Hans Peter Holst (1811-1893)
dänischer Dichter
Gute Nacht
Die Lampe verbreitet so weißen Schein,
Im Hause ist Alles schon stille,
Da sitze ich stumm und schreibe allein,
Doch leise trittst Du in's Zimmer hinein,
Ich fühl' Deiner Locken Fülle.
Du flüsterst mir traulich ein: "Gute Nacht!"
"Gute Nacht meine blühende Rose!
Und Du, mein Söhnlein, auch Dir sei's gebracht,
Zum Kinde fast hast Du den Vater gemacht,
Schlaf süß, meine Knospe der Rose!"
Ich küsse ihm Wangen und Arm und Brust
Und die kleinen niedlichen Hände,
Ich juble vor Freude und süßer Lust.
"Er lächelt und schläft, hast Du das nicht gewußt,
Du wirst ihn noch wecken am Ende!"
Da legst Du ihn sorgsam auf's Kissen weich
Und wiegst ihn mit holden Geberden.
Bald wird er schweben in Traumes Reich.
Du singst - mein Lied - ich erkenn' es sogleich,
Mir ist's wie im Himmel auf Erden.
Es schwillt mir das Herz, es erglüht meine Wang',
Begeist'rung reißt mich von hinnen,
Und was mir als Knaben den Sinn durchdrang,
Manch kühner Gedanke erklingt wie Gesang
Und füllet mit Hoffnung mein Sinnen.
Und kindisch träum' ich von Ruhm und Glück,
Meinen Namen höre ich nennen
Inmitten derer, die hehr das Geschick
Mit Lorbeern bekränzt - doch, da weich ich zurück,
Und Thränen im Auge mir brennen.
Doch fort mit krankhafter Schwärmerei,
Mit Mismuth und Weiberthränen,
Noch hebt mein Geist sich muthig und frei,
Noch blüht in der Seele ein göttlicher Mai,
Bethört mich auch manchmal ein Wähnen.
Wohlan denn, ich wage auf's Neue den Streit,
Mein Schwert, meine Leier zu proben,
Und wüchse der Lorbeer auch hoch und weit,
Die Flügel mir geben Verwegenheit,
Sie ziehen mich mächtig nach oben.
O sage mir, wäre ich Dein wohl werth,
Wenn feig ich wollte verzagen?
Ha, wird Dein Lächeln mir nur bescheert,
Schwing, wie ein Held, ich so hoch mein Schwert
Begeistert zu jedem Wagen!
Ich wache für Dich, schlaf süß mein Weib,
Meine holde duftende Rose,
Und Du mein Knäblein mit zartem Leib,
Mein Augapfel und mein Zeitvertreib,
Schlaf süß, meine Knospe der Rose.
(S. 208-210)
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Die goldnen Locken
O laß sie flattern ohne Ziel,
Gehoben von des Windes Schwingen,
Nicht sollen Bänder steif bezwingen
Der reichen Locken loses Spiel!
Wie vor dem Winde Wälder säuseln,
Das Korn frei wogt in Sonnenglut,
Des Meeres Wellen frei sich kräuseln,
So wog' auch Deiner Locken Flut!
Weißt Du wohl, was ich oft gedacht,
Daß, wenn mein Auge, matt, betrübet
Vom Lebenskummer, fiel, ermüdet,
Auf Deiner Locken gold'ne Pracht:
Dann strömt' durchs Herz mir süßes Feuer,
Gedanken nahten, reich, voll Muth,
Es floh des Mismuths Ungeheuer
Beim Anblick Deiner Lockenflut!
Du weißt, von ihrem Schwall umnetzt,
Fühlt sich mein Herz so oft gefangen,
In goldnen Fesseln schlug's, voll Bangen,
Ein Vöglein, das man müd' gehetzt!
In dieses Goldmeer taucht ich nieder,
Schwamm, träumend, von der Glut gewiegt,
Und lullte leise Liebeslieder,
Von milder Locken Flut besiegt.
Und Wange, Schulter, Hals und Brust
Im Ringeltanz sie weich sich schmiegen,
Die Fesseln kann ich nicht besiegen,
Auch sind sie mir so süße Lust!
Will meine Zukunft an sie binden! -
Du beugst das Köpfchen scheu zurück? -
Nein, hinter goldnen Wolken künden
Zwei Sterne mir das reinste Glück!
O laß sie flattern, spät und früh,
Umglänzt von goldner Strahlenfülle,
Die weiche, blonde Lockenhülle!
Kein schnödes Band je fess'le sie!
Laß ew'ge Freiheit ihnen bleiben,
Wenn ich sie auch verlieren soll.
Doch will ich singen stets und schreiben:
O laß sie flattern frei und voll!
(S. 210-211)
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übersetzt von Edmund Lobedanz (1820-1882)
Aus: Album Nordgermanischer Dichtung
von Edmund Lobedanz
Erster Band: Album Dänisch-Norwegischer Dichtung
Leipzig 1868 Verlag von Albert Fritsch