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Edmund Waller (1606-1687)
englischer Dichter
Der Selbstverbannte
Nicht weil mein Lieben kleiner jetzt,
Als da ich lag zu Füssen dir,
Bleib' ich hinweg; nur Schranken setzt
Es hoffnungslose Liebe mir.
Doch ach! umsonst! aus allen Dingen,
Die ich an dir erkannt, gefunden,
Will stets mein Sinn dein Bild mir bringen;
Dann bluten frisch die alten Wunden.
Wen aus dem Blick der jungen Sonne
Des Frühlings traf ein Fieberbrand,
Der flieht umsonst der Strahlen Wonne,
Die Phöbus in sein Blut gesandt.
Zu spät will er die Qualen lindern
Und in des Dickicht's Schatten fliehn,
Nichts mehr kann seine Gluthen mindern,
Die ihm das wirre Blut durchziehn.
Allein ich schwur's, und nicht mehr trachtet
Dein so verbannter Sclave hier
Dir nach, weil sonst dein Herz verachtet,
Was ich der Liebe schwur und dir.
(S. 142)
Übersetzt von Alexander Büchner (1827-1904)
Aus: England und Amerika Fünf Bücher englischer
und amerikanischer Gedichte
von den Anfängen bis auf die Gegenwart
In deutschen Übersetzungen
Chronologisch geordnet mit litterarhistorisch-kritischen
Notizen und einer Einleitung
von Julius Hart
Minden i. W. J. C. C. Brun's Verlag 1885
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Lied
Geh', Rose, geschwinde,
Sag' ihr, die ihre Zeit und mich
Preisgibt dem Winde,
Mich, den sie kennt, sag' ihr, daß ich
So süß, so schön wie dich sie finde.
Geh', sage der Jungen,
Die ihre Schönheit so begräbt,
Daß, wärst du entsprungen
In Wüstenein, wo Niemand lebt,
Du hingewelkt wärst unbesungen.
Nur wenig frommen
Die Reize fern vom lichten Tag;
Sag' ihr, sie soll kommen:
Sie mag sich huld'gen lassen, mag
Bewundert sehn sich, unbeklommen.
Dann stirb, zu zeigen
Ihr aller Schönheit gleich Geschick,
An deinem Erbleichen,
Und wie ihr Ziel im Augenblick
Die Wunderlieblichsten erreichen.
(S. 209-211)
Übersetzt von Otto Leonhard Heubner (1812-1893)
Aus: Englische Dichter Eine Auswahl englischer Dichtungen
mit deutscher Übersetzung
von O. L. H ...r [Otto Leonhard Heubner]
Leipzig Verlag von Georg Wigand 1856
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An ein sehr junges Mädchen
Was mußt' ich so zur Unzeit kommen
In eine Welt, die, deiner bar,
Uns nicht gedieh zu ächtem Frommen,
Und nur ein Schattenglück gebar?
Was bin ich Der so fern geblieben,
Die ich geboren war, zu lieben?
Doch, schönstes Blümchen, nicht verachte
Die Jahre, die du bald wirst sehn;
Das Licht, das ros'gen Morgen brachte,
Es strahlt am Mittag doppelt schön:
Und dann, wie wirst du dann berücken,
Wenn so die Dämmrungen entzücken!
Die Hoffnung dient dem Lenzesschimmer;
Und wenn auch nicht so lachend schön
Der Sommer ist, so ist er immer
Noch kein Versinken, kein Vergehn:
Er kommt, um uns mit vollen Händen
Das, was der Lenz versprach, zu spenden.
(S. 211)
Übersetzt von Otto Leonhard Heubner (1812-1893)
Aus: Englische Dichter Eine Auswahl englischer Dichtungen
mit deutscher Übersetzung
von O. L. H ...r [Otto Leonhard Heubner]
Leipzig Verlag von Georg Wigand 1856
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Auf einen Gürtel
Froh schling' ich um die Stirn herum,
Was ihren schlanken Leib umschlungen;
Kein Fürst, er gäb' die Krone drum,
Würd' ihm, was dies errang, errungen.
Dies, meines höchsten Himmels Ring,
Der Hort von meiner süßen Lieben,
Der Gürtel, der mein All umfing,
Mein Jubeln, Weinen, Hoffen, Lieben,
Ein kleiner Kreis, und doch bewegt
Sich alles Gut drin, alle Wonne;
O, gebt mir, was dies Band gehegt,
Nehmt alles Andre unter der Sonne.
(S. 211-213)
Übersetzt von Otto Leonhard Heubner (1812-1893)
Aus: Englische Dichter Eine Auswahl englischer Dichtungen
mit deutscher Übersetzung
von O. L. H ...r [Otto Leonhard Heubner]
Leipzig Verlag von Georg Wigand 1856
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