Europäische Liebeslyrik

(in deutscher Übersetzung)

Edward Charles Halle (1846-1914) - Die Musik

 


Kalman Lysznyai (1823-1863)
ungarischer Dichter


An die Liebe

Liebe, süße Liebe,
Bittere Glückseligkeit;
Schönstes Spiel der Engel,
Meisterstück der Ewigkeit:

Bis zum Herzzerspringen
Lernt' ich ganz erfassen dich,
Ueber's Grab nach Jenseits
Zieht dein süßer Zauber mich!

Liebe, süße Liebe,
Bittere Glückseligkeit;
Schönstes Spiel der Engel,
Meisterstück der Ewigkeit.

Aus: Klänge aus dem Osten.
Ungarische Dichtungen frei übersetzt von
Demeter Dudumi [1855]
Zweite Auflage Pesth Verlag von H. Geibel 1855 (S. 53-54)

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Am Grabe Therese Ferenczy's

Streicht doch durch den Wald dahin
Sonder Rast ihr Nachtigallen,
Zu dem Grab der Dichterin,
Wo des Friedhofs Nebel wallen!

Hat doch euer Sang gebracht
Ihr die Kunde, möcht' ich wähnen,
Wie man singt um Mitternacht
Lieder unter heißen Thränen!

Weine auf dies Grabmal hier,
Weide, deine grünen Zähren,
Laß dein Laub so Schirm und Zier
Ihrem heil'gen Staub gewähren!

Als Symbol der Freundschaft stolz
Fliege selt'ner weißer Rabe
Auf das schlichte Kreuz von Holz
Hier an meiner Freundin Grabe!

Kannt' ich doch ihr pochend Herz,
Ihrer Seele Wahn wie Klarheit,
Ihres Rasens heil'gen Schmerz,
Dichtung meist, zum Theil auch Wahrheit!

Blieb doch fremd ihr Harm mir nicht,
Ach, der stete, schlummerlose,
Kannt' ich doch ihr blaß Gesicht,
Dieses Bild der weißen Rose!

Unsre stille Neigung war
Wirklicher als Traumesschimmer;
Weniger als Liebe zwar,
Aber mehr als Freundschaft immer.

Wußte Niemand doch genau
So wie ich, woher sie stamme
Jene Gluth der blassen Frau,
Dieser weibgewordnen Flamme!

Hoffnungsschein und Liebesgluth
Ward in ihr zum Meer, zum stillen,
Doch des Schicksals Wirbelfluth
Schlang hinab den frommen Willen.

Fern blieb Ruhe, schattig kühl,
Ihr des eignen Herzens wegen;
Solch ein Stürmen von Gefühl
Kann sich ja nicht friedlich legen!

Solch ein wundersames Herz
Ist geschaffen nicht für's Leben,
Nein, es eilt sich himmelwärts,
Wo es einzig heim, zu schweben.

Der dir so viel Leid gethan,
Dem so viele Thränen flossen,
Ach, dein Herz in seinem Wahn
Hast du aus der Brust geschossen!

In den Händen Czako's Bild,
Die Pistole, tödtend eben,
Gingst du, Aermste, grollend wild
Ein zu einem schönern Leben.

Zwar die Seele glänzend rein,
Doch dein Denken trostverlassen,
Ach, ein Bild von deinem Sein
Voll von Lieben, voll von Hassen!

Meine Seele gibt und gab
D'rum sich hin verzagtem Grauen;
Laß dein abgelegnes Grab
Still mit Thränen mich bethauen!

Möglich, daß dort blühen will
Der Erinn'rung wechsellose,
Treu'ste Blume, eine still
Aufgeschossne wilde Rose!

Schön betrauern will ich dich,
Wie die Wolken leis im Regen,
Naht die Nacht, die finstre sich,
Um den Tag zu weinen pflegen.

Doch ihr Sterne, die ihr fern
Lächelnd schimmert, brecht das Schweigen,
Freut euch, denn um einen Stern
Zählt ihr mehr in euerm Reigen!

