Europäische Liebeslyrik

(in deutscher Übersetzung)

Edward Charles Halle (1846-1914) - Die Musik

 


Carlo Innocenzo Frugoni (1692-1768)
italienischer Dichter



An Pietro Scoti
(Epistel)

Was muß ich, Pietro, von dir sagen hören,
Nicht möcht' ich's glauben, muß es dennoch glauben.
Ich hörte, daß wenn du auch einst ein Vogel
Gewesen, den nicht liebliches Gebüsch
Von zarten Sträuchern, noch ein offner Platz
Von zarten Blumen und von Kräutern bunt
Sonst fangen konnten, doch jetzt deine freien,
Durch lange Ungebundenheit vermess'nen
Und wilden Schwingen Lieb' ergriff, und also
Gefesselt hält, daß sie vergeblich streben,
Die unterdrückte sonst'ge Kraft zu zeigen.
Gelähmt, besiegt ist ganz ihr vor'ges Treiben,
Sie hangen kraftlos, wagen nicht zu regen
Ein Federchen, vom unbesieglichen Geschick
Gebeugt. Nicht log der mir's gesagt. Zu sehr
Bist du von dem, der sonst du warst, verschieden.
Das kann und konnte Amor nur bewirken.
Wenn Amor ein empfindsam Herz ergreift,
Verwirrt, erregt er also die Vernunft,
Bethört die schwachen Sinn', trübt richt'ges Urtheil,
Füllt unser sterblich Theil mit einem Sehnen
Nur an, vom andern edeln Theil, den Gottes
Erhabner Himmelshauch dem Menschen schenkte,
Der Alles wirkt und schafft, ist Liebessinnen
Allein und nicht vom sonst'gen Menschen Spur
Vorhanden mehr. Also im Meer, wo
Der Fluß der ganz Egyptenland benetzt
Aus sieben Hörnern rauschend sich ergießt,
In salz'ger Fluth, die er bekämpft und löst,
Und mildernd so besänftigt, daß im weiten
Revier sie lang sich selbst vergißt und ihrer
Gesalznen Fluth natürlich Bitter ganz
Verlieret, so daß der beschuppte Schwimmer
Ob der Veränd'rung seiner Fluth sich wundert.
Dich sahen Forum sonst und hehrer Tempel
Als edeln Bürger, frommen Gottverehrer
Gar oft, und wo sich dehnen Piacenzas
Erhabne Mauern zu bequemer Straße,
Sah Sol beim Niedergang dich oft mit Andern
In holder Lust dem frischen Wind entgegen,
Der westwärts her die Schwingen flattern läßt,
Und heiße Tage lieblich kühlt, langsam hinwandeln.
Jetzt sieht dich Niemand mehr, es gehet ein
Nicht lügenhaft Gerücht, durch tausend Zungen
Verbreitet, daß ein fremdes Frauenbild,
Fernher gebürtig und durch Hymenäus
So mächt'ge Hand zu kleinem Rhenus her
Gezogen, aus alt angesehenem
Geschlecht, nicht mindern Preises wegen Tugend
Als Schönheit werth, mit schönen Blicken
Und anmuthvoller Weise, so zum Sklaven
Der Liebe dich gemacht, daß du allein
Von Amor sprichst und denkst, und Alles fliehest
Was den entflammten Sinn ab von ihr ziehet,
Wie die verborgne Klipp in sand'ger Tiefe
Der Schiffer flieht mit eingezognem Segel,
Der, guter Hoffnung voll, mit reichem Kiel
Zum lieben Hafen steuert. Wer deiner Freunde
Fand je zu dir den Zugang sonst verschlossen?
Gewiß nicht Einer. All' empfingst du, mocht'
Aurora Tithons kalten Arm und Lager
Verlassen haben, mochte heißer Mittag
Die Heerd' ans Wasser führen, eingedenk
Der Weide nicht. Jetzt wartet an der Thür
Ein unbeugsam Verbot, den Eingang wehrend,
Das seinen Grund nicht wohl verläugnen kann.
Wohl müssen wir vergeblich wieder gehen
Des Wegs so wir gekommen, (traurig und
Gedankenvoll und um dein Leid' uns kümmernd)
Daß du in deines Hauses Innerstem,
Wo Niemand dich gewahrt, am trägen Feuer
Der Liebe dich verzehrst, mit starrem Blicke,
Mit starrem Antlitz auf bordirtem Sessel
Beweglos sitzest, mit unsicherm Schritte
Unruhig kreisest und mit strengem Sinne
