Pieter Corneliszoon Hooft
(1581-1647)
niederländischer Dichter
Amors Waffe
Amor klagte jüngst Cytheren,
Gänzlich sei durch meine Zähren
Seine Bogensehne schlaff;
Daß d'rum schon seit langer Weile
Auch nicht einer seiner Pfeile
In mein Herz verwundend traf.
Magst, sprach sie, dein Sorgen sparen,
Sieh' nur, daß von Doris' Haaren
Du ein paar ergattern kannst:
Nimmer hast auf deinen Bogen
Bess're Sehne du gezogen,
Als wenn sie darauf du spannst.
Büblein kam, als sie sich schmückte;
Stehlen mocht' es nicht, doch blickte
Bettelnd es sie an, so lang,
Bis sie es ein paar ließ raffen, -
Fertig hatt' es gleich sein Waffen,
Tief in's Herz sein Pfeil mir drang.
übersetzt von Ludwig
Troß (1795-1864)
Aus: Bato. Blumenlese
holländischer Gedichte älterer und neuer Zeit
Übersetzt von Dr. Ludwig Troß
Nebst einer Zugabe von G. H. van Senden
Siegen und Wiesbaden Verlag der Friedrich'schen Verlagsbuchhandlung 1845
(S. 6)
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Die Entstehung der Perlen
"Soll nimmermehr beglücken mich denn nach dieser Stund'
Der Huldblick deiner Augen, dein zarter Rosenmund?
Der Huldblick deiner Augen, dein zarter Rosenmund,
Die Neigung deines Herzens, das sonst mir offen stund?
So will ich dennoch bleiben dir ewig unterthan;
Doch meine wirren Sinne, - was wird aus denen dann?
Die wirren Sinne mögen nun ewig irre sein,
Da du, mein Stern, mich meidest mit deinem Liebesschein!"
Hold Lieb brach aus in Thränen, nicht länger sie sich zwang;
Die Thränen rollten nieder wohl auf die zarte Wang'.
Die hellen Thränen wirkten mehr, als hold Lächeln thut;
In seinen höchsten Leiden gleich schöpft er neuen Muth. -
Mit ihrem Stern Frau Venus auf heller Himmelsbahn
Belauerte die Beiden und sah das Wunder an.
"Und haben zarte Thränen," spricht sie, "so große Macht,
O, warum ist das Weinen den Göttern denn versagt?"
Die Thränen rollten nieder. Die Göttin, zart und gut,
"Ei, lieber mag verderben," spricht sie, "mein Rosenhut!"
Und eh' sie mochte leiden, daß Jemand sie zertrat,
Fing sie die lauen Thränen in ein frisch Rosenblatt.
"Was geb' ich um die Rosen? Was geb' ich um den Kranz?
Nun will ich Perlen schaffen von wundervollem Glanz!"
Die Thränen wurden Perlen, als ihr das Wort entging,
Die sie mit Gold durchbohrte und in das Ohr sich hing.
Und als sie vor dem Spiegel mit diesem Schmucke stand,
Behagt nicht Zaubergürtel ihr mehr, noch Rosenstand.
übersetzt von Ludwig
Troß (1795-1864)
Aus: Bato. Blumenlese
holländischer Gedichte älterer und neuer Zeit
Übersetzt von Dr. Ludwig Troß
Nebst einer Zugabe von G. H. van Senden
Siegen und Wiesbaden Verlag der Friedrich'schen Verlagsbuchhandlung 1845
(S. 7-8)
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An ein trübsinniges Mädchen
Klara, was hat denn dein Herzchen beschwert,
Daß es statt Fröhlichkeit Trübsinn nur nährt,
Und allzeit so ängstlich, so düster sich quält,
Wie's Blümlein, dem nährender Morgenthau fehlt?
Wimmelt nicht um dich der Jünglinge Zahl?
Hast du nicht, wie du sie wünschest, die Wahl?
Und brennt nicht und flammet nicht Alles vor Glut,
Wenn huldvoll dein Auge und freundlich d'rauf ruht?
