückt, die solche Sicherheit
Als Nahrung des Gemüths hat eingesogen,
Dass Sie nicht fürchtet schlimm're Wirklichkeit,
Dass Sie vom Besseren nicht wird verzogen,
Dass wie ein stätig Schiff Sie durch die Wogen
Verfolget stark den Lauf gerade fort,
Vom Reitz des schönen Wetters nicht betrogen,
Durch Stürme nicht verschlagen von dem Port.
Es trotzet solche Sicherheit dem Hort
Des Feind's, und suchet nicht des Freundes Gunst;
Sie stehet fest am selbsterwählten Ort,
Auf keine Seite hingeneigt durch Kunst.
O glücklich Sie, die nichts der Ruh vergibt,
Der Glücklichste, den Sie am besten liebt.
(S. 119)
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60.
Die in der Sternenkunde unterweisen,
Bestimmen den Planeten ihre Zeit,
In der sie durch der Sphären Bahnen reisen;
So reiset Mars bey sechzig Jahren weit.
Seit ich dem Stern' der Liebe mich geweiht,
Ist schon in vollem Lauf' ein Jahr vollendet,
Und dieses scheinet länger mir bey weit,
Als vierzig Jahre, die ich schon verschwendet;
Denn nach der Rechnung Liebender vollendet
Gott Amor seine Bahn in vierzig Jahren,
Und diese hab' ich seufzend so verschwendet,
Dass länger sie durch lange Leiden waren.
Mein Stern der Liebe soll die Bahn mir kürzen
Diess Jahr, wenn nicht, mich in die Grube stürzen.
(S. 121)
_____



61.
O wag' es nicht, des Schöpfers schönstes Ebenbild
Des Himmels Ideal, erhöht auf Regenbogen,
O wag' es nicht, Sie anzuklagen, die so mild,
Als hätte Sie aus Stolz dich um dein Glück betrogen.
Denn da der Gottheit Hauch und Wunder um sie wogen,
Da Ihr, als Sie geboren ward, die Engel lachten,
Und da Sie mit der Schaar der Heil'gen ward erzogen,
Die in die Wette Ihr die schönsten Gaben brachten;
Der Freude Knospe Sie, die Flor der Frühlingstrachten,
Der Strahl, vor dem sich alle Augen niederschlagen;
Wie sollte Sie denn nicht die Niederen verachten,
Die allzu kühn mit Liebe aufzublicken wagen.
Des Himmels Formen sollten angebethet werden,
Doch nicht geliebt von einem Sterblichen auf Erden.
(S. 123)
_____



62.
Das müde Jahr hat sich zum Ende schon geneiget,
Den vorgeschrieb'nen Lauf fängt nun das neue an;
Es hat mit schönem milden Morgen sich gezeiget,
Verheissend Friedensglück und Ueberfluss fortan.
So lass auch uns, die wir den Wetterwechsel sah'n,
Das Leben und den Sinn zu ändern uns bemühen.
Lass sühnen uns, was wir im vorigen gethan,
Lass uns die Fehler, die missfallen mussten, fliehen!
Dann soll das neue Jahr mit frischer Lust erglühen,
Und in die dunkle Welt den Strahl der Freude senden.
Die Stürme, so der Schönheit Stirne noch umziehen,
Sie sollen bald in stillem heit'ren Wetter enden.
So sollst, o Liebe! du den schweren Geist erheben,
Des alten Jahres Gram mit neuer Lust verweben!
(S. 125)
_____



63.
Nach langem Sturm' und grausen Ungewittern,
Die ich so schwer bishero hab' ertragen,
In Todesangst, in der Gefahren Zittern,
Womit mein schwacher Nachen ward geschlagen,
Seh' ich zuletzt hervor das Ufer ragen,
Wohin ich mich bald hoffe zu begeben;
Es scheinet schöner Grund voll Güterwagen,
Voll Kostbarkeiten hoch geschätzt im Leben.
O glücklich der, dem es empor zu schweben
Zu solcher süssen Himmelsruhe glückte,
Von der ein Bisschen nur genügt zu heben
Erinnerung des Kummers, die ihn drückte.
Die Peinen sind hiemit nicht zu vergleichen,
Die Leiden kurz, so ew'ge Lust erreichen.
(S. 127)
_____



