Europäische Liebeslyrik

(in deutscher Übersetzung)

Edward Charles Halle (1846-1914) - Die Musik

 


Francesco Maria Molza (1489-1544)
italienischer Dichter



Anfangs-Sonett

Ihr holden, zart gezeugten Liebesblüthen,
Womit die Grazien stets den Lenz umweben
Und wo zu meiner Lind'rung die muß leben,
Die's euch mit hoher Ehre wird vergüten.

Kann euch so seltnen Duft Arabien bieten?
Vermag den Honig Hybla so zu geben?
Erfährt's das Herz, so muß es fast zerbeben
Und sich im Aeuß'rungsdrange überbieten.

Ihr hellen Perlen, Dank muß ich euch sagen
Für all' mein Leid, denn klar ist's nun zu sehen,
Daß aller Ehre Palme euch gebühret.

Dürft' ich für lange Schmerzen Rache wagen,
Dann müßte gänzlich ihr mein Herz erstehen,
Wo nicht, würd' es euch ganz und gar entführet.
(S. 335)
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Liebeszauber
(Sonett)

Das goldne Haar enthüllt Apoll und führet
So sel'gen Tag herauf aus seinen Wogen,
Daß bald die Flur mit Blumen überzogen,
Die sich der Pracht begab, seit Frost regieret.

Mit Smaragd hält der Tiber nun verzieret
Sein Ufer, wo uns Engel froh umwogen,
Die auserwählt des Himmels Höh'n entflogen,
Der Bäume holdes Laub zurückgeführet.

Die Luft wird still, wenn sanft empor sich neiget
Die Huldin, die auf Erden ich verehre,
Und wo sie geht Viol' und Rose sprossen.

Vor zweien Sternen steht die Welt gebeuget
In Huldigung, erzeigt sie ihr die Ehre,
Und hält die süßen Augen aufgeschlossen.
(S. 335-336)
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Macht der Liebe
(Sonett)

Der süße Ton, womit die Pfeil' entsendet
Amor in hellen nie gehörten Klängen,
Wird stets zu süßer Lust ins Herz sich drängen,
Wenn solch ein Glück der sel'ge Himmel spendet.

So hat der grüne Schoß sich nie gewendet,
Wenn frische Wind' ihn hier- und dorthin zwängen,
Als ich mich neigte jenen holden Klängen,
Und wie in Wonn' ich selbst mir ward entwendet.

Hört auf, mir von Amphion noch zu singen,
Der Thebä hat mit ew'gem Fels umgeben,
Als er die Leier süß und hell geschlagen.

Denn meine Huldin hat mit mehr Gelingen
Mich, der ich Stein war und ohn' alles Leben,
Zurück ins Sein an ihre Seit' getragen.
(S. 336)
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Sonett über das nämliche Thema

Es zeigt' die Welt der Sitte scheel Verachten,
Und mit der Liebe heißen, glüh'nden Sinnen
Entflohen Treue, Geist und Werth von hinnen,
Es mußte alle Schönheit sich umnachten.

Da sandte euch, die Himmelsschwingen brachten,
In Glanz die Tugend wieder zu beginnen,
Das erste Licht von Neuem zu gewinnen,
Gott der armsel'gen Menschheit langem Schmachten.

Was Tag und Welt an Schönheit nun verkünden
Seit ihr erschient, ist eine sel'ge Gabe
Von eurer Engelsaugen holdem Blicke.

Hier gilt kein Ruhm, deß Keim nicht ist zu finden
In euch, und nicht beglückt der Schönheit Habe,
Weist ihre Wurzel nicht auf euch zurücke.
(S. 336)
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Sonett ähnlichen Inhalts

Wie Blumen in dem Uebermaß der Nässe,
Vom Regen schwer, durch eig'ne Last gebogen,
Um ihren süßen Duft sich seh'n betrogen,
Und ihrer Farben Frische weicht der Blässe;

Wie Knab' und Mädchen, wenn sie in die Presse
Des Liebesjochs sich sehen sanft gezogen,
Verschmähen was sie sonst zur Lust bewogen,
Als ob's die erste Ehre ganz vergessen;

Dann aber, wenn der güt'ge Strahl der Sonne
Sich zeigt, aus Kühlung wird ein sanftes Feuer,
Und Alles lebt von neuem Schmuck umfangen:

So seh' ich euern Reiz, der Welten Wonne,
Zurück sich ziehn, wie hinter einen Schleier,
Um dann von Neuem nachmals hold zu prangen.
(S. 336-337)
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Der Kranz
(Sonett)

Es kleidet Thal und Fluren in der Runde
Der junge Frühling jetzt mit neuen Ehren,
Er läßt Arabiens süße Düfte kehren,
Von Blüth' und Kräutern gibt sein Haarschmuck Kunde.

Da pflückte in des Tages frühster Stunde
Lykoris rothe Blumen mir und Aehren,
Und sprach: Ich will, weil Flammen dich verzehren,
Daß dieser Schmuck dir meinen Dank bekunde.

So sprach sie, wand den Kranz mir um die Haare,
Und schlug mein Herz damit in süße Bande,
Fortan will's diese Lust allein empfinden.

Nie werde Andres meiner Augen Paare
Drum lieb, und in des Herzens Brande
Mag nimmer Sehnsucht sich nach Anderm finden.
(S. 337)
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Aus: Handbuch der Geschichte der
Italiänischen Litteratur
Erläutert durch eine
Sammlung übersetzter Musterstücke
Herausgegeben von Dr. Fr. W. Genthe
Zweite Abtheilung: Die Italiänischen Dichter
Magdeburg Verlag von Ferdinand Rubach 1834
[Übersetzer sind nicht explizit genannt]


 


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