Europäische Liebeslyrik

(in deutscher Übersetzung)

Edward Charles Halle (1846-1914) - Die Musik

 


Jose de Espronceda (1808-1842)
spanischer Dichter




An einen Stern

Wer bist du, rätselvoller Stern, der immer
So trüben Schein vor tausend Sternen trägt,
Daß mir bei deinem ungewissen Schimmer
Beklommen stets das Herz im Busen schlägt?

Ein dämmernd Rückerinnern wohl voll Trauer
An deines Urlichts längst erloschne Pracht,
Da du, getäuscht wie ich, des Glückes Dauer,
Des nun verlornen, ewig noch gedacht.

Vielleicht hat einst mit goldner Träume Sonnen
Die Hoffnung deiner Jugend Pfad erhellt,
Und mit des Friedens, mit der Liebe Wonnen
Dein erstes Licht erfüllt die Erdenwelt.

Und als die Lieb' auf heiligem Gefilde
Zum erstenmal bezwang die Menschenbrust,
Da strahltest du, o Stern, voll Zaubermilde,
Ein trauter Freund des Schweigens und der Lust.

Dein war das Licht, das einst mit holdem Prangen
Sich über Edens Rosenflur ergoß
Und in der Brust dies glühende Verlangen
Nach ewiger, endloser Lieb' erschloß.

Doch ach, wie bald ist dir die Freud' entschwunden,
In Leid und Weh verkehrte sich dein Glück,
Von düsterm Flor ist nun dein Glanz umwunden,
Und nur Erinnrung noch blieb dir zurück!

Voll Schwermut nun seh' ich dich niederschauen,
Doch ist dein Blick für mich ein Pfeil der Qual,
Magst du auch Liebe noch ins Herz mir tauen,
Ist's eine Lieb', ach, ohne Hoffnungsstrahl!

Übersetzt von Otto Braun (1824-1900)

Aus: Aus allerlei Tonarten
von Otto Braun
Zweite vermehrte Auflage
Stuttgart 1898
Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung Nachfolge (S. 18-19)
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Der Fischer

Komm, holdes Fischermädchen,
Komm ans Gestad hernieder
Und höre meine Lieder
Der Liebe freundlich an;
Dein Fischer sitzt im Nachen
Und singt dir seine Schmerzen,
Er liebt dich so von Herzen,
Daß kaum er's sagen kann.

Die Nacht umhüllt den Himmel,
Der Wind ist fortgeflogen,
Auch hat das Meer die Wogen
Zur Ruhe schon gebracht;
Komm, Liebe, Süße, Holde,
Und lindre meine Qualen,
Vor deiner Anmut Strahlen
Wird weichen bald die Nacht.

Zu zweien nur, geschieden
Vom lauten Fischerschwarme,
Will ich in deinem Arme
Mich, Liebchen, dein erfreun;
Und will von deinen Lippen,
Die Nelken gleich und Rosen,
Den süßen Honig kosen,
Den sie mir duftend streun.

Dann fahren wir selbander
Ins Meer hinaus und singen
Zum Klang der Windesschwingen,
Allein von Gott gesehn;
Ich locke bunter Fischlein
Soviel du magst verlangen,
Die thöricht, reizbefangen
Dir all zu Netze gehn.

Aus Muscheln und Korallen
Werd' ich ein Kränzlein binden
Und dir das helle winden
Ins dunkle Lockenhaar,
Und unter tausend Schwüren
Gelobend ew'ge Treue,
Bring' ich dir, Lieb, aufs neue
Mein Herz zum Pfande dar.

Ob wild der Sturm auch wüte
Und hoch die Wellen fliegen,
Wird doch ihr Groll sich schmiegen
Vor deiner Schönheit Strahl;
Als Königin der Meere
Wird huldigend mit süßen
Gesängen dich begrüßen
Der Nymphen Schwarm zumal.

Du meines Glückes Krone,
O Liebchen, säume nimmer!
Schon blinkt mit goldnem Schimmer
Das Mondlicht auf der Flut,
Und sanfte Wellen hebet
Der Lüfte mildes Beben -
Komm, komm, mein süßes Leben,
Ach, mich verzehrt die Glut!

Übersetzt von Otto Braun (1824-1900)

Aus: Aus allerlei Tonarten
von Otto Braun
Zweite vermehrte Auflage
Stuttgart 1898
Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung Nachfolge (S. 20-22)
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