Europäische Liebeslyrik

(in deutscher Übersetzung)

Edward Charles Halle (1846-1914) - Die Musik

 


Jorge de Montemayor (1520-1561)
spanischer Dichter


(aus dem Schäferroman "Diana")

An die Locke

Welchen Wechsel musst' ich sehen,
Seit ich dich, o Locke, sah!
Und wie übel scheint mir da
Noch der Hoffnung Grün zu stehen!
Freudig durft ich mir's bekennen
- War ich gleich von Furcht nicht frei -
Dass kein Hirt so würdig sei,
Dich, o Locke! sein zu nennen.

Ach, wie oft, o Locke! schielte
Sonst Diana hin nach mir,
Wenn getändelt ich mit dir,
Dich geküsst, und mit dir spielte!
Und wie ihre Thränen flossen
- Ach, die falschen Thränen! - dort,
Sprach im Scherz ich wohl ein Wort,
Das ihr Argwohn eingegossen!

Dass ich traute dem Versprechen,
Das in jenen Augen lag,
Die mein Herz durchbohrten: sag,
Goldne Locke! war's Verbrechen?
Sahst du nicht, wie sie mir dorten
Tausend Thränen weinte vor,
Bis ich einen Eid ihr schwor,
Glauben schenk' ich ihren Worten?

Sah man bei so hohen Reizen
Jemals solchen Wankelmuth?
Und der reinsten Liebesglut
Je das Glück so böslich geizen?
Ja, in ihrem Namen schämen
Locke! musst du dich vor mir,
Mich, den Treugebliebnen, hier
So verlassen wahrzunehmen.

Hier am Strom sie fand ich sitzen,
In den leichten Sand hinein,
"Lieber todt, als untreu sein!"
Schreibend mit den Fingerspitzen.
Bittern Spott heisst das getrieben,
Amor! Auf die Schwüre bau'n
Eines Weibes musst' ich, trau'n
Worten, in den Sand geschrieben.
(S. 149-151)
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Klage und Trost

Ich liebe wohl, doch ward ich nie geliebet;
Begehrt' und warb, doch ward ich nie begehrt;
Ich bin betrübt, und habe nie betrübet;
Geseufzt hab' ich, doch ward ich nie gehört;
Beklage mich, kein Mitleid wird geübet;
Will fliehn die Lieb', und seh die Flucht gewehrt;
Und einzig durch Vergessen nicht gekränket
Werd' ich, weil meiner gar nicht man gedenket.

Nur eine Mien' ich allen Übeln zeige;
Nie wechseln Lust bei mir und Traurigkeit;
Zurück nicht seh' ich, dreist ich vorwärts steige,
Ein Antlitz hab' ich nur für Freud' und Leid.
So wenig bin ich mein, wie, tönt die Geige,
Des Fusses Herr ist, wer zum Tanz gereiht;
Und darum heiss' ein Narr ich bei den Leuten,
Was in der That noch wenig will bedeuten.

Die Nacht ist einem Liebenden zuwider,
Weil ihm nur Glück vom Tage wird bescheert;
Und Jenem sinkt zu spät die Sonne nieder,
Weil nur die Nacht ihm seinen Wunsch gewährt.
Was Einem missfällt, freut den Andern wieder;
Jedweder folgt den Wünschen, die er nährt;
Doch ich, stets hoff' ich auf den Tag mit Thränen,
Und kam der Tag, dann ist die Nacht mein Sehnen.

Die Liebe schelten, hiess verlornes Mühen,
Auf Fluthen malen, in den Wind nur schrein;
Ein Mittel suchen, welches nicht verliehen,
Und würd' am End' auch ohne Nutzen sein.
Versucht es nur, zu Rathe sie zu ziehen,
Sie giebt Euch hundert Albernheiten ein.
Denn was ist Lieb'? Ein Wissen, das erringen
Der Fleiss nicht kann, noch die Erfahrung bringen.

Bei meiner Herrinn stand Siren in Hulden,
Weil sie ihn fand, ward ich verschmäht allein.
Was ich an Leib und Seele musste dulden,
Mit guter Miene trug ich meine Pein.
Die Liebe würd' ich schmähn, wenn ihr Verschulden
Je mir getrübt des Himmels lichten Schein;
Doch nie sag' ich, ein Glück sei mir genommen,
Kennt' ich verlieren, was ich nie bekommen?

