Europäische Liebeslyrik

(in deutscher Übersetzung)

Kopf einer Thrakerin (von der Akropolis in Athen - gegen 470 v.Chr.)

 


Aus den Homerischen Hymnen (7.-5. Jh. v. Chr.)


(In der Übersetzung von Konrad Schwenck)





Hymnos auf Aphrodite


Aphrodite die schöne, die züchtige, will ich besingen,

Sie mit dem goldenen Kranz, die der meerumfloßenen Kypros

Zinnen beherrscht, wohin sie des Zephyros schwellender Windhauch

Sanft hintrug auf der Woge des vielaufrauschenden Meeres,

Im weichflockigen Schaum; und die Horen mit Golddiademen

Nahmen mit Freuden sie auf, und thaten ihr göttliche Kleider

An, und setzten ihr ferner den schön aus Golde gemachten

Kranz aufs heilige Haupt, und hängten ihr dann in die Ohren

Blumengeschmeid aus Erz und gepriesenem Golde verfertigt.

Aber den zierlichen Hals und den schneeweisstrahlenden Busen

Schmückten mit goldener Ketten Geschmeide sie, welche die Horen

Selber geschmückt, die mit Gold umkränzeten, wann zu der Götter

Anmuthseeligem Reihn und dem Vaterpallaste sie giengen.

Doch nachdem sie den Schmuck an dem Leib ihr fertig geordnet

Führten sie drauf zu den Göttern sie hin, die sie freudig empfiengen,

Reichend zum Gruße die Hand, und ein jeglicher fühlte Verlangen,

Sie zur Gemahlin zu haben, und heim als Braut sie zu führen,

Höchlich bewundernd die schöne Gestalt der bekränzten Kythere.

Heil schönblickende dir, holdseelige; aber im Kampf hier

Lasse den Sieg mir werden, und seegne du meinen Gesang jetzt.

Doch ich selbst will deiner und anderen Liedes gedenken.
(S. 170-172)

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Auf Aphrodite


Dich Kytherea besing ich, die Kyprische, welche den Menschen

Liebliche Gaben verleiht, und im anmuthvollen Gesichte

Stets holdseliges Lächeln bewahrt, und den blühenden Liebreiz.

Sey mir o Göttin gegrüßt, du der trefflichen Salamis Herrin,

So wie der sämmtlichen Kypros, und gieb anmuthgen Gesang mir.

(Sey mir gegrüßt, o Herrin der trefflichen Insel Kythere,

Und der umfluteten Kypros, und gieb anmuthgen Gesang mir.)

Dein auch will ich hinwieder und anderen Liedes gedenken.
(S. 180)

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Hymnos auf Aphrodite


Sage mir Muse die Werke der goldenen Aphrodite,

Kypria's, welche den Göttern erregt sehnsüchtige Liebe,

Und die die Stämme bezwingt der vergänglichen Menschengeschlechter,

Auch luftfliegende Vögel und alle die anderen Thiere,

Wieviel irgend ernähret das Erdreich oder der Pontos;

Alle gedenken der Werke der schönumkränzten Kythere.

Drey nur konnte sie nimmer bewältigen, oder belisten;

Pallas Athene, des mächtigen Zeus blauäugige Tochter;

Denn die liebt nicht Werke der goldenen Aphrodite,

Sondern sie liebet den Krieg vielmehr und die Werke des Ares,

Schlachten und Kampfesgewühl, und herrliche Künste zu fördern.

(Sie hat Handwerksmänner zuerst den Bewohnern der Erde

Wagen zu machen gelehret, benebst erzbunten Geschirren.)

Sie auch lehr in den Häusern die zartaufblühenden Mägdlein,

Herrliche Werke zu machen, ins Herz jedweder es flößend.

Nicht auch Artemis ferner, die goldpfeilschießende Jägrin,

Zwang in der Liebe Gelüsten die lächelnde Aphrodite;

Denn die liebet den Bogen, und Wild in den Bergen zu tödten,

Und die Gitarr' und den Reigen, und hellaufschallenden Jubel,

Ferner den schattigen Hain, und die Stadt rechthandelnder Männer.

