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Felicia Hemans (1793-1835)
englische Dichterin
Die gebrochene Blume
O, trag' sie an der Brust, mein Lieb,
Noch einen Augenblick!
Ihr Lächeln floh, ihr Reiz ist hin,
Ihr Duft doch blieb zurück.
Drum, einer Zeit zu lieb, die war,
Wirf sie nicht von dir, ach!
Sie blüht' in ihrer Schwestern Schaar
Einen langen goldnen Tag,
Mein Lieb!
Einen langen goldnen Tag!
Noch eine kurze Zeit, mein Lieb,
Soll dich ihr Duft umwehn;
An deinem Herzen soll sie ruhn,
Verwelkt und doch noch schön!
Doch selbst dein Herz nicht, warm und weich,
Schützt sie vor Todeshand:
- Oh! ich bin deiner Blume gleich,
Zu spät, zu spät erkannt,
Mein Lieb!
O Gott, zu spät erkannt!
(S. 72)
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Der letzte Wunsch
Eil' in des Waldes Ruh',
Suche den Hügel du,
Wo, schwer von süßem Thau, die Veilchen liegen;
Schimmernd durch's Waldgesträuch,
Augen voll Schlafes gleich, -
O, laß sie bald an meine Brust sich schmiegen!
Brich sie mir, keins laß stehn;
Laß um mein Todbett wehn
Ein Wehn des Mai's, ein Wehn aus Waldesthalen;
Denn ach, mit Trauern nur
Scheid' ich von Wald und Flur,
Gern weilt' ich länger in der Sonne Strahlen!
Bliebe bei dir gern noch!
Weh', nicht vermag ich's! - Doch
Bring' an mein Lager froh'rer Stunden Zeugen!
Geh', wo ein dämmernd Licht
Grün durch die Blätter bricht,
Und auf der Quelle zittert unter Zweigen!
Kalt ist und klar die Fluth;
Ach, und ich weiß noch gut,
Wie feuchte Lilien nickend sie umspielen;
Geh' an des Stromes Bord;
Flüsterndem Schilfe dort
Nimm sie, mein Haupt, mein fiebernd Haupt zu kühlen!
Dann, wie zu bess'rer Zeit,
Geh' durch die Einsamkeit
Des alten Gartens, grün von Laub und Moose:
Dort, ihrer Blätter Schnee
Streu'nd auf des Rasens Klee,
Steht einsam trauernd eine weiße Rose.
Tauben umgirren sie
Bienen umschwirren sie,
Der alten Linde Wehn umrauscht sie trübe;
Brich mir zwei Blumen dort;
Zwei: - denn es ist der Ort,
Wo wir zuerst uns sagten unsre Liebe!
Geisblatt dann hole mir;
Hol's von der Gitterthür;
Hol's von der Hütte, die ich jüngst dir zeigte,
Als wir am Waldesrand
Wandelten Hand in Hand,
Geführt von des Johanniswürmchens Leuchte!
Bring' mir, o, bring' den Strauß!
Breit' ihn auf's Kissen aus -
Komm, daß ich zitternd jede Blume fasse!
Laß sie mir Traum verleih'n;
Träumend ist Alles mein:
Lenz, Jugend, Leben - Alles, was ich lasse!
Und wenn du fragst, warum
Ich dich im Thal herum
Und an des Stromes waldig Ufer schicke:
'S ist, daß in deinem Sinn,
Wenn ich geschieden bin,
Dir mein Gedächtniß jede Stätte schmücke!
In den Gebüschen dicht
(O, brich den Zauber nicht!)
Da will ich ewig, daß mein Bild dir glänze!
O mein Geliebter, nie,
Wo wir gewandelt, zieh',
Vergessend sie, die starb in ihrem Lenze!
(S. 73-75)
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Lied
Was weckte den Ton, der lang geruht
In Memnon's Harfe vor Zeiten?
Wer, an des Niles grüner Fluth,
Wer griff so kühn in die Saiten?
- O, nicht der Sturm und nicht die Nacht
Und nicht des Blitzes Feuer -
Das Sonnenlicht mit warmer Pracht,
Das weckte die mystische Leier!
Das einzig weckte die Leier!
Was weckt des Herzens tiefen Klang
Zu reinen, innigen Chören,
Daß er, wie himmlischer Gesang,
Die Stürme mag beschwören?
- O, nicht Kampfgewühl und nicht Schwertesstreich,
Kein sieghaft Bannerschwingen -
Nur die Liebe, stark und gabenreich,
Erweckt der Seele Klingen!
Sie nur der Seele Klingen!
(S. 78)
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Die Träumende
Deinen Träumen Friede! - du schlummerst nun!
Auf der Stirn dir seh' ich das Mondlicht ruh'n!
All' die Liebe, die fluthend dein Herz bewegt,
Hat im Schrein deiner Seele sich schlafen gelegt,
Wie der Blume Duft in des Kelches Verschluß,
Wenn die Sonne der Flur gab den Abschiedskuß.
Friede! - das Trübe, was durch den Tag
Wie ein schwer Gewicht auf der Brust dir lag;
Ihr Gedächtniß, die Wechsel und Tod dir geraubt,
(Er ergriff dich, wie Sturmwind der Weide Haupt!)
Und dein Sehnen nach Stimmen, die längst zur Ruh' -
Alles vergessen! - Schlaf' zu, schlaf' zu!
Ist es vergessen? - Ich fürchte: Nein!
Schlaf kann von Kummer das Herz nicht befrei'n!
Jetzt noch - wie seltsam bewegt dein Gesicht!
Ueber wellig Gras so läuft Schatten und Licht!
Zuckst du? - Der Gram, wie die Liebe, hat
Stürme selbst für das geschlossene Blatt!
Deine Lippe bebt: - auch die Leier so
Bebt, eh' ihr Tönen ganz entfloh! -
Auf der zitternden Wimper gesenktem Strich
Sammelt schwer und groß eine Thräne sich:
Aus den Wolken der Seele Gewitternaß -
Du bekümmert Kind, und ist Ruhe das?
'S ist der schaffende Geist - er läßt nicht nach!
'S ist die Liebe, bei welken Blumen wach!
O, was birgt nicht Alles ein Menschenherz:
Unergründlich Erinnern, maßlosen Schmerz!
Und die Leidenschaft, die es jählings füllt
Mit empörten Wogen - doch nie sie stillt!
O, sieh' zu, daß der bitteren wild Gewühl
Nicht den Frieden fortbraust von deinem Pfühl
O, sieh' bang hinein in die Seele dir -
Keine Kraft, keine Flucht, kein Vergessen hier!
Wir gedenken, hüllt uns auch Schlummer ein -
Wird es im Tode besser sein?
(S. 79-80)
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Übersetzt von
Ferdinand Freiligrath (1810-1876)
Aus: Ferdinand Freiligrath's sämmtliche Werke
Vollständige Original-Ausgabe
(Vierter Band: Aus neueren englischen Dichtern)
New-York Verlag von Friedrich Gerhard 1858
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