Europäische Liebeslyrik

(in deutscher Übersetzung)

Edward Charles Halle (1846-1914) - Die Musik

 


Emanuel Hiel (1834-1899)
niederländischer Dichter




Triolette
An meine Geliebte

Auf deinen Lippen, deinen Wangen
Lacht reine Liebe, reine Lust;
Ach, könnt' ich mit dem Munde hangen
An deinen Lippen, deinen Wangen,
Dann fänd' in seligem Umfangen
Ersehnte Ruh' die heiße Brust!
Auf deinen Lippen, deinen Wangen
Lacht reine Liebe, reine Lust.

Die Augen sanft, wie die der Tauben,
Worin ein ganzer Himmel ruht,
Was mußten sie das Herz mir rauben,
Die Augen sanft, wie die der Tauben,
Die süß Erhörung meinem Glauben,
Erquickung geben meiner Glut,
Die Augen sanft, wie die der Tauben,
Worin ein ganzer Himmel ruht!

Was kümmert mich das ird'sche Leben,
Geht meine Seel' in deiner auf?
Man mag mir tausend Tode geben,
Was kümmert mich das ird'sche Leben,
Es kann mein Geist mit deinem schweben
Vom Stoff befreit zum Licht hinauf.
Was kümmert mich das ird'sche Leben,
Geht meine Seel' in deiner auf?

übersetzt von Ida von Düringsfeld (1815-1876)

Aus: Von der Schelde bis zur Maas
Das geistige Leben der Vlamingen
seit dem Wiederaufblühen der Literatur
Biographien, Bibliographien und Proben
von Ida von Düringsfeld (Zweiter Band)
Leipzig Ad. Lehmann Brüssel Fr. Claassen 1861 (S. 64-65)

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Mein Herz ist voll Verlangen

Mein Herz ist voll Verlangen
und harrt aufs süße Heilwort,
das man in holden Sangen
der Liebe hört!
Soll sie es nie austönen,
das Fühlen, das im Auge fleht
und mich anstarrt, wie drohend,
und vor der Seele steht,
als herrlich Bild?

Die Kinderzeit ist hinnen,
muß drum das Herz erstorben sein?
Und sollen wir nur flennen
vor lauter Liebespein?
Die Tränen mögen fließen,
sie löschen doch die Gluten nicht,
die meine Seel, in Träumen,
entrückt zu selgen Räumen,
froh genießt!

Was man auch möge sagen,
kein Zwang drückt das Gefühl herab,
nie kann man Ketten schmieden
um zarte Lieb.
Sie strahlt mit Feuerstrahlen
durchs Dunkel von dem Vorurteil . . .
Darf sie nicht siegesprahlen,
dann mag im Grab zerfallen
ihr ewigst Teil!

übersetzt von Wilhelm Schölermann (1865-1923)

Aus: Vlaemische Dichtung Eine Auswahl im Urtext und in Übersetzung
[Wilhelm Schölermann]
Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1916 (S. 81)
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