Nicht auch liebet die Werk' Aphrodite's die züchtige Jungfrau

Histie, welche zuerst der verschlagene Kronos gezeugt hat,

(Und dann wieder zuletzt, nach Zeus, des Gewaltigen, Rathschluß,)

Ehrfurchwürdig, um welche Poseidon warb und Apollon,

Doch nicht wollte sie, sondern verweigerte jenen es standhaft,

Schwörend gewaltigen Eid, der auch in Erfüllung gegangen,

Rührend ans Haupt des Kroniden, des Aegistragenden Vaters,

Jungfrau wolle sie bleiben, die herrliche Göttin, für immer.

Aber es schenkte der Vater ihr Herrliches statt der Vermählung,

Und sie hauset inmitten der Wohnungen, Fett empfangend,

Und hat Theil an den Ehren in sämmtlichen Tempeln der Götter,

Und ist allen den Menschen die hochehrwürdige Göttin.

Die nun konnte sie nimmer bewältigen, oder belisten.

Doch von den übrigen ist nicht eins Aphrodite'n entronnen,

Keiner der seligen Götter, und keiner der sterblichen Menschen;

Selber verführte das Herz sie dem donnererfreuten Kronion,

Welche der Herrlichste ist, und die herrliche Würde bekommen.

Den auch, wann es beliebte, das sinnige Herz ihm bethörend,

Einte sie häufig in Liebe mit sterblichgebohrenen Frauen,

Here's vergessen ihn machend, der leiblichen Schwester und Gattin,

Die an erhabner Gestalt vor den seeligen Göttinnen pranget;

Als ehrwürdigste zeugte jedoch der verschlagene Kronos

Diese mit Rheia der Mutter; und Zeus, der den ewigen Rath sinnt,

Machte sie sich zu der keuschen verständigen Ehegemahlin.

Jener jedoch auch flößt in das Herz Zeus süße Begierde,

Sich zu vermählen mit einem der Irdischen, daß für die Zukunft

Selbst nicht frey von der Liebe des sterblichen Mannes sie wäre,

Und dann prahlend einmal sich rühm' in dem Kreise der Götter,

Blickend mit Lächeln umher, Aphrodite die anmuthvolle,

Wie sie die Götter in Liebe vermählt mit den sterblichen Frauen,

Und wie Unsterblichen diese die sterblichen Söhne gebohren,

Auch wie die Göttinnen sie mit den sterblichen Menschen vereinigt.

Zu dem Anchises flößt' er ihr süße Begier in die Seele,

Der in den ragenden Bergen des quellegesegneten Ida

Derzeit Rinder geweidet, den Seeligen gleichend an Bildung.

Als nun diesen erblickte die lächelnde Aphrodite,

Brannte sie, und es ergriff ihr das Herz unmäßige Sehnsucht;

Und gen Kypros wandelnd, begab in den duftigen Tempel

Dort nach Paphos sie sich, woselbst der Altar und der Hain ist;

Gehend hinein in denselben, verschloß sie die strahlende Pforte;

Und nun wuschen und salbten die Chariten sie mit dem Oele,

Mit dem ambrosischen, welches die ewigen Götter umduftet.

(Mit dem ambrosischen, süßen, das wohlruchduftend sie hatte.)

Und um den Leib wohl ordnend die sämmtlichen schönen Gewande

Und sich mit Goldschmuck zierend, die lächelnde Aphrodite,

Eilte sie fröhlich gen Troja, hinweg von der duftigen Kypros,

Hoch im Gewölke die Bahn durcheilend in hurtigen Schritten.

Und sie gelangte zum Ida, dem quelligen Nährer des Wildes;

Gieng stracks durch das Gebirg zum Gehöft dann; hinter derselben

Folgten die graulichen Wölfe jedoch, und die funkelnden Löwen,

Bären und hurtige Pardel zugleich, die Verschlinger der Rehe,

Wedelnd; und sie es erblickend erfreute sich dessen im Herzen,

Und sie erfüllte dieselben mit Inbrunst; alle zumal nun

Lagerten paarweis sich in den schattigen Schluchten der Berge.

Doch sie selber gelangte zum stattlichgebaueten Zelte.