Aus: Klänge aus dem Osten.
Ungarische Dichtungen frei übersetzt von
Demeter Dudumi [1855]
Zweite Auflage Pesth Verlag von H. Geibel 1855 (S. 55-61)

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Frühlingslieder

I.
Es trägt des Windes Schwinge
Dahin ein Rosenblatt,
Das mit geheimen Zeichen
Der Lenz beschrieben hat.

Der Sonnenstrahl, er diente
Zur Feder ihm gar fein,
Sein rothes Blut, es mußte
Zum Brief die Tinte sein.

Mit einer Thauperl' ist er
Gesiegelt, wie er soll,
Von köstlichen Gefühlen
Und Düften ist er voll.

Der flücht'ge Frühling sendet
Durch Berg und Thal und Rain
Jetzt der Natur, der ew'gen,
Ein Liebesbriefelein.
(S. 291)


II.
Der Rose zugeflüstert
Ward irgend was vom Winde;
So glaubt' ich, als sie beide
Gebeuget sich geschwinde.

Doch war es ganz was Anders,
Nicht einfach blos ein Grüßchen:
Voll von geheimer Liebe,
Stahl rasch er ihr ein Küßchen!

Ihr Mann, der Blumenkönig,
Hätt' er erblickt dies eben,
Gleich wäre zwischen ihnen
Jetzt Kampf auf Tod und Leben!
(S. 292)


III.
Wohin Du hauchest,
Rasch Lilien entsprießen,
Wohin Du blickest,
Sich Rosen erschließen;

Doch blickst Du, Kind! auf mich,
So schön, mit heimlichem Schwanken:
Gleich wachsen Trauerweiden
In meinen Gedanken!
(S. 292-293)


IV.
Vergißmeinnicht erblühen
Noch wenige in der Flur!
Mein blaugeäugtes Täubchen
Blickt über die Gegend nur,
Und gleich von ihrem Blicke,
Auf seidener Wiesen Grün,
Vom Schmelze ihrer Augen
Vergißmeinnicht erblühn!
(S. 293)

Aus: Album hundert ungrischer Dichter
In eignen und fremden Übersetzungen herausgegeben durch
Karl Maria Kertbeny [1824-1882]
Zweite Auflage Dresden Pest Robert Schaefer Hermann Geibel 1854

[Übersetzer nicht explizit genannt]
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Paloczenlieder

1.
Mein Engel, meiner Augen Licht,
Bist eine Rose du, bist du ein Diamant?
Ich weiss es nicht.
Bist du 'ne Rose:
Lass mich sie pflücken!
Bist du ein Diamant,
Sollst mich entzücken.
In meinen Armen
Voll Lieb' erwarmen,
An meiner Brust
Voll unendlicher Lust.

Mein Engel, meiner Augen Licht,
Bist du ein Traum? bist du ein Stern?
Ich weiss es nicht.
Bist du ein Traum:
Will durch ihn träumen,
Bist du ein Stern,
Will ohne Säumen
Herab ihn reissen.
Warum willst gleissen
Am Himmel du?
Wink' näh'r mir zu!
Seh' dich nicht gerne
In unendlicher Ferne.
(S. 325)


2.
Küsst' gern dich, wenn du's wolltest,
Und mir darob nicht grolltest,
Doch was gewönn' ich mir?
Gewalt wär's halb an dir.
Ich schmälte gern dich, wenn ich's könnte,
Wenn nicht das Herz von Lieb' mir brennte,
Doch was gewönn' ich mir?
Nur halb 'nen Kuss von dir.
(S. 325)

übersetzt von Gustav Steinacker (1809-1877)

Aus: Ungarische Lyriker
von Alexander Kisfaludy bis auf die neueste Zeit (die letzten 50 Jahre)
In chronologischer Reihenfolge metrisch übertragen
und mit literar-historischer Einleitung
und biographisch-kritischen Notizen versehen
von Gustav Steinacker
Zweite Ausgabe Leipzig Joh. Ambr. Barth Buda-Pest
Grill'sche (vormals Geibel'sche) Buchhandlung 1874
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Kleines Leid

Kleines Leid, kleines Leid,
Bleibe nur das kleine
Starkes Herz, starkes Herz,
Werde nicht zum Steine.