Die Liebesflamme nährst, die dir von Ader
Zu Ader springt, wie du die irren Geister
Zum Glühen treibst und zarte Regungsfibern,
Und wie das Blut zerrinnt und sich zersetzt.
Gleich wie bei holder Rückkehr Zephyrs auf
Der Trift die weiße unberührte Ferse
Sich zeigt und schnell des Stieres Gluth erregt.
Nicht mehr liebt er wie sonst die fette Weide,
Nicht mehr der Flüsse kräuterreiches Ufer,
Nicht schleudert er mit stolzem Fuß den Sand,
Das kurze Horn saust nicht mehr durch die Luft;
Im stillen Hain und im einsamen Thale
Streckt er von wildem Sehnen übermannt
Auf harten Grund sich hin und wälzet sich,
Wie Liebeswuth ihn treibt, und füllt mit traur'gem
Gebrüll die Luft. - Was liegt dein liebliches
Vergnügen, deine Zither stumm im Staube?
Warum sank vom geschmückten Haar hinab
Die heil'ge Zier und (seltner Sängerschmuck)
Der schöne Kranz? die göttliche Euterpe
Schaut wild darein, und Amors Thorheit schmält.
Nichts sag' ich von den Nächten, ach! du weißt,
Wie langsam ihre Bahn für dich sich endet,
Denn du kannst, ach! bei allgemeiner Ruhe
Kein Auge schließen, wendest auf dem Lager
Dich unerquickt umher und stöhnest häufig
Aus tiefer Brust schmerzvollen Seufzerlaut.
O harter Stand! O hartes angsterfülltes
Dasein der Liebenden! Wie werden dich
Die andern Frau'n, womit dein heimisch Land
Sich schmückt und ziert, in ihrem Herzen schmähen,
Daß du, von ihren Reizen sonst so kalt,
Der Liebesschlingen einstiger Verächter,
Ein ungebändigt Wild, am Seil geleitet,
Nun fremder Schönheit Beute bist geworden.
Glaubst du nicht, daß sie Rache schwören werden,
Wofür des Weibes Herz nur zu empfänglich ist?
Gewiß, vorm schmeichelnden Kristall bereiten
Sie neue Künste, Herzen zu entführen,
Daß ihrer Ehre Schönheit ungerochen
Nicht bleibe! Jetzt vereinen wider dich
Sich Alle lieblich von Gesicht und Blicken,
Mit klug gewählten zarten Schmeichelworten.
Ach! welch ein Bruch! wenns glaublich ist, daß breche
Der Liebe süßes Band, das jetzt dich fesselt;
In andre Fesseln fällst du dann, nicht minder
Als deine gegenwärt'gen fest und zähe.
Was sag' ich dir? Ich weiß, vergebens sprach
Philosophie wo der Affect tyrannisch
Sich kühn erhebt, drum werd' ich nichts dir sagen.
So gut ich wußt' hab ich in diesem Briefe
Dich abgemalt, wie in geschliffnem Spiegel
Schau' dich drin an und laß vom Mitleid mit
Dir selber dich besiegen. Selber ist
Der Weise Rather sich und Führer. In
Dem goldnen Schilde, das Ubaldos Vorsicht
Ihm plötzlich vorhielt, sah der Gottes-Ritter
Sich wollustathmend kaum, geschmückt das Haar,
Bestimmt sonst nur zu Helmes schwerem Drucke,
Sah wie in weich Gewand Brust ihm und Nacken
Gehüllet war, die sonst im Kampf gedoppelt
Ein Panzer und ein doppelt Eisen deckte;
Als er den Blick vor dem unwürd'gen Bilde
In edeln Zornes Scham weit zog zurück;
Dann riß er, gleichsam tiefem Schlaf' entfahren,
Die eiteln Fetzen ab, und wie wenn wild
Numidiens Leu zersprengt des Eisens Kette
Und flieht, wie dann der angeborne Stolz
Sich wieder sammelt und die blonden Mähnen
Am stolzen Halse schüttelnd sich bewegen;
Ihm folget hoher Schrecken in die Wälder
Und blutig spielet er behenden Hirschen
Und wilden Ziegen mit: - so kehrte Jenem
Sein alter Sinn, als zwischen beiden Rittern
Er also stand: er dacht' an Asiens Krieg,
Er dacht' ans Schicksal, welches seinen Thaten
Des heil'gen Grabs Befreiung aufbewahrt.
(S. 527-531)
_____