Anders nichts lispelt die Luft im Gezweig,
Anders im Schilf nichts am blinkenden Teich,
Als: Lustig, ja lustig! Ja, lustig und rein
Hüpft's Brünnlein dahin durch den blumigen Hain!
Sieh doch, wie offen das Blümlein da steht,
Wie es so herzlich zum Frohsinn dir räth!
Die Sonne selbst wünschet dir froheren Muth
Und blickt auf dich nieder, so freundlich, so gut!
Wenn aber dennoch durch all' ihr Bemüh'n,
Frohsinn nicht machet dein Herzchen erglühn:
Selber dann bringst du an's Trauern den Bronn,
Die Bäume, die Blumen, die heitere Sonn'!
übersetzt von Ludwig
Troß (1795-1864)
Aus: Bato. Blumenlese
holländischer Gedichte älterer und neuer Zeit
Übersetzt von Dr. Ludwig Troß
Nebst einer Zugabe von G. H. van Senden
Siegen und Wiesbaden Verlag der Friedrich'schen Verlagsbuchhandlung 1845
(S. 9-10)
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Neue Liebe, neues Leben
Bange Nacht von drei ängstlichen Jahren,
Seit mein Stern ist zu Grabe gefahren;
Weiche, du Trauer, die sonst mich gequält hat,
Weil mir die Sonne der Liebe gefehlt hat;
Denn der Glanz, der jetzt wieder taget,
Alle Wolken und Nebel verjaget.
Jetzt erglänzt eine andere Sonne,
Die mir Seligkeit strahlet und Wonne,
Die mit verzehrender Glut mich durchzittert;
Nerven und Adern belebend erschüttert,
Gram und Weinen und Jammer verscheuchet,
Und die starrenden Glieder erweichet.
Ach! Lenore in üppiger Jugend,
Schönes Sinnbild von jeglicher Tugend,
Lispelnd ein: Ja! mit korallenem Munde,
Schenkt mir die schönste, die seligste Stunde,
Und ihr Auge, mit glänzendem Blicke,
Scheucht die Nacht und den Nebel zurücke.
Helle Augen mit lieblichen Strahlen,
Wo die Reize der Schönheit sich malen,
Funkelnde Sterne, in euerem Winken
Siehet man Freundlichkeit, Güte blinken,
Und mir deucht, daß bei euerem Funkeln
Selbst des Himmels Gestirne sich dunkeln.
Holdes Mündchen, bei dessen Berühren
Selbst die Rosen die Farben verlieren:
Wenn du sogar mit bezaubernden Klängen
Kannst aus den Banden die Seelen verdrängen,
Wie dann wundert es mich, daß das Küssen
Deiner Lippen auch mir sie entrissen?
Ach! du wandelst die Trauer in Freuden,
Und dir weichet mein Gram und mein Leiden;
Liebliches Aeugeln und Lispeln der Liebe
Löschen - und nähren die glühenden Triebe,
Die mich wechselnd bedrohn und beglücken
Und mich teilen in Qual und Entzücken.
Edle Augen, gesegnete Sterne,
Ach, wie seh' ich euch blinken so gerne!
Quellen der Freude, ihr winket zur Liebe,
Aber in Feuer erglühn meine Triebe,
Und versengt durch die Glut eurer Flammen,
Sink' ich schmachtend und schwindelnd zusammen.
Ach! ich würde das Leben verlieren,
Wenn nicht labender Lippen Berühren,
Eh' ein versengender Tod mich ereilte,
Wieder durch saugende Küsse mich heilte!
Und den Brand, der den Busen durchglühte,
Wieder löschte mit himmlischer Güte.
Doch wie sehr auch die süßen Gewalten
Deiner Augen gefesselt mich halten;
Wie auch entzückendes Lispeln und Küssen
Unwiderstehlich zu dir mich gerissen:
Mehr, als blendende Schönheit und Jugend,
Hält mich fest der Wert deiner Tugend.