Kleines Leid umdämmert sanft
Starken Herzens Würde,
Wie oft selbst die Emse klein
Ist der Rose Zierde.
(S. 82)

übersetzt von Adolf Dux (1822-1881)

Aus: Ungarische Dichtungen von Adolf Dux
Preßburg L. A. Krapp / Leipzig W. Baensch 1854
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Der Mond

Mond, Mond, Mond!
Woraus besteht der Mond?
Aus meinem Leid,
Wenn er im Wachsen,
Aus meiner Freud',
Sobald er abgenommen.

Mond, Mond, Mond!
Woraus besteht der Mond?
Aus Liljenschein,
Aus Demantthränen,
Und aus der Pein
Geheimen Liebeschmachtens.
(S. 83)

übersetzt von Adolf Dux (1822-1881)

Aus: Ungarische Dichtungen von Adolf Dux
Preßburg L. A. Krapp / Leipzig W. Baensch 1854
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Gib!

Gib mir doch, du Liebe, Süße,
Deine rothen Apfelwangen,
Wo durch meine warmen Küsse
Schöne Rosen aufgegangen.

Honig liegt dir unter'm Zünglein,
Möcht' davon nur immer nippen,
Wunderköstlich ist dein Mündlein
Mit den kleinen rothen Lippen.

Bist mein ewiges Gelüste
Wie der Mirha
* Wundersegen,
Den du pflegst auf deine Brüste,
Auf's verliebte Herz zu legen.

Schöner ist als Sang der Lerchen,
Was dein Herzensschlag verkündet,
Ja er ist ein Zaubermärchen,
Dessen Sinn nur Liebe findet.
(S. 84)

* Mirha: Ein Bündel Kräuter, das sich die Mädchen des Nachts
auf die Brust legen, um den künftigen Bräutigam
im Traume zu sehen.

übersetzt von Adolf Dux (1822-1881)

Aus: Ungarische Dichtungen von Adolf Dux
Preßburg L. A. Krapp / Leipzig W. Baensch 1854
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Magie

Wundervollster aller Fälle!
Schwarz ist deines Auges Sonne,
Schwarz ist es, und doch so helle,
Voll unendlich süßer Wonne.

Bis zur tiefsten, tiefsten Stelle
Mocht' ich dir in's Auge schauen,
Sah in seiner großen Helle
Gar den Himmel wiederblauen.

Möchte mich dein Auge grüßen,
Das so schwarz und hell zugleich ist,
Seinen Himmel mir erschließen,
Drinnen deiner Seele Reich ist.
(S. 85)

übersetzt von Adolf Dux (1822-1881)

Aus: Ungarische Dichtungen von Adolf Dux
Preßburg L. A. Krapp / Leipzig W. Baensch 1854
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Bräutigams-Lied

Jammre nicht mit deiner Geige
Zoki
* Zimbelklang!
Spielt nicht Todtenlieder,
Spielt zum Hochzeitgang!
Roßa monza,
Hajlonza!
**

Daß das Kreuz bekreuzter Spinnen
Eure Hand befiel'!
***
Klingt denn so das süße
Liebeswonnespiel?
Roßa monza,
Hajlonza!

Trollt euch mit den Trauerweisen,
Mit dem Unkensang,
Klingt mir doch im Herzen
Gold'ner Glöckchen Klang
Roßa monza,
Hajlonza!

Komme her, du süße Rose,
Liebeswonneborn,
Deine Lippen sind mein
Rothes Schmeterhorn.
Roßa monza,
Hajlonza!

Stähl'ner Sporn an meinen Fersen,
Klirrend störst du mich,
Mit des Herzens Pochen
Uebertön' ich dich.
Roßa monza,
Hajlonza!