Frühlingslied

Laß, Chloris, uns ergehen
Im waldigen Revier!
Voll Heiterkeit erstehen
Die Tag' im milden Glanz,
Womit die Sonne strahlt.

Die Wolken hingen lange
Am düstern Himmelszelte,
Es hat genug der Kälte
Der Winter uns gesandt,
Und Reif die Flur bemalt,

Mit Rosen hold geschmücket,
Erscheint der junge Lenz
Von Neuem und entzücket
Die Hügel und die Auen
Mit junger Blüthe Fülle.

Mit frischem Laube decken
Sich Eiche, Esch' und Fichte,
Das sind des Maien Früchte,
Der neue Jünglingskräfte
Zuführt der Bäume Hülle.

Es hebet schon zum Fluge
Mit lieberfülltem Singen
Die Nachtigall die Schwingen,
Und suchet die Gefährtin
Zu süßer Minne auf.

Jetzt sitzet sie am Hange,
O hört, wie sie verborgen
Sich klagt der Liebe Sorgen,
Erfindungsreich in Tönen
Strömt des Gesanges Lauf.

Sieh an das Bächlein fließen
Wie es mit Silberschein
Durchs Bett, wo Kräuter sprießen,
Die Welle klar und rein
So leise abwärts drängt.

Dünkt dich nicht, meine Theure,
Daß rings in jedem Strauche
Nur Alles Liebe hauche,
Wie süßes Mitleid Alles
Mit weichem Arm umfängt?

Wohlan, im wald'gen Haine,
Laß, Chloris, uns ergehen,
Wo ungestört, alleine
Ich wandr' an deiner Seite,
Zu unser beider Lust.

Dort laß vertraut uns flüstern
In festlich holder Stille,
Du von des Herzens Fülle,
Mich von der reinen Flamme
Der Lieb' in meiner Brust.

Willst du als Jägerin
Dort deine weiße Hand,
Zu grimmen Tods Gewinn
Als Wundenspenderin
Bewaffnen mit dem Pfeil,

Dann siehest du dir nahen
Das hohe stolze Wild,
Mit Lust will es empfahen
Den Streich aus deiner Hand,
Und stellet sich in Eil.

Ach wenn du ab nicht drückest,
Den Pfeil, o schönste Maid,
Kannst du, wenn du nur blickest,
Verwunden hundert Herzen
Mit noch weit sicherm Schuß.

Dann magst du sie erblicken,
Wenn ihr Geschick zum Tode
Sie führt, wie noch Entzücken
Ob deiner süßen Augen
Ihr Herz erfüllen muß.
(S. 531-532)
_____


Aus: Handbuch der Geschichte der
Italiänischen Litteratur
Erläutert durch eine
Sammlung übersetzter Musterstücke
Herausgegeben von Dr. Fr. W. Genthe
Zweite Abtheilung: Die Italiänischen Dichter
Magdeburg Verlag von Ferdinand Rubach 1834
[Übersetzer sind nicht explizit genannt]


 


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