Europäische Liebeslyrik

(in deutscher Übersetzung)

Edward Charles Halle (1846-1914) - Die Musik

 


Ferenc Kazinczy (1759-1831)
ungarischer Dichter


An Minni

Für dich flammt' ich, du erglühtest,
Ich erglüh' noch, du nicht mehr.
Wie du dein Geheimnis hütest,
Ach, ich fühl' es nur zu sehr!
Seufzend und in Schmerz befangen,
Rufet "Minni!" oft die Brust;
Und im Kummer und im Bangen,
Wein' ich über den Verlust.

Hingegangen, hingeschwunden,
Ist des Lebens Göttertraum;
Doch um dich, ob tief die Wunden,
Geb' ich nicht der Klage Raum:
Nie soll dir das Glück entschwinden,
Trag' dann leichter, was mich trübt;
Seufz' mit stolzerem Empfinden:
Minni hat mich einst geliebt.
(S. 54)
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Das Versprechen

Welch einen Tag des Glücks hab' ich gesehen!
Von zweier schöner Schwestern Arm umfangen,
Wallt' ich durch's Feld mit lieberregtem Bangen,
Hin, wo am Bach die schlanken Pappeln stehen.

Wo üppig sich die duft'gen Kräuter blähen,
Sass ich bei ihr, die ewig mich gefangen;
Sie sang. Im Ton, im Blühen ihrer Wangen,
Umwallte mich entzückend Himmelswehen.

Der Zauber, der in ihrem Sange lebt,
In ihrer weichen Silberstimme bebt,
Schmückt der gepries'nen Sängerinnen keine.

Doch süsser noch als alle Lieder flötend,
Durchbebt's mich, als an mich geschmiegt, erröthend,
Das zarte Mädchen haucht: ich bin die deine.
(S. 54-55)
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Mein Beglücker

Von Millionen, die die Erde zählt,
Verfolgt wie mich, die blinde Ate keinen;
Greift wüthend manchmal sie der Andern Einen,
Gleich ist sein Gott ihm schützend zugesellt.

Mich schützt der Himmel nicht, und nicht die Welt,
Aufzehrt der Kampf das Mark in den Gebeinen;
Ohnmächtig, ach! erschöpft, kann ich nur weinen;
Wo Balsam für die Wunde, die mich quält?

Und Eros dauert meines Leben Leiden:
"Der Ate Zürnen sänften meine Freuden."
Er sprach's; im Arme ruhet mir Sophie. -

Seit sie die Leuchte meines Lebens Nächten,
Seit ich umschirmt von Amors heil'gen Mächten,
Schmerzt mich der wilden Ate Rasen nie.
(S. 55)
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Ihr Bild

Der Morgen wecket mich; mein höchstes Gut,
Ihr göttlich Bild tritt meinem Aug' entgegen.
Wie bebt mein Herz in süssen Liebesschlägen,
Auf lodert flammenhell die alte Gluth.

"Sie ist's, sie ist's!" so ruft mein wallend Blut.
Ich küss' die Luft, als wäre sie zugegen,
So sprach, so ging sie, so war ihr Bewegen,
So sank ans Herz sie mir voll Liebesmuth.

Wie einst mit Ihr, beginn' ein Flüstern ich
Jetzt mit dem Bild; verborgen, neckend, süss;
Nun holden Streit, nun Worte lieb und mild.

Bis ich dies treibe, hebt die Sonne sich,
Schickt durch die Jalousieen ihre Grüss',
Umstrahlt mit Himmelsglorie das Bild.
(S. 55-56)
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Mein Lebenskahn

Leicht schwebt mein Lebensnachen seine Bahn,
Durch Wirbel fort, durch steile Klippen hin,
Ob Wogen dräu'n, ob Stürme ihn umzieh'n,
Er scherzt im Wetter, das ihn oft umfah'n.

Die Gattin führ', die Kleinen ich im Kahn,
der Süssen Kusse weicht der Stirne Glüh'n.
Am Mast verschlungen Myrth' und Harfe blüh'n,
Vom Segel weh'n mich Zaubertöne an.

In trübes Dunkel hüllt mein Pfad sich wieder, -
Ein schöner Stern blickt liebend auf mich nieder,
Auf seinen Strahlen nah't ein heil'ger Glaube.

Hinan! hinan! ich bebe keinem Dräuen!
Kronion lässt dem Unglück nicht zum Raube
Den Leibenden, den Sänger, und den Treuen.
(S. 56)
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Übersetzt von Johann Graf Mailath (1786-1855)

Aus: Blumenlese aus ungrischen Dichtern
in Übersetzungen von Gruber, Graf Mailath, Paziazi,
Petz, Graf Franz Teleki d. Jüng., Tretter u.a.
Gesammelt und mit einer einleitenden Geschichte
der ungrischen Poesie begleitet von Franz Toldy
Pesth und Wien 1828




 

 


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