Lady Grizel (Grissel) Baillie (1665-1746)
schottische Dichterin
O wär' nicht mein Herz leicht
Es war einst ein Mädchen, das wollte nicht frei'n,
Dort unten im Thal baut ein Hüttchen sie fein;
Doch jetzo da jammert und klaget sie sehr,
Komm nieder die Pforte, ach! komm zu mir her.
Als mein lieb Hänschen kam über die See'n,
Die Schönste mich nannt' er, die je er geseh'n,
Er versprach mir Ringe und prächtige Dinge,
Und wär' nicht mein Herz leicht, ich müßte vergehn.
Doch die Schwester von Hänschen, die konnt' mich nicht sehn,
Weil sie war so häßlich und ich war so schön,
Seine Mutter sie hetzte, bis sie sich widersetzte;
O wär' nicht mein Herz leicht, ich müßte vergehn.
Der Tag war bestimmt für die Hochzeit mit mir,
Das Weib fiel in Ohnmacht, ihr Tod war es schier.
Sie weinet und greinet, sie ächzt und sie tobt,
Bis nie er mich wieder zu sehn ihr gelobt.
Die Verwandten ihm suchten den Kopf zu verdreh'n,
Sie hörten nicht auf mich Arme zu schmäh'n.
Und ob ich auch schön wär', nicht sollt' er mich sehn mehr,
O wär' nicht mein Herz leicht, ich müßte vergehn.
Sie sagte, nicht Kalb und nicht Kuh ich besäß',
Nicht füllte mein Malz auch das kleinste Gemäß.
Der Mühlstein bekäme mein Korn nicht zu sehn:
O wär' nicht mein Herz leicht, ich müßte vergehn.
Seine Schwester die war gar listig und schlau,
Sie sah mich kommen her über die Au,
Hinein sie da rann und zu lärmen begann;
Wer glaubt, daß ich lüge, der selber zuschau!
Wie saß ihm die Mütz' auf der Stirne so fein,
Die alten selbst waren wie neu noch so rein.
Jetzt läßt er sie hängen, wie hängen sie will,
Und sitzt auf den Garben so traurig und still.
Jetzt schlendert er traurig umher an den Teichen,
Nichts thut er, als jagend die Felder durchstreichen,
Und Nachts ist's um seinen Schlummer geschehn,
O wär' nicht mein Herz leicht, ich müßte vergehn.
übersetzt von Eduard Fiedler (1817-1850)
Aus: Geschichte der volksthümlichen schottischen
Lieder-Dichtung von Eduard Fiedler
Zweite Ausgabe Erster und zweiter Band
Leipzig 1858 Verlag von Wilhelm Violet (Band 1 S. 42-43)
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