Andrew Erskine (1740-1793)
schottischer Dichter
Das einsame Thal
Wie süß ist dies einsame Thal und wie singet
Die Nachtigall lieblich ihr heiliges Lied!
Hier fliehen die Schmerzen, die Seele durchdringet
Heiterkeit wieder, ob bald sie auch flieht.
Sein gelb Licht der Mond auf den stillen See gießet,
Marie, ach! im Grabe nicht fern ruht von hier!
Da schwellt mir das Herz und die Thräne entfließet,
Und die Anmuth des Thales zur Nacht wird vor mir.
Wie süß ist dies einsame Thal! Wo so reiche
Schönheit entfaltet wohl noch die Natur?
Der niedrige Busch und die thurmhohe Eiche
Mit grünem Schmuck prangen in grünender Flur.
O hier ist der Ort - O der Trauergedanken!
Es weilet nicht länger in ihm noch Marie.
Wie liebte so wahr sie mich, so ohne Wanken!
So lang' ich kann denken, vergess' ich sie nie.
Wie süß ist dies einsame Thal, wo den Schmerzen
Mein volles Herz unbemerkt läßt freie Statt.
Dann trag' ich mein Leid mit erleichtertem Herzen,
Wenn in dichter Laub' ich geweinet mich satt.
Marie! nichts stört deinen einsamen Schlummer,
Die Unruh des Lebens macht Sorge nicht dir.
Seit um dich ich klage in Thränen und Kummer
Scheint freudlose Wildniß das Leben nur mir.
übersetzt von Eduard Fiedler (1817-1850)
Aus: Geschichte der volksthümlichen schottischen
Lieder-Dichtung von Eduard Fiedler
Zweite Ausgabe Erster und zweiter Band
Leipzig 1858 Verlag von Wilhelm Violet (Band 2 S. 23)
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