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Unbekannte irische Dichter
(unbekannte Zeit)
Molly Astore
O Herz-Marie! Du Blümlein hold,
Du Stolz des Thals von När -
Glaubst Du, daß wie die Zeit auch rollt,
Dein Bild nicht bei mir wär?
Und bist Du fern, und kreist der Wein, -
Er macht mich fröhlich nie:
Ich sitze da und denke Dein,
Und seufz' um Dich, Marie!
Den Kuckuck hör' ich gar so gern,
Wenn warm der Sommer lacht,
Wenn grün die Welt und nah und fern
Erfüllt von Blumenpracht.
Das Vöglein singt manch' Melodie
Im Wald voll Sonnenscheins -
Sein Lied ist süß, doch ach! Marie,
Nicht halb so süß als Deins.
Von Stadt zu Stadt im Frühlingswind
Ging ich manch' eine Meil';
Ich traf auch manch' ein blühend Kind,
Und liebt' es eine Weil'.
Doch ob ich auch manch' Aug' geschaut:
Da bin ich wieder - sieh!
Denn keines ist so lieb, so traut,
So blau wie Deins, Marie!
(S. 185-186)
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Nelly Ban
O setz Dich zu mir, Nelly Ban, laß Deinen Hals mich küssen,
Und wehrst Du mir, mein goldig Lieb, so werd' ich sterben müssen.
Für Dich wol schwämm' ich durch den Suir und Shannon hin, - denn sieh!
Das schönste Mädchen bist Du ja am bläulichen Loch Rie.
Wär' mein die Stadt am bläulichen Loch Rie - Portumna's Gassen,
Die Stadt Dublin, sammt Limerick - ich wollt' sie gerne lassen.
Dieß Alles und noch zehnmal mehr gäb' gern ich Deinem Clan,
Könnt' ich dafür gewinnen Dich, Du süße Nelly Ban.
Nun lieber Shannon, meinen Gruß trag hin nach Connaught's Haiden,
Und grüße mir mein goldig Lieb, von dem ich mußte scheiden.
Auf Thomond's düstrem Hochgebirg da pflegt' ich sie zu sehn -
Nun rauscht der Shannon zwischen uns, kann nicht hinüber gehn.
Ach, lieber als auf flinkem Roß im Hochgebirg zu pirschen,
Und lieber als der grüne Wald mit allen seinen Hirschen,
Und lieber als die Schiffe all im Port von Limerick,
Wär' mir am bläulichen Loch Rie von Dir, mein Schatz, ein Blick.
O, wär' ich todt und läge schon auf Hügeln fern begraben!
O, flögen um mein Grab schon rund die Geier und die Raben!
Weil ich Dich liebe, Nelly Ban, so heißt und inbrunstvoll,
Und Deine Mutter sagt, daß ich ihr Sohn nicht werden soll.
(S. 187-188)
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Warst du in Carrick?
Warst Du in Carrick und sahst Du mein Treulieb dort?
Sahst Du ihr Antlitz, vernahmst Du ihr süßes Wort?
Sahst Du den Apfelbaum prangen in Blütenzier -
Sahst Du mein Mädchen und seufzt sie in Gram gleich mir?
Ich war in Carrick und sah auch Dein Treulieb dort.
Ich sah ihr Antlitz und hörte ihr süßes Wort.
Ich sah den Apfelbaum prangen in Blütenzier -
Ich sah Dein Mädchen; sie seufzt nicht in Gram gleich Dir.
Fünf Guineen ist jegliche Locke werth -
Wär mir ein Kissen von solch goldnem Haar bescheert,
O, wie dann wollt' ich in ewiger Wonne ruhn!
Und also trink ich hier auf Deine Schönheit nun!
Lieg ich des Nachts auf dem Lager - ach Gott, wie schwer
Ist dann mein Herz! Und wie werf' ich mich hin und her!
Ach es weiß Einer nur, wie ich so lieb Dich hab -
Einer nur, Einer nur - der schaut in's Herz hinab.
Eh' nicht der gelbe Herbst fällt in die Osterzeit,
Eh' nicht St. Patrickstag sich an die Pfingsten reiht,
Eh' nicht auf meinem Grab roth blüht der Nelkenstrauch,
Laß ich mein Lieb nicht, und wollt' es der König auch!