Und dort fand sie allein in dem Hof, von den andern verlassen,

Ihn, Anchises, den Heros, begabt mit der Schöne der Götter.

Aber die andern, die waren hinaus mit den Rindern zur Weide

All'; er aber allein in den Hof, von den andern verlassen,

Wandelte hin und her, und spielt' helltönend die Cither.

Doch nun stand vor demselben die Tochter des Zeus Aphrodite,

Aehnlich an Größ' und an Bildung dem züchtigen Mädchen erscheinend,

Daß nicht jener erschrecke vor ihr, sie mit Augen erblickend.

Aber Anchises sann bey dem Anblick, und er erstaunte

Ueber die Größ' und Gestalt und über die prächtigen Kleider.

Denn es umfloß sie ein Peplos von hellerem Glanz wie das Feuer,

Spangengeschmeid' auch trug sie, und leuchtende Ohrengehänge;

Und um den lieblichen Hals rings schlangen sich herrliche Ketten,

Schön, von gediegenem Gold, buntschimmernde, und wie Selene

Rings um den lieblichen Busen erglänzte sie, Wunder zu schauen.

Und Anchises entbrannt' und er redete also zu jener:

Sey mir o Herrin gegrüßt, die zum Haus mir kommst von den Göttern,

Artemis, Leto vielleicht, wohl auch Aphrodite die goldne,

(Oder die edele Themis, vielleicht auch Pallas Athene,)

Oder du kamst wohl eine der Chariten, welche den Göttern

Allen Genossinnen sind, und Unsterbliche werden genennet,

Oder der Nymphen vielleicht, die die herrlichen Haine bewohnen,

(Oder der Nymphen, die hier dies schöne Gebirge behausen,)

So wie die Quellen der Ström' und die grasigen Wiesengefilde.

Dir doch will ich fürwahr auf weithinblickender Warte

Einen Altar aufrichten, und herrliche Opfer in jeder

Jahrszeit bringen hinfort; doch du mit genädigem Sinne

Gieb daß ich unter den Troern ein hochansehnlicher Mann sey,

Daß mir der Stamm auch blühe, jedoch mir selber verleihe,

Lang glückseelig zu leben und Helios Licht zu erblicken,

Reich in dem Volk, und dereinst zu der Schwelle des Alters zu kommen.

Diesem erwiederte aber die Tochter des Zeus Aphrodite:

Nicht, o Anchises, du erster der erdegebohrenen Menschen,

Bin ich ja Göttin fürwahr, was thust du mich Göttern vergleichen?

Sondern ein sterbliches Weib, und von sterblicher Mutter gebohren.

Otreus ist mein Vater, der herrliche, wenn du ihn kennest;

Der ganz Phrygia weit und breit als König beherrschet,

Euere Sprache jedoch und die unsere weiß ich zu reden;

Denn mich pflegte zu Hause die Troerin, welche mich aufzog,

Ganz als winziges Kind von der theueren Mutter empfangend.

(So denn hab' ich gelernt auch euere Sprache zu reden.)

Jetzt doch raubte mich dort der bestellende Argostödter

Weg aus Artemis Reigen, der goldpfeilschießenden Jägerin;

Viele der Jungfrau'n nämlich und bräutliche Mädchen zusammen

Spielten wir, rings doch bildet' ein mächtiger Haufen die Runde;

Mich nun raubte von dort der bestellende Argostödter,

Führte mich dann durch viele von Menschen bebauete Fluren,

Auch viel' Oeden hindurch und Wüstungen, wo das Gewild rings

Schweifet umher nach Raub in den dunkelbeschatteten Schluchten;

Und nicht schien mirs, daß mit dem Fuß ich den Boden berührte;

Doch zu Anchises Bett, dies sagt' er mir, sey ich berufen,

Als sein Ehegemahl, dir blühende Kinder zu bringen.

Doch nachdem ers gesagt und verkündiget, eilet' er wieder

Weg zu der Himmlischen Schaaren, der mächtige Argostödter;

Ich kam aber hieher, und es zwang mich die mächtige Fügung.

