Europäische Liebeslyrik

(in deutscher Übersetzung)

Edward Charles Halle (1846-1914) - Die Musik

 


Victor de Meijere (1873-1938)
niederländischer Dichter




Sonett

Ich fühl' in einer Flut von Sang mein Leben
Mich mit Verzweiflungsflügeln rings umwehn;
Ich fühl' mein Herz vor seinem Ansturm beben
Und Rosenträume tief in ihm vergehn.

Arm Kinderherz, du kannst, von Angst umgeben,
Das Lebenslicht nur schmerzlich funkeln sehn!
Laß, einsam, deine Schönheit mich erstreben,
Erlangen sie, laß mich in Blüten stehn!

Der düstern Nacht steht meine Seele offen,
Und müdgeträumte Träume salben sacht
Mein wollend Herz, in willenlosem Hoffen

Hinsterbend . . . tot starr' ich in Sternenaugen . . .
Ach! so viel Licht gab Gott mir einzusaugen,
Daß ich nun leuchtend sterb' in dunkler Nacht.
(S. 192)
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Der Mond irrt ängstlich . . .

Der Mond irrt ängstlich hinter Bergeszinnen,
Erglüht in wundersamer Siegesglut
Mit Flecken seltsam dunkelbraun darinnen,
Lichtflecken, ganz getaucht in eine Flut
Von bleichem Lichtklang, der geheimnisvoll
Am Horizont sich in die Schatten mischt,
Wie eine Sonne, die blaßrot erlischt.

Und alles ist so still. Das Herz durchquoll
Nächtliche Wehmut schon mit kaltem Beben,
Die Erde zittert weg im Windesweben.

Die Nacht, - sie naht und ewig Dunkel träuft,
Wie Glanz, von ihren Purpurschwingen leise,
Tautrunken, ein Geheimnis, schwer gehäuft, -
Schlafreicher Mohn der Nacht, der in dem Kreise
Der harten Finsternis nicht weiter treibt.

Dem stillen Kummerweinen lauscht die Seele
Der Nacht . . . hoch über dem Gefilde bleibt
Allsichtbar bang das schwarze Angesicht
Des stummen Dunkels, voll durchsichtger Farben,
Gleichwie ein Florgeweb von Riesellicht.
(S. 193)
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Obwohl ich dich so rein sah . . .

Obwohl ich dich so rein sah in der Pracht
Schwarzbraunen Augs und blonden Haars, in denen
Ich meines armen Lebens starrend Sehnen
In heiliger Liebe auszuschluchzen dacht', -

Sagt' ich, wie gern ich deine Huld gewönne,
Erst dann, als schon mein Herz mit kühlerm Blut
Einsah, daß es sein Heil nur finden könne
Im lieben Rauschen seliger Sangesflut.

Doch nun, da deine Liebe schwand, von dir
Nur die Erinnrung mehr mir weiß zu sprechen,
Nun ich vergaß, - nun will das Herz mir brechen,

Denn stets noch bleibt ein trüb Gedenken mir
So frostig an der kalten Stirne hangen . . .
Küssest du wieder mir, wie einst, die Wangen?
(S. 194)
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übersetzt von Otto Hauser (1876-1944)

Aus: Die niederländische Lyrik von 1875-1900
Eine Studie und Übersetzungen von Otto Hauser
Verlegt bei Baumert & Bonge in Großenhain 1901



 

 


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