Ferenc Faludi (1704-1779)
ungarischer Dichter
Neckendes Lied
Eines hohen Hauses Kind,
Schlank gebaut wie wenig sind,
Ueberstrahlt an Schönheit weit
Selbst ihr perlenreiches Kleid;
Doch was hilft es; sie ist falsch.
Schlehenaugen Sterne licht!
Amor bildet schön're nicht.
Wo die Blicke hin sie kehret
Brenn'ts, als ob ein Blitz hinfährt;
Doch was hilft es, sie ist falsch.
Hals, wie Alabster weiss,
Lippen, wie die Rose heiss,
Kinn, wie Marmor glatt und fein,
Nacken, wie der Schnee so rein;
Doch was hilft es; sie ist falsch.
Stillend, schreibend, ist sie schön,
Schön ihr Sitzen, schön ihr Geh'n,
Lächelnd schön, wie wenn sie weint;
Aller Reiz ist ihr vereint:
Doch was hilft es; sie ist falsch.
Schmeichelnd, lallend, süss im Scherz,
Munter, muthig, lieb ihr Herz,
Viel verheisst ihr Zauberblick,
Beut sie selbst sich, höchstes Glück!
Doch was hilft es; sie ist falsch.
Antwort
Eines hohen Hauses Spross,
Tadelfrei und makellos,
Zeigt's, dass man ihn wohl erzog,
Lohnt's auch, dass man seiner pflog;
Lieb' ihn doch nicht, weiss warum.
Klar ist seiner Augen Licht,
Milchgetaucht sein Angesicht,
Rosenroth und Weiss vereint
Auf der klaren Wange scheint;
Lieb' ihn doch nicht, weiss warum.
Weisheit zeigt die Stirne an,
Er ist schlank, wie eine Tann',
Ihn umflattert braunes Haar,
Rosenroth der Wangen Paar;
Lieb' ihn doch nicht, weiss warum.
Ares Ross wie sein's nicht springt,
Wenn er es zum Setzen zwingt;
Bäumt sich's auch, springt hin und her
Nicht im Sattel wanket er;
Lieb' ihn doch nicht, wess warum.
Geistreich, witzig, hochgeehrt,
Kunstverständig, rechtsgelehrt.
Immer heiter, froh an Muth,
Wirthlich, mässig, fromm und gut;
Lieb' ihn doch nicht, weiss warum.
Freude nährend ist sein Scherz,
Weckt zur Wonne auf das Herz;
Naht er, jubelt jede Brust;
Seine Freundschaft, Edens Lust!
Lieb' ihn doch nicht, weiss warum:
Weil er falsch mich nennt, darum.
Übersetzt von Johann Graf Mailath (1786-1855)
Aus: Blumenlese aus ungrischen Dichtern
in Übersetzungen von Gruber, Graf Mailath, Paziazi,
Petz, Graf Franz Teleki d. Jüng., Tretter u.a.
Gesammelt und mit einer einleitenden Geschichte
der ungrischen Poesie begleitet von Franz Toldy
Pesth und Wien 1828 (S. 15-16)
_____
Neckende Lieder
I.
Herrngeschlecht entsproß sie, zierlich
Ist sie, schlankgebaut, manierlich;
Reichgekleidet, reich bespanget,
Schöner noch ihr Antlitz pranget;
Doch was nützt dies, ist sie falsch!
Schlehenäugig, sternenfunkelnd
Ist ihr Aug; in Liebe dunkelnd,
Schießt es Blicke, wohl entstammend
Blitzen, aus den Himmeln flammend;
Doch was nützt dies, ist sie falsch!
Ihre Lippen sind erblühnde
Rothe Rosen, lusterglühnde;
Und ihr Kinnchen marmorfein wohl,
Ihre Brust wie Schnee so rein wohl;
Doch was nützt dies, ist sie falsch!
Schön ist nähend sie, wie schreibend,
Lachend, weinend, Spiele treibend;
Schön wohl sitzt sie, schön wohl steht sie,
Neigt sich gut und reizend geht sie;
Doch was nützt dies, ist sie falsch!
Witzig, lieblich, lockend ist sie,
Muthig, fröhlich, schnell vergißt sie,
Reizt durch Lächeln viel zum Minnen,
Ihr Besitz wär' Lustgewinnen;
Doch was nützt es, ist sie falsch!
(S. 15-16)
II.
Sein Geschlecht ist hoch und rühmend,
Fehlerlos sein Bau, und ziemend
Wurde er auch auferzogen,
Viel sind ihm mit Recht gewogen;
Doch ich flieh ihn, weiß warum.
Rein sein Auge und es mischen
Schön im Antlitz ihm, im frischen
Milch und Rosen ihre Farben,
Die ihm Aller Gunst erwarben;
Doch ich flieh ihn, weiß warum.
Seine Stirn ist hoch und mächtig,
Und sein Bau ist zedernprächtig,
Blondhaar seine Schulter schlaget,
Morgenroth am Mund ihm taget;
Doch ich flieh ihn, weiß warum.
Mars kann nicht sein Roß bezwingen
Besser, als er sein's läßt springen;
Wie ein Eichhorn flink sitzt auf er,
Festgezogen schließt im Lauf er;
Doch ich flieh ihn, weiß warum.
Tanzend, denkend, männlich, brennend,
Und gelahrt auch, Rechte kennend;
Wacker, gut, und würdig wahrlich,
Ordnungsliebend und beharrlich;
Doch ich flieh ihn, weiß warum.
Und sein Frohsinn athmend Scherzen,
Lust erweckt's in aller Herzen;
Seine Freundschaft ist ja Lust nur;
Paradies an seiner Brust nur,
Doch ich flieh ihn, weiß warum:
Weil er falsch mich nennt, darum.
(S. 16-17)
III.
Einst ein buntes Vöglein, lustgewogen,
Ist zu Früchten in den Garten flogen.
Wenn ein Vöglein bunt ich wäre,
Flög' ich auch mit Dir, auf Ehre,
Buntes Vöglein!
Doch das bunte Vöglein, es blieb hangen
Auf den Ruthen, wurde so dann eingefangen.
Wenn ein Vöglein bunt ich wäre,
Flög' ich nicht mit Dir, auf Ehre,
Buntes Vöglein!
Doch das bunte Vöglein fiel in Hände,
Die es pflegten, daß es Lust empfände.
Wenn ein Vöglein bunt ich wäre,
Flög' ich schon mit Dir, auf Ehre,
Buntes Vöglein!
Drauf das bunte Vöglein ward voll Trauer,
Denn man schloß es fest in einen Bauer.
Wenn ein Vöglein bunt ich wäre,
Flög' ich nicht mit Dir, auf Ehre,
Buntes Vöglein.
War das Vöglein bunt auch engumgittert,
Wurd's mit Zucker doch vollauf gefüttert.
Wenn ein Vöglein bunt ich wäre,
Flög' ich doch mit Dir, auf Ehre,
Buntes Vöglein.
Endlich, 's bunte Vöglein, glückbetrogen,
Ward gerupft und auf den Spieß gezogen.
Wenn ein Vöglein bunt ich wäre,
Nie flög' ich mit Dir, auf Ehre,
Buntes Vöglein. (S.
18-19)
Aus: Album hundert ungrischer
Dichter
In eignen und fremden Übersetzungen herausgegeben durch
Karl Maria Kertbeny [1824-1882]
Zweite Auflage Dresden Pest Robert Schaefer Hermann Geibel 1854
[Übersetzer nicht explizit genannt]
_____