Aber ich flehe dich an bey dem Zeus nunmehr und den edlen

Eltern; es zeugeten ja wohl nicht solch' einen Geringe;

Führe mich hin als Mädchen und nicht mich umarmend in Liebe,

Daß du dem Vater mich zeigest und deiner verständigen Mutter,

Wie auch deinen Geschwistern, so viel dir irgend geworden;

(Nicht entehrende Schnur, nein ehrende werd' ich denselben;)

Ob ein entehrendes Weib ich dir wär', ob nicht in der Wahrheit,

Send' auch einen geschwind in das Land roßprangender Phryger,

Welcher dem Vater es sagt und der kummererfülleten Mutter;

Die doch werden dir Goldes die Füll' und gewirkete Kleider

Schicken sogleich; du aber empfange die herrlichen Gaben.

Thatst du jedoch dies alles, so mache die prächtige Hochzeit,

Die bey den Menschen und auch bey unsterblichen Göttern geehrt sey.

Also sagte die Göttin und flößt' ihm süße Begier ein,

Und es ergriff Sehnsucht den Anchises und er begann so:

Bist du ein sterbliches Weib, und von sterblicher Mutter gebohren,

Ist auch, wie du es sagst, dein Vater der herrliche Otreus,

Kamst du mir dann von Hermeias, dem göttlichen Boten, geleitet

Her, und sollst du für immer zum Weib mir werden gegeben;

Dann soll keiner der Götter, und keiner der sterblichen Menschen

Mich abhalten anjetzt, eh daß ich in Liebe dir nahte

Ohne Verzug; auch nicht, wenn selbst von dem silbernen Bogen

Schöße die stöhnenden Pfeile der Fernhintreffer Apollon.

Wollt' ich ja selber sodann, o du Weib, Göttinnen vergleichbar,

Wann dein Lager ich theilt', in des Aïdes Wohnung hinabgehn.

Sprach es, und faßt ihr die Hand, und die lächelnde Aphrodite

Schlich abwendend das Haupt und die herrlichen Augen gesenket

Zum dem gebetteten Lager dahin, wo dieses gebettet

War mit den weichen Gewanden dem Könige; aber darüber

Lagen die Vließe von Bären und tiefaufbrüllenden Löwen,

Die er selber erlegt auf ragenden Waldberghöhen.

Als sie nun aber bestiegen das Bett, das trefflich gemacht war,

Nahm er zuerst ihr allen den glänzenden Schmuck von dem Leibe,

Spangen und Ohrring' auch und gewundene Ketten und Halsband;

Lößte den Gürtel ihr ferner, und that ihr die prächtigen Kleider

Aus, und legte sie dann auf silbergebuckeltem Sessel

Hin, und hierauf nach Willen und Fügung himmlischer Götter

Legte der Sterbliche sich zur Unsterblichen, ohn' es zu wissen.

Doch als wieder zurück zu den ländlichen Höfen die Hirten

Führten die Rinder und Schaafe nach Haus von den blumigen Weiden,

Da goß über Anchises erquickenden Schlummer die Göttin,

Lieblichen, sie doch that hinwieder ihr ihr herrliches Kleid an.

Und nachdem sie nun an es gethan, die erhabene Göttin,

Trat sie zur Thüre des Zelts, und die trefflichgezimmerte Decke

Rühret' ihr Haupt, und es leuchtet' ambrosischer Glanz von den Wangen

Ringsher, wie er entstrahlet der schönumkränzten Kythere;

Und nun weckte sie ihn, und sprach und sagte die Worte:

Dardanos Enkel, wohlauf! was schläfst du den ewigen Schlummer?

Sage mir, ob ich dir jetzo zu seyn scheine dieselbe

Wie du mich anfangs hast mit den eigenen Augen gesehen?

Sprach es, und jener vernahm in dem Schlaf urplötzlich die Stimme.

Als er den Hals nun sah und das herrliche Aug' Aphodite's,

Bebt er zusammen, und wandte das Antlitz weg zu der Seite;

Und barg wieder das schöne Gesicht in die Decken des Bettes

Und anflehend begann er zu ihr die geflügelten Worte:

Gleich ja, als ich, o Göttin, zuerst dich mit Augen gesehen,

Merkt ich es wohl, daß Göttin du seyst; doch bargst du die Wahrheit.

