Angus Fletcher (1799-1862)
schottischer Dichter
Marie
Ich traf mein lieb' Mädchen vor Kurzem im Thal,
Doch tief war ihr Seufzer, die Farbe so fahl,
Und der Trauer ihr himmlisches Lächeln wich.
Marie ist unglücklich, so fürcht' ich, wie ich.
Und fieb'rische Glut hat vernichtet die Blüt'
Auf den Wangen, die früher so rosig geglüht.
Der Glanz ihres muntern Auges erblich -
Marie ist unglücklich, so fürcht' ich, wie ich.
Wie ein schönes Blümlein auf einsamem Pfad,
Das angehaucht eisig der Ostwind hat,
Die Bien' ihren Blüten nicht ferner naht sich -
Marie ist unglücklich, so fürcht' ich, wie ich.
O könnt' ich mein eigen doch nennen sie je,
Wollt' schützen vor Regen und Wind sie und Schnee,
Mein Busen ihr Kissen, wenn Schlaf sie beschlich -
Marie ist unglücklich, so fürcht' ich, wie ich.
Verläumdung und Bosheit, die Schande der Erd',
Eu'r Gift ihren reinen Busen verzehrt,
Doch dort in dem Hafen, wenn Lebenssturm wich,
Dort wird noch glücklich Marie und auch ich.
übersetzt von Eduard Fiedler (1817-1850)
Aus: Geschichte der volksthümlichen schottischen
Lieder-Dichtung von Eduard Fiedler
Zweite Ausgabe Erster und zweiter Band
Leipzig 1858 Verlag von Wilhelm Violet (Band 2 S. 154)
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