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Jonas Hallgrimsson
(1807-1845)
isländischer Dichter
Die Augen des Mädchens
Lichtaufblickend Mädchen mein,
Traun! ich muss die Augen dein
Zwei Brenngläser nennen;
Sonnenstrahlen sammeln sie,
Doch von innen, weiss es gut,
Dass an ihrer Strahlenglut
Deine Freunde sich verbrennen.
(S. 361)
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Ich lasse grüssen
Der liebe Süd haucht Lüfte, mild und lind,
Und auf der See erheben sich zum Wandern,
Die kleinen Wellen, eine nach der andern;
Zu dir, mein Island, eilen sie geschwind.
Mit sanftem Laut grüsst, die mir teuer sind,
Im Lande dort, und die ich nun entbehre!
Küsst Wellen, mir das Fischerboot im Meere,
Umfächle schöne Wangen, Frühlingswind!
Lenzbote, treuer Vogel, der du ziehst
Hoch durch die Lüfte nach dem Sommerthal,
Um dort zu singen froh die Lieder dein;
Ein Englein in der Jacke, wenn du siehst,
Mit Mütz' und roter Quaste*, grüss zumal;
Dies, liebe Drossel, ist die Liebste mein!
(S. 362)
* Die Werktagstracht der Isländerinnen besteht aus einem schwarzen
eng anschliessenden, vorne halb offenen Jäckchen, einem dunklen Rock,
einer bunten Schürze und - was das Charakteristische an derselben ist, -
einer kleinen, schwarzen, flach anliegenden, fast den ganzen Kopf
frei lassenden Mütze oder Calotte mit langer, seidener,
links vorne herabfallender Quaste.
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Ende der Reise
Dunkle Nachtwolken
Bedecken den Stern
Der Liebe über Lavafelsen;
Er lachte am Himmel;
Nun härmt sich sehnend
Der Knabe tief im Thale.
Ich weiss, wo die Hoffnung,
Die Welt mein, erstrahlt
In Gottes lichter Lohe;
Des Gedankens Bande
Brech' ich und ganz
Eil' ich in deine Arme.
Ich seh' und versenk' mich
In deine Seele,
Und dein Leben nur leb' ich;
Jeder deiner
Atemzüge
Fühle ich heiss im Herzen.
Im Gebirge Blumen
Wir beide pflückten
Auf hoher Bergeshalde;
Ich band einen Strauss,
Und in den Schoss dir
Legt' ich die lieben Gaben.
Du aber setztest
Einen duftenden Kranz mir
Lichter, blauer Blumen aufs Haupt,
Einzig nur mir,
Und alles gefiel dir,
Und nahmst ihn hernach wieder fort.
Wir lachten auf der Heide,
Der Himmel klärte sich
Prächtig über den Bergen;
Nichts Schöneres
Schien mir's zu geben,
Als unser Leben zu leben.
Da weinten, ach, gute
Blumen-Elfen,
Sie wussten, wir sollten scheiden;
Wir hielten's für Tau,
Und die Tropfen, die kalten,
Küssten wir von der Weide.
Hielt im reissenden Flusse
Dich fest auf dem Pferde
Und fühlte im vollsten Empfinden:
Könnt' diese Blume
Ich tragen und hüten
Mein ganzes Leben lang!
Kämmte, so gut ich
Nur konnt', an der Galtara
Dir die lichten Locken;
Der Blumenmund lächelt.
Die Sehsterne blinken,
Rot wird die heisse Wange.
Fern ist nun deine
Frohe Begleitung
Dem Knaben tief im Thale;
Hinter den Wolken
Winkt der Stern
Der Liebe über Lavafelsen.
Der Himmelsraum scheidet
Die hohen Welten,
Das Blatt scheidet Rücken und Schneide;
Doch Seelen, die innig
Einander lieben,
Kann keine Ewigkeit scheiden.
(S. 362-364)
Galtara - ein Fluss
Das Blatt - Blatt eines Messers
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Sehnsucht
Dein gedenk' ich,
Wenn am Tag die Sonne
Hoch am Himmel leuchtet;
Gedenk' ich, wenn der Mond
Zum Meeresschosse
Niedersinkt silberblau.
Himmelslüfte
Hauchen deinen
Namen mit Lauten der Liebe;
Ihn auch plätschert
Plaudernd das Bächlein
Heiter auf grüner Halde.
Manches, merke ich,
Möchte dir gleichen
Auf Gottes guter Erde.
Der Anmut dein das Frührot,
Den Augen die Sterne blau,
Den lichten Händen die Lilien.
Warum hat das Schicksal
Uns auf verschiedene
Bahnen beide gewiesen?
Warum liess es
Mein ganzes Leben
Nicht mit dir mich geniessen?
Lange werde ich,
Eh' dein lichtes Bild
Mir aus der Erinnerung schwindet,
Den Weg, den du jetzt
Wandeln musst,
Trauernden Aug's betrachten.
Die sonnigen Mädchen,
Die ich seither sah,
Alle an dich erinnern.
Drum geh' ich einsam
Und ohne Stütze
Zu den dunklen Thüren.
Stütz' auf den Stein mich,
Starr wird die Zunge,
Die Lebensflamme flackert. -
Gesunken ist das Weltlicht,
Silbersterne flimmern,
Nach dir allein verlang' ich. -
(S. 364-365)
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übersetzt von Josef
Calasanz Poestion (1853-1922)
Aus: Isländische
Dichter der Neuzeit
in Charakteristiken und übersetzten Proben ihrer Dichtung
Mit einer Übersicht des Geisteslebens
auf Island seit der Reformation
von J. C. Poestion
Leipzig Verlag von Georg Heinrich Meyer 1897
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