Aber ich flehe dich an bey dem ägistragenden Gott Zeus,

Laß mich unter den Menschen hinfort nicht jämmerlich leben;

Sondern erbarme dich mein, weil nicht ein geseegneter Mann ja

Der ist, welcher das Bett mit unsterblichen Göttinnen theilte.

Diesem erwiederte aber die Tochter des Zeus Aphrodite:

Muth, o Anchises, du erster der erdegebohrenen Menschen

Fasse du, nicht auch fürchte dich irgend so sehr in dem Herzen.

Denn nicht hast du zu fürchten von mir Unglück zu erleiden,

Noch von den übrigen Göttern, dieweil du den Himmlischen lieb bist.

Dir wird aber ein Sohn, der unter den Troern gebietet,

Und es entsproßen in Zukunft Kinder den Kindern;

Dieser jedoch wird heißen Aeneas, weil mich ein schwerer

Kummer ergriff, daß jetzt ich im Arme des sterblichen Manns lag.

Aber den Göttern zumeist sind unter den sterblichen Menschen

Die aus eurem Geschlecht an Gestalt und Bildung vergleichbar.

Zeus auch raubte vordem ja bereits Ganymedes, den blonden,

Wegen der schönen Gestalt; auf daß mit den Göttern er lebe,

Und in dem Hause des Zeus Wein schenke den Seeligen droben,

Wahrlich ein Wunder zu sehen, geehrt von den Himmlischen allen,

Theilend den funkelnden Nektar umher aus goldener Bole.

Kummer befiel Tros aber im Innersten, und er begriff nicht,

Wo doch hin ihm gerafft sein Kind die gewaltige Windsbraut.

Immer und unabläßig beklagt er ihn aber hinführo.

Und es erbarmte sich Zeus, und gab ihm Sühne des Knaben,

Roße, so schnell wie der Wind, wie unsterbliche Götter sie fahren.

Die nun sendet er ihm zum Geschenk, und es sagt' es ihm alles,

(Nach dem Befehle des Zeus der bestellende Argostödter,)

Wie er unsterblich ihm wäre für ewige Zeit, und unalternd.

Doch nachdem er nunmehr Zeus Botschaft hatte vernommen,

Klagt' er hinfort nicht mehr, nein freute sich in der Seele,

Und fuhr fröhlich umher mit den windschnellfüßigen Roßen.

So auch raubete ferner die goldene Eos Tithonos,

Einen von eurem Geschlecht, den Unsterblichen ähnlich von Ansehn.

Und dann gieng sie und flehte beym schwarzumwölkten Kronion,

Daß er ihr wär' unsterblich, und ewiges Leben erhalte;

Zeus doch winkt es ihr zu und that nach ihrem Verlangen;

Thörigte! nicht doch dachte die heilige Eos im Herzen,

Jugend ihm auch zu erflehn, und das schreckliche Alter zu fernen.

Doch so lang er besaß die so theuer ersehnete Jugend,

Wohnt er, sich Eos erfreuend, der goldenen Göttin der Frühe,

An des Okeanos Strom, an den äußersten Marken der Erde.

Aber sobald ihm einmal erst bleich von dem herrlichen Haupte

Wallten die Locken herab, und vom bartumsproßten Kinne,

Da enthielt sich die Göttin hinfort der Umarmung desselben.

Ihn doch pflegte sie nach wie vor, im Pallast ihn behaltend,

Mit ambrosischer Kost, und ihm herrliche Kleider verleihend.

Doch als ganz nunmehr ihn das traurige Alter bedrängte,

Und kein Glied an dem Leib mehr regen er konnt' und bewegen,

Däucht ihr dieses anjetzt der ersprießlichste Rath in dem Herzen;

In ein Gemach ihn bringend, verschloß sie die glänzende Thüre,

Dort nun zittert ihm kläglich die Stimm', und die mindeste Kraft nicht

Hat er, wie sonst sie gewesen in seinen gelenkigen Gliedern.

So ja möcht' ich fürwahr dich unter den Himmlischen nimmer,

Daß du mir wärst unsterblich, und daß du mir ewiglich lebtest.

Wenn du jedoch, so wie jetzo du bist, an Gestalt und an Bildung,

Ewig du lebtest, und unser Gemahl dann würdest genannt seyn,

Da ja sollte mir Gram das Gemüth wohl nimmer umhüllen.