64.
Ich fand beym ersten Kuss so viele Süssigkeiten,
Dass ich in einem duft'gen Hain' mich musste glauben,
Von Blumen aller Art, die Wohlgerüche streuten,
Dieselben auszugiessen über Liebeslauben.
Von Ihren Lippen kann ich Sommerblumen rauben,
Die Rosen sind's, die Ihren Wangenflor umziehen,
Die Brauen düften, wie Schönliebchens Blüthenhauben,
Die Augen sind zwey Nelken, welche hell entglühen,
Wer Erdbeer' sucht, mag zu dem Busen sich bemühen,
Ihr Nacken ist ein Strauss von weissen Cullambinen,
Auf ihrer Brust die Lilien unentknospet blühen,
Woraus sich schwellend hebt ein zartes Paar Jasminen.
Es füllet solcher Blumen Wohlgeruch die Luft,
Doch alle übertrifft Ihr eig'ner süsser Duft.
(S. 129)
_____



65.
Der Zweifel, den Du Liebchen hegst, ist nicht gegründet;
Du fürchtest, dass hinfüro Du nicht seyest frey,
Da sich statt Einer Freyheit Doppelfreyheit findet,
Da Du Ihn bändigst, der vor Ketten hatte Scheu.
Süss sind die Bande, welche knüpfet Lieb' und Treu',
Entfernt von allem Zwang und alles Uebels Schrecken,
Der holde Vogel fühlt nicht seine Sclaverey
Im Käficht, sondern singt gefüttert voll mit Wecken,
Es nahet sich kein Stolz, und keines Zwistes Necken
Bedroht das Bündniss, so die Liebe hat gebunden.
Die Wahrheit und Ein Wille zu den besten Zwecken
Bemüh'n sich um die Heilung gegenseit'ger Wunden.
Die Treue wohnet furchtlos in dem ehrnen Thurme,
Der Freuden Laube blüht, zerwühlt von keinem Sturme.
(S. 131)
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66.
Zu allem Segen, den in diesem Leben
Die Himmel Dir mit vollen Händen reichen,
Ward dieses Missgeschick allein gegeben,
Dass ein Geringer konnte Dich erweichen:
Du, deren hohe Worte ohn' Vergleichen
Auf Erden Keinen konnten würdig wähnen,
Und Keinen würdig in des Himmels Reichen,
Wie konntest Du nach nied'rem Stand Dich sehnen?
Doch wirst Du Dich auf grössern Ruhm nun lehnen,
Als wenn mit Fürsten Du Dich wolltest einen,
Es wird Dein Licht nur um so mehr sich dehnen,
In meiner Finsterniss nur um so grösser scheinen.
Und da Du mir einmahl Dein Licht gewähret,
Wird durch den Wiederschein es nur vermehret.
(S. 133)
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67.
Gleich einem Jäger, dem nach langem Treiben
Das vielgesuchte Wild doch ist entflogen,
Wenn er sich setzt im Schatten zu verbleiben,
Mit Hunden lechzend um die Beut' betrogen;
So, als nach langer Müh', umsonst gepflogen,
Ich müde schon dem Jagen mich entwand,
Kam selbst mein holdes Reh den Weg gezogen,
Zu löschen seinen Durst am nächsten Strand,
Da ich Sie nun viel milder blickend fand,
Da Sie nicht floh, da furchtlos Sie geblieben,
Bis ich mit Zittern Sie genommen in die Hand,
Sie fest geknüpft nach eigenem Belieben;
Schien's sonderbar, dass so ein scheues Wild
Sich gern ergab mit eig'nem Willen mild.
(S. 135)
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68.
O Herr des Lebens! der in diesen Tagen
Besieget hast der Sünde und des Todes Zinnen,
Der Du der Hölle grause Macht geschlagen,
Um uns die ew'ge Freyheit zu gewinnen;
Lass diesen Tag mit Freuden uns beginnen,
Verleih, dass wir, für die Du wolltest sterben,
Der Sünde durch dein theures Blut entrinnen;
Dass wir das Glück des ew'gen Lebens erben,
Dass Deine Liebe würdig wir erwerben,
Und Dir dafür dann weihen unsre Liebe.
Da Du für uns ertrugst den Tod, den herben,
Lass heil'gen uns die gegenseit'gen Triebe.
So lass uns lieben, Liebste! wie wir sollen,
Denn Lieb' ist's, was der Herr uns lehren wollen.
(S. 137)
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69.
Es pflegten Helden von der alten Welt
Trophäen aufzubau'n nach Herrscherweise,
Die sie zum Maal' der Nachwelt aufgestellt
Als grosser Thaten glänzende Beweise.
Wer ist's, der würdige Trophä'n mir weise
Zum Angedenken, dass ich Ihr geweiht
Als Beute mich zu Ihrer Schönheit Preise,
Geschmückt mit Ehre, Lieb' und Reinigkeit?
Selbst dieser Vers soll für die Ewigkeit
Da steh'n als ein unsterblich Monument,
Da Ihren Ruhm der spät'sten Folgezeit
Zu der Bewunderung der Welt bekennt.
Der glücklichste Erwerb von Ruhmes Beute,
Für die ich weder Müh' noch Arbeit scheute.
(S. 139)
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70.
O frischer Frühling, Herold von dem Herrn der Liebe!
In dessen reichem Waffenkleide herrlich prangen
Die Blumen, die entspriessen nun von frischem Triebe,
Mit schönen Farben auf das stattlichste behangen.
Geh' zu dem Liebchen, wo sie weilet ohn' Verlangen,
Noch nicht erwachen will von langer Winterrast,
Sag' Ihr, man sucht umsonst die frohe Zeit zu fangen,
Es sey denn, dass man sie beym Stirnenhaare fasst.
Sag' Ihr daher, dass Sie sich fertig mach' in Hast,
In lieblicher Gesellschaft Amorn aufzuwarten,
Weil dessen, der umsonst von ihm sich rufen lasst,
Mit vollem Recht die schwersten Strafgesetze warten.
Süss Liebchen! eil' so lange währt des Frühlings Glück,
Denn Keiner rufet mehr vergang'ne Zeit zurück.
(S. 141)
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71.
Wenn ich Dich selbst als Biene sticken seh',
Will es mir wirklich überaus gefallen,
Indessen ich als Spinne lauernd steh',
Ganz unversehens sie zu überfallen.
So recht! so fielest Du, wie List'ge fallen
In's Netz des Freund's, der Dich zur Liebe zwang;
Du musst forthin in seinen Banden wallen,
So fest, dass nichts mehr löset diesen Zwang.
Allein ich seh' der Stickerey entlang
Nur Blumenhag und süsse wilde Rosen;
So süss sey Dir auch Deines Kerkers Drang,
Mit Liebesspiel bedeckt und holdem Kosen;
Dass also künftig zwischen Spinn' und Biene
Ununterbrochen stets der Frieden grüne.
(S. 143)
_____