Übersetzt von Peter
Friedrich Ludwig Christian von Eichstorff (1799-1848)
Aus: Orient und Occident Eine Blütenlese aus den vorzüglichsten Gedichten
der Weltlitteratur in deutschen Übersetzungen
Nebst einem biographisch-kritischen Anhang
Herausgegeben von Julius Hart
Minden i. Westf. J. C. C. Brun's Verlag 1885 (S. 351-353)
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Schönheits-Attribute
Leuchtend weiße zarte Händchen,
Feine Diebchen, Feuerbrändchen,
Herzen, die ihr eingefangen,
Euch an jedem Finger hangen.
Ihr rubindurchglühte Spitzen,
D'raus verborg'ne Funken blitzen.
Süß geschwellte, holde Lippen,
Zähnchen, Alabasterklippen,
Die dem schwankend leichten Boot
Meines Herzens Schiffbruch droht.
Blitzeleiter, Augensonnen,
Die so manchen Sieg gewonnen.
Deren leuchtend heller Schimmer
Ueberstrahlt der Sterne Flimmer.
O, den Tag könnt ihr erwecken,
Daß sich muß die Nacht verstecken.
Stärker ihr als Sternenlicht,
Denn der Sonne weicht ihr nicht.
Meine Welt dürft ihr verklären,
Wie die Sonn' die Hemisphären.
Euren Perlenmutter-Schein,
Schließt durchsichtig Elfenbein,
Doch geschlossen oder offen
Wird durch Euch mein Herz getroffen.
Brauen, wunderholde Bogen,
Die Cupido's Hand gezogen,
Schmal und edel, fein und stolz,
Dunkel, wie von Ebenholz.
Nette Ränder von dem Schrein,
Der da schließt Juwelen ein.
Wangen zart von Eis und Glut,
Lilienmilch und Rosenblut.
Mund der von Granaten stammt,
Kohle die mein Herz entflammt.
Stirne, offen schön und wahr,
Leuchtend wie die Lilie klar,
Wie des Meeres Spiegelbahn
Ziehst du meine Augen an.
Ihr anmutig goldne Flocken,
Feingekräuselt helle Locken,
Zart durchsichtig Labirinth
Wie's der Seidenwurm nicht spinnt,
Duftgewebe, Zauberfädchen,
Dran mich lenkt das süße Mädchen,
D'raus sie Schlingen dreht zu fangen,
Netze, d'rin so manche hangen.
Flöckchen, Löckchen zum Entzücken,
Schelme seid ihr voller Tücken,
Leicht gelockte gold'ne Flocken,
Leicht gelockt um leicht zu locken,
Schiffbruch habt ihr mir geschworen,
Denn die Bahn hab' ich verloren.
Wie soll ich mich noch erretten,
Da ihr webet Sklavenketten,
Die mit Banden mich umwanden,
Daß ich stranden muß und branden;
Ach, an einem einz'gen Riff
Scheitert schon ein schwaches Schiff.
Gern versengen Schmetterlinge
An umtanzter Glut die Schwinge,
Und wie schnell ist der gefangen,
Der so gern in's Netz gegangen.
Übersetzt von Luise
von Ploennies (1803-1872)
Aus: Reise-Erinnerungen aus Belgien
Von Luise von Ploennies
Berlin Verlag von Dunker und Humblot 1845 (S. 124-126)
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Morgengespräch zweier Liebenden
Liebhaber
Galathea, sieh! es
wird schon licht.
Galathea
Bleibe noch! Der
Sterne Schimmer
Glänzt in's Zimmer.
Bleib'! es ist der Mond, der durch das Fenster bricht.
Liebhaber
Galathé! heut' ist
kein Mondenschein.
Galathea
Wie? es hat nicht
Eins geschlagen;
Wie könnt's tagen?
Lieber! bleibe noch! es kann der Tag nicht seyn.
Liebhaber
Sieh' doch, Galathé!
es wird so hell!
Galathea
Ha, fürwahr! ich seh'
die bleichen
Schatten weichen.
