Europäische Liebeslyrik

(in deutscher Übersetzung)

Edward Charles Halle (1846-1914) - Die Musik

 


Ferencz Mentovich (Franz Mentowitsch) (1819-1879)
ungarischer Dichter


Abrechnung

"Seit Du mich, Geliebter! liebest treu und warm,
Ward zum reichen Weib das Mädchen schlicht und arm;
Mit Juwel' und Demant bin ich jetzt bekränzt,
D'raus die Flamme meines stillen Glückes glänzt.
Deine Lieb' ist diese Perl - behüt sie sehr!
Hab' in weiter Welt sonst keinen Reichthum mehr.
Gleich dem Kaufmann, der dem Meer vertraut sein Schiff,
Setzt' ich Alles d'ran - O, acht' auf's Felsenriff!"

So sprachst Du zu mir einst in der reinsten Lust,
Voll Gefühl des Glück's aus hoch geschwellter Brust;
Und in deinem Antlitz las ich freudevoll,
Daß aus tiefstem Herzen Dir dies Wort entquoll;
So sprachst Du zu mir einst, ich entsinn mich gut,
Der Erinn'rung Segel schwebt noch durch die Flut,
Weiß noch, daß vertraut den Schatz Du meiner Kraft, -
Und nach soviel Zeit nun willst Du Rechenschaft?

Leicht zu geben! jene Perl' der Liebe Dein
Hab' ich treu gehütet, senkte tief sie ein;
Daß hohnlächelnd sie kein irdisch Aug' erblick',
Warf in endlos tiefen Meergrund ich mein Glück.
Meine Seele, sie ist dieses tiefe Meer!
Von des Schicksal's Sturmwind wogt's oft hoch und schwer.

Doch wird's wieder ruhig, und der Luft Zephyr
Säuselt dann darüber, singend süß von Dir.
Dort begrub den Schatz ich; wenn mein Himmel nun
Sich verhüllt in Dunkel, Nebel auf ihm ruhn:
Ist es drin nicht dunkel, weil der Perle Licht
Meiner Seele Nacht mit Strahlenglanz durchbricht.

Aus: Album hundert ungrischer Dichter
In eignen und fremden Übersetzungen herausgegeben durch
Karl Maria Kertbeny [1824-1882]
Zweite Auflage Dresden Pest Robert Schaefer Hermann Geibel 1854 (S. 375-376)

[Übersetzer nicht explizit genannt]
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