72.
Oft wenn mein Geist entspreitet kühne Schwingen,
Sich zu erheben zu des Himmels Glück,
Will Irdisches ihn gleich herunter bringen,
Beladen mit der Sterblichkeit Geschick.
Doch späh't die höchste Schönheit nun sein Blick,
Von lichter Himmelsglorie umgeben,
So fliegt er wieder angelockt zurück,
Den letzten Flug gesonnen aufzugeben;
Da will die Fantasie in Wonne schweben,
In Segen baden, und in Ruhe wallen.
Da denket sie kein and'res himmlisch Leben,
Als ihrem Herzenswunsche zu gefallen.
Es wünschet sich das Herz als grösstes Glück
Auf Erden hier solch himmlisches Geschick.
(S. 145)
_____



73.
Mein Herz von tiefem Kummer hier bezwungen
Wird nicht gefesselt durch ein knechtisch Band;
Von Deinem schönen Haare nur umschlungen,
Entfliehet es die Stadt zu Dir auf's Land.
Ein Vogel, der in einer lieben Hand
Das Futter späh't, will hin sogleich nun fliegen;
So will mein Herz, das einst Dein Auge fand,
Sich abermahl in Deinen Blicken wiegen.
O lass es Dir sich an den Busen schmiegen,
O lock' es mild, dass es Dein Sclave sey;
Es lernt vielleicht mit seltenem Vergnügen
Zu singen Deines Nahmens Ehrenweih';
Dass es hinfüro Dich nicht soll gereuen,
Wenn Du den Busen ihm zum Nest' willst leihen.
(S. 147)
_____



