Europäische Liebeslyrik

(in deutscher Übersetzung)

Edward Charles Halle (1846-1914) - Die Musik

 


Joseph Levai (1825-1918)
ungarischer Dichter


Spätes Schwärmen

Schlummer, zu verscheuchen nicht,
Trübt des Auges Schimmer,
Nur dein schönes Angesicht
Seh' ich dort noch immer.
Kußbereit
Scheinst du hier zu schweben,
Doch wie weit,
Weit bist du im Leben!

Weiter als die Sterne bist
Du in Wahrheit ferne,
Doch wie du so reizend ist
Kaum der Glanz der Sterne.
Ob auch streicht
Wie vom Sturm getrieben,
Nie erreicht
Dich die Schwalbe: Lieben!

Ach, dein süßer Name rauscht
Noch von meinem Munde,
Wenn ringsum kein Späher lauscht,
In des Schlummers Stunde.
Deine Hand,
Rosig, webt die Träume,
Doch ich fand:
Träume sind nur Schäume!

Niemals, glaub' ich, erdenwärts
Werd' ich Tage sehen,
Jene Tage, wo dein Herz
Meines wird verstehen.
Gabst du auf
Doch gleich Hoffnungslosen,
Was im Lauf
Diesseits blüht an Rosen.

Weshalb kamst du nicht zu mir
An des Lebens Morgen,
Als die erste Liebe dir
Nahte, fern den Sorgen,
Als noch kein
Harm uns konnte trennen,
Und dich sein
Niemand durfte nennen?!

Ach, wie mochte damals doch
Deine Seele schauen,
D'rin auch jetzt so siedend noch
Leidenschaften brauen!
Halb Vesuv,
Halb auch Morgensonne,
Barg und schuf
Sie des Himmels Wonne!

Meine Liebe hätte da
Auf der Sehnsucht Flügel
Schwärmerisch umflattert ja
Deines Busens Hügel.
Ach, dein Haupt
Hätten dann für immer
Dicht umlaubt
Blumen, welkend nimmer.

Gott hat, Kind, für Dichter nur
Dich erschaffen wollen,
Doch auf welkverlassner Flur
Scheinst du nun verschollen.
Ist dein Sein
Doch der Wüste Bildniß,
Kahl wie ein
Stück duftloser Wildniß!

Sieh, die Zeit fliegt wie ein Pfeil,
Bald wirst du gewahren,
Daß dahin der beste Theil
Von des Lebens Jahren,
Wie verlor
Oftmals schon am Damme,
Hart am Moor,
Sich des Irrlichts Flamme.

Wie ein irrer Wandersmann,
Der vom Himmel nieder
Stürzend sich nicht fassen kann,
Zieh' ich hin und wieder,
Nur mein Grab,
Ob's auch schmucklos bliebe,
Sagt: Herab
Fiel ein Stern der Liebe!
_____


Aus: Klänge aus dem Osten.
Ungarische Dichtungen frei übersetzt von
Demeter Dudumi [1855]
Zweite Auflage Pesth Verlag von H. Geibel 1855 (S. 44-50)



 

 


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