Ich umarme dich, und küsse
Deinen rothen Mund,
Flecht' aus mir und dir den
Liebesblumenbund
****
Roßa monza,
Hajlonza!
(S. 87-88)

* Zoki: der übermüthig lustige Sänger ruft hier dem Zimbalschläger
mit demselben Worte zu, daß er schweigen soll, mit welchem
in Ungarn den Hunden Schweigen geboten wird: Zoki
** Roßa monza, / Hajlonza!: Bedeutungsloser Klingklang
*** Die Kreuzspinne werfe ein Kreuz darauf, ist eine Art von Fluch
bei den Paloczen
**** Die junge Ehe nennen die Paloczen einen Liebesstrauß.

übersetzt von Adolf Dux (1822-1881)

Aus: Ungarische Dichtungen von Adolf Dux
Preßburg L. A. Krapp / Leipzig W. Baensch 1854
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Recept

O laß dir's nicht zu Herzen geh'n,
Du liebe, kleine Dirne,
Daß deine Wangen jetzt so bleich,
Und weiß wie deine Stirne.

Du kleine Knospe, zart und weiß,
Du wirst in Farben prangen,
Sobald im warmen Liebeslenz
Dein Herzchen aufgegangen.

Bis dahin nützt's in keinem Fall,
Gerühmten Saft zu trinken,
Noch mit des Falters rothem Schmelz
Die weiße Haut zu schminken.

Du mußt dich waschen siebenmal,
Sobald das Pfingstenfest ist,
In Abendthau, und in dem Saft,
Der Rosen ausgepreßt ist.

Dann zirpt dir noch die Zizirke
*
Zur Mahnung: du sollst wissen,
Für bleiche Mädchen gibt es nichts
Zum Schminken - als das Küssen.
(S. 90)

* Zizirke: Grille

übersetzt von Adolf Dux (1822-1881)

Aus: Ungarische Dichtungen von Adolf Dux
Preßburg L. A. Krapp / Leipzig W. Baensch 1854
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Der Müller

Die Mühle geht, der Müller
Mahlt Weizenmehl, das feine;
Der auserles'ne Weizen
Fällt auf die Mühlensteine.
D'raus wird ein Kuchen werden.

Am Mühlenhaus hält der jüngste
Von allen Müllerjungen,
Sein herzerles'nes Mädchen
Mit seinem Arm umschlungen,
Er glüht in weißen Flammen,
Und lacht in's Aug' dem Mädchen.

Sein Herz bewegt sich eilig,
Als wie ein Mühlenrädchen;
Er schüttet Kuß um Kuß auf,
Und Beider Lippen drücken
Sich fest wie Mühlensteine;
Wie wird das endlich glücken?
(S. 91)

übersetzt von Adolf Dux (1822-1881)

Aus: Ungarische Dichtungen von Adolf Dux
Preßburg L. A. Krapp / Leipzig W. Baensch 1854
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Für ein Geschenk

Rosmarinzweig,
Goldumwunden,
Ist um meinen
Hut gebunden.

Mir zur Seite,
Blondhaarprangend,
Steht mein Mädchen,
Heiß verlangend.

Sie hat mir den Hut gekauft,
Und dazu den Rosmarin,
Und dabei beschwor sie mir
Ihren ewig treuen Sinn;
Gab zugleich mir einen Kuß,
Der so süß und schmerzhaft doch, -
Ach mir glüht die Lippe noch.
(S. 92)

übersetzt von Adolf Dux (1822-1881)

Aus: Ungarische Dichtungen von Adolf Dux
Preßburg L. A. Krapp / Leipzig W. Baensch 1854
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Eine Nachtigall

Ei wie singt es,
Und wie klingt es,
Lockt und winkt es,
Zu mir dringt es:
Ist das nicht die Filomele,
Die da singt aus voller Kehle?
Nein, der Schelm, mein süßes Liebchen
Singt am Fenster mir in's Stübchen.
(S. 93)

übersetzt von Adolf Dux (1822-1881)

Aus: Ungarische Dichtungen von Adolf Dux
Preßburg L. A. Krapp / Leipzig W. Baensch 1854
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Ich gäb' einen Kuß dir

Ich gäb' einen Kuß dir,
Wenn ich g'rad wollte;
Was würd' es mir nützen?
Halb wär' er ein Raub nur.