74.
Beglückte Züge, die durch selt'ne Wissens Macht
Zuerst den Segensnahmen aufgezeichnet haben,
Die zu dreymahlen dreymahl glücklich mich gemacht,
Durch Körper-Glücks- und durch die schönsten Seelengaben.
Die Mutter war die Erste, mich mit Huld zu laben,
Als ihrem Schooss' ich mich entwand mit reinem Sinn'.
Die Zweyte ist die Majestät der Königinn,
Die huldreich Ehrenglanz und Güterschatz mir gaben.
Die Dritte, meine Liebste, meines Lebens Schmuck,
Wodurch mein Geist vom Staube ward erhoben.
Die ist durch Huldigung, und die durch Händedruck
Vor Allen Anderen zu preisen und zu loben.
Ihr drey Elisabethen sollt für immer leben,
Die mir drey solche grosse Gnaden habt gegeben.
(S. 149)
_____



75.
Ich schrieb einst Ihren Nahmen an den Strand,
Da ward er weggeschwemmet von den Wogen,
Ich schrieb ihn wieder mit der zweyten Hand,
Doch durch die Fluth ward meine Müh' betrogen.
O Eitler! sprach Sie, bist umsonst bewogen
Dem Sterblichen Unsterblichkeit zu geben,
Ich fühl mich zur Vergänglichket gezogen,
Mein Nahme soll auf kurze Zeit nur leben.
Nicht so, sprach ich, nur Nied'rem ist's gegeben,
Im Staub zu sterben, Du sollst ewig bleiben!
Mein Lied soll Deine Tugenden erheben,
Und in den Himmel Deinen Nahmen schreiben,
Dass, wenn der Tod die ganze Welt bezwungen,
Lebendig uns're Liebe sey gesungen.
(S. 151)
_____



76.
O schöner Busen, reich an Tugend aller Arten,
Das Nest der Liebe und die Wohnung der Vergnügen,
Des Segens Laube und der Himmelsfreuden Garten,
Der Hafen, wo des Himmels Silberflotten liegen.
Wie musste nicht Dein schöner Anblick mich besiegen,
Als die Gedanken rings sich allzu schnell zerstreuten,
Indess sie tief versenkt in den verliebten Flügen
Den süssen Raub der Schönheit suchten zu erbeuten;
Als sie (wie süsse Erstlingsfrüchte, die bey Zeiten
Des Sommers Ernte hat gereifet für den Gast)
Sich glücklich fühlten, ihre Schwingen auszubreiten,
Und an dem schönen Ort zu halten kühne Rast.
Gedanken - o! wie sehr ich euch darum neide! -
Wie oft ich's wünschte, ward mir niemahls diese Freude.
(S. 153)
_____



