Europäische Liebeslyrik

(in deutscher Übersetzung)

Edward Charles Halle (1846-1914) - Die Musik

 


Thomas Lyle (1827)
schottischer Dichter


Kelvin Hain

Laß uns geh'n nach Kelvin Hain, liebes Mädchen,
Schweifen durch die schatt'gen Reihn, liebes Mädchen,
Wo die Ros' in ihrer Pracht
In des Thales Gründen lacht,
Und die Elfe tanzt um Mitternacht, liebes Mädchen.

Laß uns wandern Hand in Hand, liebes Mädchen,
Zu der Grott' an Baches Rand, liebes Mädchen,
Wo das Thal rückwirft den Schall
Von der wilden Wässer Fall,
Durch der Berge fels'ge Hall', liebes Mädchen.

Wie ist Kelvin's Strand so schön, liebes Mädchen,
Wenn wir da im Sommer geh'n, liebes Mädchen.
Dort der Nelk' hochrothes Kleid
Sanfte, süße Düfte leiht
Rings der grünen Ginsterheid', liebes Mädchen.

Darf ich nennen Dich nicht mein, liebes Mädchen,
Weil Dir lacht des Glückes Schein, liebes Mädchen,
Stände mir das Glück zur Seit',
Nicht des Vaters Stolz ich scheut',
Würdest meine Gattin heut, liebes Mädchen.

Doch des Glückes zorn'ger Blick, liebes Mädchen,
Gönnte mir dies Mißgeschick, liebes Mädchen.
Eh' des gold'nen Morgens Schein
Weckt die Sänger in dem Hain,
Muß ich fern von hier schon sein, liebes Mädchen.

Drum Lebwohl dem Kelvin Hain, liebes Mädchen,
Allem, was mein Herz schließt ein, liebes Mädchen,
Lebwohl Fluß, der fließt so klar,
Rose, duftend wunderbar,
Du auch, die ich liebt' so wahr, liebes Mädchen.

Wenn ich auf dem fremden Strand, liebes Mädchen,
Fallen sollt' von Feindes Hand, liebes Mädchen,
Dann Helene, hörest Du,
Daß ich in dem Grabe ruh,
Weih mir eine Thräne Du, liebes Mädchen.

übersetzt von Eduard Fiedler (1817-1850)

Aus: Geschichte der volksthümlichen schottischen
Lieder-Dichtung von Eduard Fiedler
Zweite Ausgabe Erster und zweiter Band
Leipzig 1858 Verlag von Wilhelm Violet (Band 2 S. 167-168)

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