Dominika Mdiwani (19. Jh.)
georgische Dichterin
Dem, den ich liebe, wünsche ich
Das längste Leben inniglich.
Er ist mein höchstes Ideal,
Mein Schild und bester Schutz zumal.
Dem, den ich hasse, wünsche ich
Das schnellste Sterben inniglich,
Damit er schwinde aus der Welt
Und mir das Leben nicht vergällt.
Dem, den ich liebe, schlägt mein Herz,
Er bringt mir Wonne allerwärts.
Sein Leid wird stets auch meines sein
Und was ihn freut, auch mich erfreun.
Den, den ich hasse, anzuschaun
Erfüllt mich wie der Tod mit Graun.
Was ihn erfreut, mir Thränen bringt,
Sein Leid mit Lust mein Herz durchdringt.
Aus des Geliebten teurer Hand
Ist mir ein Strohhalm reicher Tand.
Im Herzen er den Lenz mir weckt,
Mit ihm kein Leiden mich erschreckt.
Und wen ich hasse, dessen Kuss
Ist kalt für mich und bringt Verdruss.
Aus seiner Hand die schönste Ros'
Gilt mir nicht mehr als dürres Moos.
Oft zwingt der Feind zum Weinen mich,
Gern wein um den Geliebten ich.
Des Hasses Thränen giftig sind
Und die der Liebe süss und lind.
(S. 120-121)
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Beruhige dich mein Herz und stöhne nicht,
Erfüll mir nicht mit bitterm Gram die Brust!
Verbittre mir das kurze Leben nicht,
Mir frommt die Freude nur und Sangeslust.
Lass schimmern mir der Hoffnung hellen Strahl
Und führ mich nicht auf der Verzweiflung Pfad!
Lass mich nicht schaun bedrückt von schwerer Qual
Den teuern Liebsten, wenn der Tod ihm naht!
Beruhige dich, mein Herz, des Liebsten Sinn
Wird bald beleben neue Heiterkeit,
Und wieder zieht er an die Brust mich hin
Zur Freude nach so langer Trauerzeit.
Und glänzen wird der Mond so hell und klar
Wie er noch niemals über uns gestrahlt.
Und grüssen wird uns froh der Sterne Schar
Und schwinden wird des Missgeschicks Gewalt.
Beruhige dich mein Herz und stöhne nicht,
Erfüll mir nicht mit bitterm Gram die Brust!
Dem Liebsten fern frommt mir das Leben nicht,
Ich will ihn wiedersehn mit Wonnelust.
(S. 121-122)
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Was soll ich singen? Auf der Erde finde
Ich keinen Stoff zu meinen Liedern mehr.
Nur Klagelieder stöhnen wäre Sünde,
Denn meine Laute kommt vom Himmel her.
Was ich geliebt, das hab ich längst verloren
Und leugne das, was ich einst fest geglaubt.
Ich, die ich doch zur Heldin ward geboren,
Neig nun vor Götzen demütig mein Haupt.
Wie kann die reine Laute ich berühren
Mit treueloser, unwürdiger Hand!
Ich wag es nicht. Drum mögen andre spielen
Und ich will lauschen ihnen zugewandt.
Doch sollte meine Laute selbst erklingen
So rein und hell wie in vergangner Zeit,
Dann will ich laut zu ihren Klängen singen
Ein Lied von Lebenslust und Heiterkeit.
(S. 122-123)
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übersetzt von Arthur
Leist (1852-1927)
Aus: Georgische Dichter
übersetzt von Arthur Leist
Neue, vielfach vermehrte Ausgabe
Dresden und Leipzig
E. Pierson's Verlag 1900