(S. 189-190)
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Culin
(Wahrscheinlich
von Maurice O'Dugan, einem Barden um 1641)
O, habt Ihr gesehn mein Culin,
Und ging sie, wo der Kukuck singt,
Wo das grüne Gras mit dem frischen Thau
Um ihren weißen Fuß sich schlingt?
O, sie ist mein Lieb und mein Culin,
Und wohnt in Balnagar,
Die schönsten Augen hat sie, und
Das allerschönste Haar.
In Balnagar ist mein Culin,
Und trägt einen schönen rothen Rock;
Die Schönheit wohnt an ihrer Brust,
In ihrem braunen Haargelock.
Und ihr Gesang ist süßer,
Als Lerch- und Drosselsang;
Ja süßer, als die Amsel singt,
Bei Sonnenuntergang.
Nun auf, mein Knapp! und sattle
Mein Roß, damit ich reiten kann,
Wol durch den Wald, wol durch das Thal,
Wol durch den Fluß den Berg hinan.
Nun angesetzt, mein Rößlein,
Die Flanken hoch bei Sporendruck;
Ich hab' sie neunmal lieber ja
Als Orgel und Kuckuck.
Seit meinen frühen Jahren
Hab' ich geliebt mein süßes Kind,
Bis daß mit Reden allerlei
Die Leut' dazwischen kommen sind.
Nun ist mir weh und bange,
Und weinen möcht' ich Tag und Nacht,
Daß sie mit ihren Reden mich
Um meinen Schatz gebracht.
Denkst Du daran, mein Culin,
Wie wir einst saßen, nachtumgraust,
Beim Eschenbaum, im Wintersturm,
Als über uns der Wald gebraust?
Wir saßen arm und elend
Bei Nebel, Nacht und Eisgetropf;
Meinen Rock den schlugen wir um den Fuß,
Deinen Mantel um den Kopf.
(S. 191-193)
Culin ist das wehende Seitenlöckchen, welches einen Theil
der altirischen Tracht bildete und in einem um 1295 in Dublin
gehaltenen Parlamente verboten ward.
Nur einige wenige irische Häuptlinge, welche in der Nähe
des englischen Regierungssitzes lebten,
gehorchten, und schnitten ihre Locken ab;
Die Übrigen aber trotzten dem Verbot bis in die Zeit Heinrich's VIII.
Seitdem nannte der irische Jüngling seine Geliebte,
das irische Mädchen seinen Geliebten im Gegensatz
zu den Englischen, mit welchen jedes Liebesbündniß
verabscheut wurde: "Culin".
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Pasthin fionn
Mein schön Pasthin ist all meine Lust;
Wenn ich sie seh, wie klopft mir die Brust!
Augen so blau, und der Busen Blüthenschnee -
Und ihr Hals stolz, wie der Schwan auf dem See.
Oro, drum komm zu mir! komm zu mir! komm zu mir!
Oro, und komm zu mir! komm, braunes Kind!
O, und ich ging wol durch Wetter und Wind,
Wenn Du wolltest kommen zu mir, braunes Kind!
Lust meiner Seele - mein schönes Pasthin!
Röslein, das hat ihr die Farben geliehn.
Farbe zur Wange, und Farbe zum Mund -
Könnt' ich sie küssen, allüber und rund!
Oro, drum komm zu mir! etc.
Wär' in der Stadt ich, wo Lust ist und Spaß,
Oder auch säß' ich am vollen Whiskeyfaß;
Hätt' ich mein schönes Pasthin auf dem Knie:
Tausend Glas wollt' ich wol trinken auf sie!
Oro, drum komm zu mir! etc.
Neun Nächte lag ich in Sehnsucht und Pein
Unter dem Regen, bei Busch und bei Stein;
Unter dem Regen, mein schönes Pasthin,
Hab' ich gepfiffen, gerufen, geschrieen.
Oro, drum komm zu mir! etc.
Lassen mein Volk will ich, Freund, Haus und Feld,
Ansehn kein Mädchen mehr in der ganzen Welt.
Aber Dich geb' ich, Dich geb' ich nicht frei,
Bis daß ich todt bin und Alles vorbei!
Oro, drum komm zu mir! komm zu mir! komm zu mir!
Oro und komm zu mir! komm, braunes Kind!
O, und ich ging wol durch Wetter und Wind,
Wenn Du wolltest kommen zu mir, braunes Kind!