Ach! ich seh' das Morgenroth! Die Zeit ist schnell! -
Warum währt die Nacht bis Abend nicht?
Warum können, ach! wir Beiden,
Ohne Scheiden,
Hier nicht bleiben, bis der Tod die Seelen bricht?
Liebhaber
Lebe wohl, Geliebte!
bleib' gesund.
Galathea
Woll', ach! einen Kuß
noch geben,
O mein Leben!
Nur noch einen Kuß von Deinem süßen Mund!
Ach, mein Leben! kommst heut' Abend noch?
Liebhaber
Deine Mutter möcht's
vernehmen,
Und sich grämen.
Doch, wenn Du nicht bang' bist, Liebe! komm' ich doch.
Galathea
Ach! ich kann nicht
fort von Deiner Brust!! -
Liebhaber
Sieh'! der Morgen
will nicht leiden
Läng're Freuden.
Engel! sey gedankt für alle Götterlust!
Übersetzt von Peter
Friedrich Ludwig Christian von Eichstorff (1799-1848)
Aus: Die schöne Litteratur Europa's in der neuesten Zeit
dargestellt nach ihren bedeutendsten Erscheinungen.
Vorlesungen gehalten vor einer gebildeten Versammlung
von O. L. B. Wolff
Leipzig Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel 1832 (S. 393-394)
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Klage
der Prinzessin von
Oranien, als ihr Gatte vor Herzogenbusch zog
Dein Prinzenaug', gewohnt zu funkeln
Mit reiner Himmelsflamm', kann auch
Der finstre Zorn es tief umdunkeln
Und trüben es durch ird'schen Rauch?
Und welch' Gefühl nimmt diesen Sternen
Den süßen Glanz?
Willst du der Liebe Glut verlernen
Ob Schwertes Glanz?
Ist Durst nach Ruhm in dir so mächtig,
Nimm in Triumph die Sklavin dein,
Und Blumenkränze, farbenprächtig, -
Kein Lorbeerkranz soll schöner sein -
Die flecht' ich dir, in Duft getauchet,
Als zarten Fund
Mit meinen Händen, angehauchet
Von deinem Mund.
Die gold'nen Lilien, lichten Steine
Laß nur der span'schen, wälschen Kron',
Nimm ihr der schönen Perlen keine!
Soll tausendfacher Tod dir drohn?
Dein Diadem wird schöner prangen
Wol nah und weit
Vom Thränenthau auf meinen Wangen
Aus Liebesleid.
Von neuen Todten neue Kunde
Bringt jeder Tag mir sicherlich;
Ein jeder stirbt an einer Wunde,
Doch alle Kugeln treffen mich.
Wie oft nicht hab' ich in Gedanken
Den Streich gefühlt -
Dorthin, wo weiße Federn schwanken,
War er gezielt.
Was suchst du, sprich, die dich nicht suchen,
Und was noch keinem Heil gewährt?
Daß alle Spanier dir fluchen,
Wird wol dein Ruhm dadurch vermehrt?
Denk', jubelnd würd' Madrid erhoffen
Ach, deinen Tod,
Vernähm' voll Freud', daß du getroffen! -
Sieh meine Noth.
Doch gilt dir Liebe nicht und Leben
Und nicht das Kind, das nach dir heißt,
So viel, als deines Muthes Streben
Und als der Ruhm, der fort dich reißt -
Vergönn' dann, daß ich mit dir reite
Durch Sturm und Graus,
Führ', gleich dem Schwert an deiner Seite,
Zum Kampf mich aus.
übersetzt von Wilhelm
Berg (Ps. von Lina Schneider) (1831-1909)
Aus: Das Buch der Liebe
Eine Blütenlese aus der gesammten Liebeslyrik
aller Zeiten und Völker
In deutschen Uebertragungen
Herausgegeben von Heinrich Hart und Julius Hart
Zweite Auflage Leipzig Verlag von Otto Wigand 1889 (S. 364-366)
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