Die Lieb' ist keine Waare, die auf Messen
Für den Bedarf etwa zu Kaufe steht;
Sie kommt auf keinen Ruf, und spottet Dessen,
Der, sie zu finden, emsig sucht und späht;
Verhoffe Keiner, je sie zu erpressen
Durch Flehn, wenn sie hervor aus Euch nicht geht.
Weil Liebe keinen Zwang denn will ertragen,
So darf ein Ungeliebter auch nicht klagen.
(S. 152-154)
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Klage Diana's

Ihr Augen! Den vermissend, der gehangen
An euch, wenn er im Spiegel da sich schaute,
Wo fändet ihr wohl jetzt noch Lustbehagen?
Beblümte, grüne Matte, wo der traute
Geliebte zärtlich ward von mir empfangen,
Hilf um mein bittres Herzeleid mir klagen!
Hier wagt' er seine Liebe mir zu sagen.
Da, gleich der Schlang' entbrannte
In wildem Zorn ich, nannte
Ach! tausendmal den Antrag höchst verwegen;
Und wie er da verlegen
Der Arme ward - ja, noch zu sehn ihn wähn' ich,
Und mir zurück ihn sehn' ich.
Ach, schöne Zeit, ach dass er wieder mein!
Wo, Schattenbord! mag mein Sireno sein?

Dort scheint der Busch her und das Thal voll Kühle,
Hier ist der Bord und dieses ist die Aue,
Wo meine Lämmer ihre Weide hatten.
Den klaren, muntern Strom ich vor mir schaue,
Wo meine Heerde gras'te bei der Schwüle.
Mein süsser Freund, weilt' er auf diesen Matten,
Erwählte dieser grünen Buche Schatten.
Dort glänzt des Hügels Rücken,
Wo meine seinen Blicken
Zuerst genaht. Ich priese hoch die Stunde,
Droht' unserm süssen Bunde
Mein Unglückstern nicht mit der Trennung Fluche.
Ach, klarer Quell, ach Buche!
Nichts fehlet hier als Er, ach, Er allein!
Wo, Schattenbord! mag mein Sireno sein?

Ein Bildniss hab' ich hier, das süss mich täuschet,
Weil mir's die Züge meines Schäfers zeiget,
Die ungleich schöner noch im Herzen leben.
Wenn höher meine Sehnsucht nach ihm steiget,
Die von der Zeit zu schnell nur wird enttäuschet,
Eil' ich zum Wiesenquell mich zu begeben.
An eine Weid' es lehnend, setz' ich neben
Das Bild mich, senke nieder
Den Blick zum Quell, und wieder
- Ach, blinde Lieb'! - Er neben mir erscheinet,
Wie sonst, als wir vereinet.
Ein Weilchen kann mich froh die Täuschung machen;
Dann folget das Erwachen,
Und laut dann ruft das Herz, bedrängt von Pein:
Wo, Schattenbord! mag mein Sireno sein?

Frag' ich bisweilen ihn und schweigt er immer,
Dann denk' ich, dass an mir er wohl sich räche,
Auch ich ja hört' einst nicht auf seine Frage;
Und ganz in Thränen dann ich Ärmste spreche:
Siren, antworte doch! Ich bin, was immer
Der Phantasie geträumt, ja Dein jetzt! sage,
Siehst Du nicht, dass ich Dich im Herzen trage?
Und da noch stets er schweiget,
Sich störrisch mir bezeiget,
Such' ich durch stilles Flehn ihn zu erweichen.
O Täuschung ohne Gleichen!
Von einem Bilde Red' und Geist verlangen!
Ach, Zeit! wie hart gefangen
Liegt meine Seele, seit nicht mehr sie mein!
Wo, Schattenbord! mag mein Sireno sein?

Heimlenken kann ich nie der Heerde Schritte
Nach unserm Dorfe, sinkt der Abend nieder,
Noch ziehn zur Weide, wenn der Morgen schimmert:
Dass unwillkürlich nicht mein Auge wieder
Erblickte meines Heissgeliebten Hütte,
Die jetzt verfallen daliegt und zertrümmert.
Dort ruh ich aus ein wenig, unbekümmert
Was Schaf und Lamm beginnen,
Bis schnell mich treibt von hinnen
Ein "Schäfrinn!" aus der Rinderhirten Munde,
"An wen denkst Du zur Stunde?
Und Deine Heerde nascht die Weizenähren!"
Das mögen meine Zähren
Bezeugen, die das Thal hier sauget ein.
Wo, Schattenbord! mag mein Sireno sein?