77.
War es ein Traum, sah ich mit wachen Augen
Den schönen Tisch von reinem Elfenbein
Mit Leckerbissen, die zu reitzen taugen
Den grössten Herrn in königlichem Schein'.
Da war ein gold'ner Teller, und darein
Zwey gold'ne Aepfel von dem höchsten Werth',
Mehr werth, als die aus des Herakles Schrein',
Und der, so Atalanten ward beschert;
Sehr süss, jedoch vom Sündenreitz geleert,
Worauf umsonst so manche Lecker harrten,
Der Wollust Frucht, die Eden mir gewährt,
Gepflanzet von der Lieb' in ihrem Garten.
Der Busen war der Tisch, gedeckt zum Feste,
Wo die Gedanken weideten als Gäste.
(S. 155)
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78.
Allein geh' ich von einem Ort zum andern,
Gleich einem Hirsch', getrennet von der Hindinn,
Sieht man mich rastlos zu der Stelle wandern,
Wo ich Sie sah, die nie mir wird entschwinden.
Ich such' des Fusses Maal auf Ackergründen,
Dann zu der Laube, wo Sie sass, ich flüchte;
In Feld und Lauben kann ich Sie nicht finden,
In Feld und Lauben bleibt Sie im Gesichte;
Doch wenn ich meine Augen darauf richte,
Seh' ich dieselben leer zurücke flieh'n,
Und hoff ich dann zu schau'n mehr als Gedichte,
So nähr' ich mich mit leeren Fantasien.
So höret Augen auf Ihr nachzugehen;
Lasst die Gedanken Sie in mir besehen!
(S. 157)
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79.
Man heisst Dich schön, Du magst es gerne glauben,
Weil Du diess täglich selber magst erproben.
Als wahre Schönheit ist Verstand und Glauben,
Ein tugendhaft Gemüth weit mehr zu loben.
Das Uebrige, wie sehr es wird erhoben,
Wird endlich Nichts, verlieret seinen Schein;
Nur was da frey, des Untergangs enthoben,
Was nicht verdirbt, wie irdisches Gebein,
Das ist die wahre Schönheit klar und rein,
Die göttliche vom ew'gen Himmelssamen,
Vom ew'gen Geist, aus dessen Schönheitsweih'n
Die Elemente aller Schönheit kamen.
Nur er ist schön, und was er schön geschaffen,
Die and're Schönheit wird die Zeit entraffen.
(S. 159)
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80.
Nach gar so langer Bahn, die ich gelaufen
Durch's Feenland, das die sechs Bücher fassen,
Wollst Du mich jetzt ein wenig nur verschnaufen,
Und noch einmahl zu Athem kommen lassen:
Dass ich, erfrischt nach durchgerannten Gassen,
Nun neuerdings durchbrechen will die Schranken,
Mich wagen an des zweyten Werkes Massen
Mit starkem Muth und ernstlichem Gedanken.
Bis dann erlaube mir ein fröhlich Schwanken,
Dass ich des Liebchens süssen Preis mag singen.
Durch die Betrachtung Ihrer Himmelsranken
Wird sich mein Geist zum höchsten Ziele schwingen.
Ihr Preis sey unbeträchtlicher Gewinn,
Die Zofe nur der Feenköniginn.
(S. 161)
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81.
Schön ist mein Lieb, wenn gold'ne Haare hangen,
Im losen Winde flatternd leicht und dicht,
Schön, wenn die Rose strahlt auf Ihren Wangen,
Aus Ihrem Aug' der Liebe Funke bricht;
Schön, wenn die Brust, ein köstliches Gericht,
Die Augen zu dem süssen Mahle leitet;
Schön, wenn der Stolz, verfinsternd Ihr Gesicht,
Besiegt dem Lächeln nicht mehr widerstreitet;
Am schönsten aber, wenn sie frey ausbreitet
Den Schatz der Perlen und Rubinenschranken,
Wodurch die Rede mild und weise gleitet
Als Bothinn liebenswürdiger Gedanken.
Das Uebrige ist Wunder der Natur,
Diess ist das Wunderwerk des Herzens nur.
(S. 163)
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82.
O meines Lebens Lust! welch selt'nes Glück
Ist das, womit mein Loos mich hat bedenket;
Doch um so mehr bedaur' ich Dein Geschick,
Das zu so nied'rer Liebe sich gesenket:
Denn hätten Götter Dir die Kraft geschenket
Zu dichten, hättest Du wohl selbst erfunden
Ein himmlisches Gedicht, dass ewig denket
Die Welt des Nahmens, reich in Gold gebunden.
Doch weil der Huld Du würdig mich erfunden,
Mich Sclaven, der im Grunde wenig werth,
So seyen Dir geweihet alle meine Stunden,
Zu preisen Deinen unnennbaren Werth.
Der Stoff wird in den Aether mich erheben,
Und Dir der Hauch noch höh'res Leben geben.
(S. 165)
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83.
Lass keinen Funken von unedeln Gluthen
Ausbrechen, der den heil'gen Frieden raube;
Kein Blick soll nied're Sinnenlust vermuthen,
Wodurch Ihr schwände hoher Reinheit Glaube.
Nur reiner treuer Sinn der Turteltaube,