Aber es wird nun bald dich ein ähnliches Alter umhüllen,

Schonungslos, das allen den sterblichen Menschen bevorsteht,

Kümmerlich, mühebeladen, und das die Unsterblichen hassen.

Aber ein mächtiger Schimpf wird bey den unsterblichen Göttern

Mir deinetwegen beständig für ewige Zeiten verbleiben,

Die mein Kosen und Thern vordem, womit ich sie alle

Sanft, die unsterblichen, liebend vermählete sterblichen Frauen,

Fürchteten; denn es bezwang mein Dichten und Trachten sie allen.

Jetzt doch werd' ich den Mund nicht mehr bey den Himmlischen öffnen,

Davon irgend zu reden, dieweil ich gewaltig gekränkt bin,

Bitterlich, unaussprechlich, und mich in dem Geiste verirret,

Und empfangen ein Kind in des sterblichen Mannes Umarmung.

Dieses, sobald es zum ersten erblickt wird haben das Tagslicht,

Werden erziehen die holden gebirgeinheimischen Nymphen,

Die hier wohnen in diesem gewaltigen, großen Gebirge;

Die zu den Sterblichen nicht und nicht den Unsterblichen zählen;

Lang zwar leben dieselben und essen ambrosische Speise,

Und mit Unsterblichen tanzen den herrlichen Reigen sie oftmals;

Und die Silene begehn und der spähende Argostödter

Liebesverein im Gewind anmuthiger Grotten mit ihnen;

Und es entsprießen zugleich hochwipflige Eichen und Tannen

Auf der ernährenden Erde mit seidigen, wann sie entstehen,

Herrliche, üppig erblühend in ragenden Waldberghöhen.

(Und hoch stehen sie da, doch heilige Haine der Götter

Heißen sie, und sie haut mit dem Stahl kein Sterblicher nieder;)

Doch wann ihnen des Todes Geschick dann endlich gekommen,

Welken die herrlichen Bäume zuerst, absterbend im Boden.

Rings dann dorret die Rind', und herab nun fallen die Aeste,

Und es verläßt mit denselben der Göttinnen Seele das Tagslicht.

Die nun werden den Sohn, ihn bey sich habend, erziehen.

Wann er gereift dann ist zu der theuer ersehneten Jugend,

Werden den Sohn dir führen hieher und zeigen die Nymphen.

(Dir doch, daß ich es alles genau durchgeh' in Gedanken,

Nach vier Jahren hinwieder erschein ich dir, führend den Sohn her.)

Wann nun jenen, den Sprößling, zuerst du mit Augen erblickest,

Wirst du dich freun ihn zu sehn, da sehr gottähnlich er seyn wird;

Und dann wirst du ihn gleich zu der luftigen Ilios führen.

Fraget jedoch dich einer vielleicht von den sterblichen Menschen,

Was für ein Weib dir habe den theueren Sprößling empfangen,

Dem sey so zu erwiedern bedacht, wie nun ich es heiße;

Sag ihm, er sey dir von einer der lieblichen Nymphen ein Sprößling,

Derer, die dieses von Wald umgrünte Gebirge bewohnen.

Wenn du jedoch aussagst und mit thörigtem Sinne dich rühmest,

Daß du vermählt dich habest der schönumkränzten Kythere,

Dann wird Zeus in dem Zorn mit dem flammenden Donner dich treffen.

Alles nun hab' ich gesagt, doch du es im Herzen bedenkend,

Hüte dich, und sey still, und meide der Himmlischen Zorn dir.

Also sprach sie und schwebt' empor zu dem luftigen Himmel.

Sey mir o Göttin gegrüßt, du der trefflichen Kypros Beherrscherin;

Doch anhebend mit dir, dann schreit' ich zu andrem Gesange.
(S. 98-122)

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Übersetzt von Konrad Schwenck (1793-1864)

Aus: Die Homerischen Hymnen
übersetzt und mit Anmerkungen begleitet
von Konrad Schwenck
Frankfurt a. M. 1825
Gedruckt und verlegt bei H. L. Brönner



 

 


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