Du hättest Deiner Meinung für das Scheiden
Auch können mein Sireno, wohl entsagen,
Da willig Dir geopfert ich die meine!
Doch über wen will jetzt ich Ärmste klagen!
War's möglich, diese Reise zu vermeiden,
Gebot das Schicksal oder Loos sie? Keine
Schuld fällt auf Dich; auch keineswegs vermeine
Ich, dass du hättest denken
Je können nur zu kränken
Ein Herz, das so voll reiner, keuscher Gluthen;
Noch will ich Trug vermuthen;
Giebt's gleich der Proben viel von Männertücke.
Nur feindliche Geschicke
Bewölken einen Himmel, der so rein.
Wo, Schattenbord! mag mein Sireno sein?

Geh hin, mein Lied, wohin du sollst dich wenden!
Nein, ... bleib in meinen Händen!
Weil dich des Zufalls Laune spielen könnte
Dahin vielleicht, wo man dich lästig nennte.
(S. 155-159)
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Romanze
(Diana spricht)

Gleich mit der Geburt begonnen
Hat das Unglück für mich Arme:
Gleich die Schicksalsmächte zeigten,
Welches Unheil meiner harre.
Ihre Strahlen barg die Sonne,
Auf dem Monde lag ein Schatten;
Mich gebärend starb die Mutter,
Jung und schön, im Leid erfahren.
Auch die Amme, die mich nährte,
Hatte Glück in keiner Sache,
So wie ich es auch als Mädchen
Und als Gatinn nimmer hatte.
Liebend fand ich keine Liebe,
Nicht vergass ich, ward verlassen,
Ward als Gatinn hingegeben
Einem Peiniger von Manne.
Wär' ich doch der Gruft vermählet!
O dann läg' ich nicht begraben
In solch Herzeleid, das Worte
Nicht vermögen anzusagen.

Jung vermählte mich mein Vater.
Ihm aus Zwang gehorchend, habe
Ich vergessen den Sireno,
Dem gelobt mein Schwur mich hatte.
Büssen muss ich mein Vergehen
Hart, wie wohl gebüsst kein andres.

Von der Eifersucht verfolget
Werd' ich unverdientermassen.
Eifersucht folgt mir zur Hürde,
Eifersucht mir auf die Matten,
Und mit Eifersucht erheb' ich
Stets mich, wenn der Morgen taget.
Eifersucht sitzt mit am Tische,
Eifersucht im Bett mich martert.
Forsch' ich, was ihm Argwohn gebe,
Weiss er keinen Grund zu sagen.
Nie sind fröhlich seine Mienen,
Immer senkt den Kopf herab er,
Nach den Winkeln schielt sein Auge.
Barsch und rauh ist seine Sprache.
Wie nur lebt die Ärmste, die sich
Sieht vermählt solch einem Gatten?
(S. 160-162)
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Vergebliche Bitte

Willst Hirtinn Du, der meine Thränen rinnen,
- Gott! wie ist hart Dein Sinnen! -
Gerührt von meinen Plagen,
Mir nicht zum Scherz, dass Du mich liebest, sagen?
Ja, täusch' mich, Hirtinn! und von Liebeswehen
Magst Du so frei Dich, als Du wünschest, sehen.

Ein einz'ger Blick von Dir, der Heissgeliebten,
Er würde dem Betrübten,
O Hirtinn! Heilung bringen
Vom Grame, welchen Seufzer nicht bezwingen.
Die Augen lenk hieher, die Wunden spenden!
Sprich, willst Du? Ach, Du willst sie her nicht wenden!

Von Deinen schönen Lippen, Du Verehrte!
So gern ein Ja ich hörte,
Auch wenn's erlogen wäre.
Fühllose, Deine Antwort mir erkläre!
Ach! klüger war's, den Wunsch ganz zu ersticken;
Du schweigst, Du willst nicht einmal nach mir blicken.

Lied, da so klar mein Unglück liegt am Tage,
So ende deine Klage,
Und enden mag das Leben,
Denn, wer sich selbst verlor, kann leicht es geben.
Ach! in der Qual, die mich bedrückt, ersehe
Ich Hilfe nur, wenn ich nach ihr nicht gehe.
(S. 163-164)
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Übersetzt von Friedrich Wilhelm Hoffmann (1785-1869)

Aus: Blüthen spanischer Poesie
Metrisch übertragen von Friedrich Wilhelm Hoffmann
Dritte, stark vermehrte Auflage
Magdeburg und Leipzig
Verlag der Gebrüder Baensch 1857
 

 

 


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