Bescheid'ne Mässigung in allen Stücken
Besuche Sie in ihrer Keuschheit Laube,
Begleitet nur von himmlischem Entzücken.
Da weide dich an Ihren Wonneblicken,
Die ich für mich nie konnte noch erhalten,
Sprich keine Worte, welche niederdrücken,
Und Ihr den Sinn verwehren zu entfalten.
Betracht' die Herrlichkeiten ohne Zahl,
Und segne deines Glückes schöne Wahl.
(S. 167)
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84.
Die Welt, die nie sich Irdischem entschwinget,
Sagt, wenn ich Sie besing': ich schmeichle Ihr.
So fängt der Guckguck, wenn die Drossel singet,
Sein leeres Schwätzen an im Waldrevier';
Die nicht versteh'n des Himmels Elixir,
Sie können nur bewundern und beneiden;
Statt Neides zollet nur Bewund'rung hier,
Gedenkt nicht Ihr Verdienst zu unterscheiden.
Im Innersten von meinen Eingeweiden
Ist eingeätzt Ihr Werth mit gold'nem Kiel',
Der mich entflammt zur Wuth durch Himmelsfreuden,
Und fort mich reisst zu Ihres Lobes Ziel'.
Verkündet es der Ruf, so sey der Welt
Bewund'rung oder Neid dann frey gestellt.
(S. 169)
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85.
O gift'ge Zunge, voll von Natterngift,
Vom selben, das die Furien nur tragen
Auf ihrem Haupt', woraus beständig trieft
Der Quell des Giftes und der Schmähesagen.
Lass alle Peinen und der Hölle Plagen
Auf deinen Nacken fallen dir zu gut,
Für Lügen, die es dir gefiel zu sagen,
Um anzufachen Ihres Zornes Gluth.
Die Flammen sollen fallen in dein Blut,
Und Bösewicht! dich fassen bey dem Kragen,
Sie sollen dich verzehren, der mein Gut,
Das süsse, mir zu rauben konnte wagen.
Nur Schande sey dein Loos und Missgeschick,
Was du mir zugedacht, sey dein Geschick.
(S. 171)
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86.
Seit dem ich meines Liebchens Blick geflohen,
Ertrug ich lange Tage voll von Sorgen,
Und manche Nächte, die ganz langsam zohen,
Ausharrend lang vom Abend bis zum Morgen.
Beginnt der Tag den Glanz sich auszuborgen,
Wünsch' ich, es möge Nacht den Tag bald enden,
Und wenn die Sonne sich in's Meer verborgen,
So wünsch' ich nur, sie möge sich bald wenden.
Ich will erwartungsvoll die Zeit verschwenden,
Und meinen Gram mit Wechsel nur betriegen,
Denn nimmer will er seinen Lauf vollenden,
In Augenblicken seh' ich Jahre liegen.
Zu lang, zu lange dauern stets die Leiden,
Zu schnell, zu schnell entfliehen stets die Freuden.
(S. 173)
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87.
Seit dem, als ich entbehr' des Lichtes Macht,
Das sonst gewohnt war, meinen Sinn zu leiten,
Ergeh' ich irrend mich in finst'rer Nacht,
Erschreckt von kleinlichen Gefährlichkeiten.
Ich sehe in des Tages hellsten Zeiten,
Wenn Andere beschauen ihren Schatten,
Das Bild des reinsten Strahls der Seligkeiten,
Wovon ein Schein in meinem Aug' dem matten.
Der Sinn will sich dem Ideale gatten
Nur durch Betrachtungen der reinsten Triebe;
Ich nähre mich vom Licht' auf hellen Matten,
Und stille so des Herzens Durst nach Liebe.
Doch während ich mich nähr' von solchem Schimmer,
Verdurst' ich, und erblind' ich im Geflimmer.
(S. 175)
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88.
Gleich einem Tauber, der auf nackten Zweigen
Die Trennung von der Freundinn laut beweint,
Und sie nur ruft durch seiner Töne Reigen,
Nur sie, die immer noch zu zögern scheint.
So bin auch ich, allein und ohne Freund,
Beklagend, dass vom Liebchen ich getrennet.
Ich wand're hin und her vom Schmerz versteint,
Und stets der Klaggesang mein Täubchen nennet.
Kein Freudenfeuer, das auf Erden brennet,
Kann trösten mich; denn diess vermag nur Sie.
Sie, deren Schönheit Gott und Mensch bekennet,
Durch Sie geweckt zu reiner Harmonie.
Nacht ist's, wenn mir Ihr Licht nicht ist bescheret,
Mein Leben todt, das solches Glück entbehret.
(S. 177)
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Übersetzt von Joseph von Hammer-Purgstall (1774-1856)

Aus: Spenser's Sonnetten
übersetzt durch Joseph von Hammer
Wien Gedruckt in der Degenschen Buchdruckerey 1814
[Englisch und Deutsch]

 

Literaturhinweis:

Eine neue Übersetzung der Sonette von Edmund Spenser:
Edmund Spenser Die Lilienhand Alle Sonette
Deutsch von Alexander Nitzberg
Jung und Jung Salzburg und Wien 2008 [Englisch und Deutsch]

 

 


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