Johann Heinrich Kellgren (1751-1795)
schwedischer Dichter
Die neue Schöpfung oder die Welt der Phantasie
Die Du aus anmuthsreichem Grunde
Ein Urbild bist, so himmlisch rein,
Ich sah Dich und von dieser Stunde
Seh in der Welt ich Dich allein!
Todt war dem Aug' der Welt Gewimmel
Und mein Gefühl begriff es nicht,
Da kamst Du, wie ein Strahl vom Himmel,
Und überall nun ward mir Licht.
Ja Licht, zu Flammen hell entzündet,
Im todten Stoff schlug nun ein Herz,
Mein Aug' ein holdes Antlitz findet
Und meinem Ohr klang Lust und Scherz.
Seh' Neues rings im Weltenraume
Und diese Erd' schmückt neue Pracht,
Der Geist erwacht aus dumpfem Traume,
Die Schönheit regte sich und lacht.
Da hat der Heimat Spur gefunden
Die Seele auf der Himmelsflur,
Sie sah, was Nacht sonst hielt umwunden,
Die hehren Wunder der Natur.
Nicht Hoheit nur in Höh'n und Klüften,
Auf Ebnen nicht nur Pracht und Glanz.
Nicht in den Thälern blos und Grüften
Und Hainen holder Blumenkranz -
Nein, auch die Harmonie der Sphären
Im Tanz zu Engelharfenklang;
Doch aus den Tiefen hört', mit Zähren,
Der bösen Geister Schrei'n ich bang!
Der Friede lag auf grünen Feldern,
Schreck schlich sich um durch's finstre Thal,
Im Haine lacht die Lust - in Wäldern
Ertönten Seufzer bittrer Qual.
Und Zorn war in des Meeres Wogen,
In Quellen rieselt Zärtlichkeit,
Als König kommt die Sonn' gezogen,
Der Mond als schüchtern bleiche Maid.
Den Rachepfeil am Blitz wetzt Jeder,
Des Sturmes Wehn ist frischer Muth,
Stolz hebt die Stirn die hohe Ceder,
Die Traube opfert uns ihr Blut.
O Du, Vernunft in todten Dingen,
Schönheit, ich singe Deinen Preis,
Wem könnt's zu fassen Dich gelingen?
Nur dem, so recht zu lieben weiß!
Wenn Liebe die Natur mir malet
Zu Himmeln voller Licht und Glück,
Dann ist's, als wenn ihr Bild mir strahlet
In Hilmas Antlitz, Hilmas Blick!
Ja, meiner Seel' leiht sie den Stempel
Des Seligen, der Schöpfung Kreis.
Da wird die Erde mir zum Tempel,
Worin ich sie als Gottheit preis'. -
Die Du aus anmuthreichem Grunde
Ein Urbild bist, so himmlisch rein,
Ich sah Dich - und von dieser Stunde
Sah in der Welt ich Dich allein!
So, wie Du hold Dein Dasein kränzest,
Dieselbe stets, doch ewig neu,
Bist Du die Lilie, und doch glänzest
In ihrem Bild Du lieb und treu!
Dein Blick mischt sich mit dem der Sonne,
Dein Ton hat Nachtigallenklang,
Dein Hauch ist duft'ger Rosen Wonne,
Des Westwinds Säuseln gleicht Dein Gang!
Noch mehr - den Gram machst Du zur Freude
Und füllst mit Licht des Abgrunds Nacht,
Deckst Wüsten mit der Blumen Kleide,
Giebst Trümmern hehrer Werke Pracht.
Wenn mein Gedanke kühn sich hebet,
Voll Sehnsucht irrend durch die Welt,
Wenn er durch Erd' und Himmel schwebet,
Den suchend, der dies All erhält -
Und fragt: In welchem seiner Werke,
So schön als gut, so froh als mild,
Sein Lieben glänzt in höchster Stärke,
Dann zeigt er immer mir Dein Bild.
Im Königssaal, am Hof, in Städten,
Seh unter Schaaren ich nur Dich!
Hat Hütten einst mein Fuß betreten,
Warst Du schon da und grüßtest mich!
Wollt' schöpfen einst im Weisheitsbronnen,
Dein Name rief hinweg mich schnell,
Wollt' singen dem, der Sieg gewonnen
Und sang Dein Lob nur klar und hell!
Der Ehre Höh' wollt' ich erklimmen
Und blieb in Deiner Spur allein,
Zum Ziel des Glückes wollt ich schwimmen,
Doch war das Glück: bei Dir zu sein! -
Die Du aus anmuthreichem Grunde
Ein Urbild bist, so himmlisch rein,
Ich sah Dich und von dieser Stunde
Seh in der Welt ich Dich allein!
Ach, meinem Blick bist Du entrissen,
Zu denken Dich blieb nur zurück,
Doch, daß Du bist und lebst zu wissen,
Ist auf der Welt mein höchstes Glück.
(S. 9-12)
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Frühlingslied
Winters Macht nun ziehet -
Weg von unserm Zelt,
Zornig er nun fliehet
Nach der Lappen Fjäld!
Und die Anemone
Hebt sich leis empor,
Aus dem Schnee die Krone
Schüchtern guckt hervor.
Ganz von Laub umschlungen
Seh ich einen Platz,
Sie, die ich besungen,
Ruhet dort, mein Schatz!
Lenz und Liebe! beide
Nah'n, daß sonder Fehl
Süße, reine Freude
Fülle meine Seel!
Horch, der Staar dort schnattert
Hoch in Birken, laut,
Schmetterling umflattert
Seine Rosenbraut.
Helles Silber schimmert
Flutend dort im See,
Bär in Klüften wimmert,
Brüllt vor Liebesweh.
Sieh, der Westwind fächelt
Zart der Lilie Brust,
Und die Schöne lächelt
Süß in Liebeslust.
Liebende, benützet
Diese Liebeszeit,
Wenn Ihr säumig sitzet,
Flieht sie von Euch weit.
Lebt, von Lust beglücket,
Kurze Stund' sie währt!
Jugend die Euch schmücket
Wird Euch kurz bescheert!
(S. 13-14)
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übersetzt von Edmund Lobedanz (1820-1882)
Aus: Album Schwedisch-Finnischer Dichtung
Deutsch und mit biographisch-literathistorischen Notizen
von Edmund Lobedanz
Mit Tegniers Portrait, gestochen von Weger
Leipzig Albert Fritsch 1868