Ich möcht' mit dir zanken,
Wenn ich nur könnte,
Was würd' es mir nützen?
Halb wär' es ein Segnen.
(S. 94)

übersetzt von Adolf Dux (1822-1881)

Aus: Ungarische Dichtungen von Adolf Dux
Preßburg L. A. Krapp / Leipzig W. Baensch 1854
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Sie ist krank

Die alte Glocke brummt, der Thurm, er scheint zu schwanken,
Der greise Mönch wallt auf den Straßen, Gott zu danken,
Dem ganzen Dorf kannst auf dem Felde du begegnen,
Es eilt nach heil'gem Brauch die Felder einzusegnen.

Nur ich allein muß fern sein von der Bether Kette,
Denn meine Taube liegt gebannt im Krankenbette,
Wie halbgebleichtes Linnen bleich sind ihre Wangen,
Von feinem weißen Linnen ist ihr Leib umfangen.

Versunken ist ihr Aug', und will es mich ansehen,
So scheint's ein Stern, der zitternd fiel aus seinen Höhen;
Mir graut's, daß in den träumelosen Schlaf sie sinke,
Daß ihr der Himmel schon hinaufzukommen winke.

Zu ihren Häupten beth' ich heimlich Tag und Nächte,
Mit Thränen netzend ihr nachtschwarzes Haargeflechte,
Ich lausch' in Sorg' und Angst dem Puls in ihrem Herzen,
Dem Seufzer, der sich bang entwindet ihren Schmerzen.

Ich lass dem Morgenroth und allen Rosen sagen,
Sie mögen Roth auf meiner Kranken Wangen tragen;
Ich bitte Baum und Gras um ihre Zaubersäfte,
Zu wecken dieses Engels hingeschwund'ne Kräfte.

Geweihte "Kätzchen" leg' ich unterm Kissen nieder,
Ich lege Tausendguldenkraut ihr unter's Mieder,
Des Todtenvogels Flaum auf ihre Augenlide,
Des treuen Glaubens voll, daß nun der Tod sie miede.
(S. 95-96)

übersetzt von Adolf Dux (1822-1881)

Aus: Ungarische Dichtungen von Adolf Dux
Preßburg L. A. Krapp / Leipzig W. Baensch 1854
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Vielgestaltig

Ich bin die Amme, wiegend meinen Kummer
In deinem Schoß zu süßem Schlummer.

Ich bin ein Gärtner, pflanzend Blumentriebe,
Die volle Rosenpracht der warmen Liebe.

Ich bin ein Kaufmann, zum Verkaufe führe
Ich nichts als meiner Liebe Perlenschnüre.
(S. 98)

übersetzt von Adolf Dux (1822-1881)

Aus: Ungarische Dichtungen von Adolf Dux
Preßburg L. A. Krapp / Leipzig W. Baensch 1854
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Betrogen

Das Ochsenauge
* hüpfet munter
Den Zaun hinauf, den Zaun hinunter.
Mein Herz ist eben so beweglich;
In bittern Leiden lebt es täglich,
D'rum pocht mein armes Herz so traurig.

Die Ribes sind schon roth zu schauen.
Und mein Geliebter läßt sich trauen, -
Sein Haus umringt ein Holzgelände,
Und steht es auch am Dorfesende,
So ist er dennoch kein Zigeuner. -

Denn weiß sind seine schönen Wangen,
Und roth wie Rosen, die erst sprangen,
Doch weil er mir die Eh' versprochen,
Und jetzund mir das Wort gebrochen,
Ach deßhalb ist er ein Zigeuner.

Schwarz werden die Wachholderbeeren,
Und meine Schmerzen sich vermehren!
Kaum kann ich selber mich ertragen,
Doch sehe ich mit Angst und Zagen,
Daß er mich nicht allein verlassen.