(S. 194-195)
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Braundorn
Und wähnen sie auch, daß gewonnen ich sei,
Wenn mir huldigt ihr Blick, wenn ich lächle dabei:
Wenn ich dessen gedenk', dem so gut ich ja bin,
Dann ist Alles umsonst, dann ist Alles dahin.
Welche Schätze der Wonne verbirgt mir sein Mund!
Welchen Reichthum der Hoheit der Stirn stolzes Rund!
O, vor Andern steht er hoch und vorn,
Er ist wie die Blüthe am luft'gen Braundorn.
O, gingen die Andren, die Diener des Scheins!
Sie rühren wol nimmer ein Herze wie meins.
Sie klagen in Prosa, sie wimmern im Reim,
Indeß trägt mein Liebster die Braut lächelnd heim.
'S ist kein eiteles Ding, das mit Thorheit ihn quält,
Kein Putzpüppchen, das sich mein Liebster erwählt;
'S ist Eine, die treu ist und zärtlich und still,
Und lieben und hegen und pflegen ihn will.
O klein von Gestalt auch mein Liebster mag sein:
Wenn er freundlich mir zulacht, dann ist er nicht klein.
Im Garten gibt's Bäume, großmächtig und stolz:
Doch es kommt auf die Frucht an, und nicht auf das Holz.
Wenn ich aufsteh' früh Morgens, eh' hin ist der Thau,
Dann wandert mein Blick durch das Feld und die Au,
Zum Liebsten, den nie so genannt noch mein Mund:
Denn rechte Lieb' gibt nur durch Blicke sich kund.
(S. 196-197)
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O Mädchen mit dem braunen Haar!
O, wenn Du kommst nach Leitrim, wol in die grünen Flächen,
O Mädchen mit dem braunen Haar!
So woll'n wir Honig essen und trinken aus den Bächen,
O Mädchen mit dem braunen Haar!
So zeig' ich Schiff' und Segel Dir, die fern vorübergehn,
Und bau' ein kleines Hüttlein hier, am Rand der blauen See'n,
Und Liebe soll und Frühlingsluft Dich ewiglich umwehn,
O Mädchen mit dem braunen Haar!
Nach Leitrim, o nach Leitrim mag ich mit Dir nicht reisen,
Ich Mädchen mit dem braunen Haar!
Kommt nun der bleiche Hunger, kann mich Dein Lied dann speisen,
Mich Mädchen mit dem braunen Haar?
Viel lieber will ich leben so, will sterben so als Magd,
Als wandern durch den feuchten Forst, in dem es nimmer tagt;
Und daß Du mein Geliebter bist, hab' ich Dir das gesagt,
Ich Mädchen mit dem braunen Haar?
Wol über dem Gebirge hab' ich sie einst getroffen,
Sie schien mir als ein Sternlein klar -
Wir stiegen, weil ich liebend sprach von meinem Hoffen,
Zum Feld, wo ihre Heerde war.
Und dorten unter'm Hagedorn, da saßen wir im Klee.
Da hab' ich ihr versprochen, zu tragen Lust und Weh
Und Alles, was um unsre Lieb' ihr von der Welt gescheh',
Dem Mädchen mit dem braunen Haar.
Ach, ach mein Herz ist traurig, daß es Dir muß entsagen,
O Mädchen mit dem braunen Haar!
Daß ich Dich nicht mehr küssen soll im Klee dort unterm Hagen,
O Mädchen mit dem braunen Haar.
Durchwandern muß ich nun allein die lange Sommernacht -
Was soll mir nun der Mondenschein? Und was der Sterne Pracht?
Die Eine ist ja nicht mehr mein, die Alles schön gemacht,
O Mädchen mit dem braunen Haar!
(S. 198-199)
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Wär' ich -
(Ende des 17.
Jh.s)
Wär' ich am Zweig die reife Frucht,
Die dorten leuchtet, sanft und still;
Die Deinen Blick zu fesseln sucht,
Und Dir am Munde sterben will.
Wär' ich die Rose dort im Laub,
Die über Deinem Lager glüht,
Und, nach der flücht'gen Wonne Raub,
Selig am Busen Dir verblüht.
(S. 202)
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Übersetzt von Julius
Rodenberg (1831-1914)
Aus: Die Harfe von Erin
Märchen und Dichtung in Irland
von Julius Rodenberg
Leipzig Fr. Wilh. Grunow 1861
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