Bald werd' ich unter seinem Fenster
Zur nächt'gen Stunde der Gespenster
Mit meinem armen Kind erscheinen, -
Da hör' er denn des Kindes Weinen
Anstatt des Sangs der Nachtigallen.
(S. 99-100)

übersetzt von Adolf Dux (1822-1881)

Aus: Ungarische Dichtungen von Adolf Dux
Preßburg L. A. Krapp / Leipzig W. Baensch 1854
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Bitte, bitte, neige dich

Bitte, bitte, neige dich,
Süßer, Lieber, beuge dich,
Du bist größer sicherlich;
Bückst du dich, so küß' ich dich,
Einmal nicht, doch hundertmal,
Geb' dir Küße sonder Zahl.
Meiner Mutter sag' ich's nicht,
Küssen ist ja Liebespflicht.
(S. 101)

übersetzt von Adolf Dux (1822-1881)

Aus: Ungarische Dichtungen von Adolf Dux
Preßburg L. A. Krapp / Leipzig W. Baensch 1854
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Stelldichein

Das Volk kommt von der Morgenmesse kaum,
Macht es noch tausend Kreuze mit dem Daum, -
So brünstig goß es in dem heil'gen Haus
Die Frühgebete vor dem Herren aus.

Und aus der Frühmess' auch mein Liebchen geht,
Ihr Mund ist jetzt noch lauteres Gebet,
Und was sie süß und leise zu mir spricht,
Ist Liebe, die sie mit Gebet durchflicht.

Sie ladet mich auf diesen Abend ein
Zu süßem Kuß und Liebeständelei'n,
Zu warmen Kuchen und zum Weine rot,
Zu süßem, feinen Weizenbrot;

Verspricht mir einen Strauß auf meinen Hut,
D'ran Münzen flimmern neben Nelkenglut,
Auch Zauberkräuter werden d'runter sein,
Und siebenfarb'ge Bänder flicht sie d'rein.

Ich sprach: Gewiß ich komme zum Besuch,
Doch mach' dir einen Knopf am Busentuch,
Damit du dich erinnerst an das Wort,
Das du mir gabst so nah dem heil'gen Ort.
(S. 102)

übersetzt von Adolf Dux (1822-1881)

Aus: Ungarische Dichtungen von Adolf Dux
Preßburg L. A. Krapp / Leipzig W. Baensch 1854
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Liebespost

Auf weißem Lilienblättchen
Schreib' ich mit hellem Blut
Der Rosen dir ein Briefchen
Mit ros'gem Freudenmut.

Mit einem Tröpfchen Thaues
Wird es versiegelt sein,
Es wird die Liebe selber
Ihm süßen Duft verleih'n.

Eine Wespe ist der Bote,
Der dir das Briefchen bringt, -
Gib Acht, daß dir ihr Stachel
In's kleine Herz nicht dringt;

Denn wenn sie dich in den Armen
Eines andern Buhlen trifft,
So sticht sie dir in's Herze
Mit ihres Stachels Gift.
(S. 115)

übersetzt von Adolf Dux (1822-1881)

Aus: Ungarische Dichtungen von Adolf Dux
Preßburg L. A. Krapp / Leipzig W. Baensch 1854
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Neue Lieder

Liederschwanger ist mein Flötenrohr,
Seit ich es hielt verschlossen,
Nun ist mir wieder in der Brust
Manch neues Lied ersprossen.

Und wie die Blumen auf dem Feld,
Erstunden Melodien,
Die wollen nun durch's Flötenrohr
Mit Sang und Klange ziehen.

Es rauscht und klingt in meiner Brust,
Als wie des Bächleins Fließen,
Als wie der Berge Wiederhall,
Und wie des Kukuks Grüßen.

Liedschwanger ist mein Flötenrohr,
Erfüllt von neuen Klängen,
Erfüllt von meinem Liebesgram,
Von meines Herzens Drängen.

Nun horche, Liebste, meines Rohrs
Befreitem Liederspiele,
Nur du allein begreifst es ja
Mit deinem warmen Gefühle.
(S. 116)

übersetzt von Adolf Dux (1822-1881)

Aus: Ungarische Dichtungen von Adolf Dux
Preßburg L. A. Krapp / Leipzig W. Baensch 1854
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