Gregor Orbeliani (1801-1883)
georgischer Dichter
Wer einmal dich gesehn,
Will dich bald wieder sehn
Und wenn der Augenblick vergangen,
Wird wieder er nach dir verlangen.
Und sollte euch das Schicksal trennen,
Wird er dich suchen überall
Und unter tausenden erkennen
Von weitem deiner Stimme Schall.
Sein Wort, sein Herz, sein ganzes Handeln
Wird er dir unaufhörlich weihn,
Mit dir wird er im Lichte wandeln,
Und ohne dich umnachtet sein.
(S. 4)
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Schenk keinen Wein mir ein, denn längst schon trunken
Bin ich von hoffnungsloser Lieb zu dir,
Halt ein, denn leicht verrät mich meine Zunge
Und spricht was keinem ist ausser mir.
O leicht verrät sie, was ich heimlich wahre,
Die heisse Liebe und der Sehnsucht Schmerz,
Den langen Kummer und die heissen Thränen.
Schenk keinen Wein mir ein, mich quält dein Scherz!
Kaum reicht mir die Vernunft das Herz zu zähmen
Und doch willst du sie schwächen noch durch Wein.
Ach, glaube mir, dass deine süssen Blicke
Mich der Vernunft berauben schon allein!
Und lächelnd du mir noch den Becher füllst.
Halt ein, mit Wein du meinen Durst nicht stillst!
O quäl mich nicht mit deinem Scherz, die Rose
Versprichst du mir, wenn ich den Becher leer'!
Viel lieber küsst' ich deine Rosenwangen -
Und dann reich mir den Todesbecher her!
Schenk keinen Wein mir ein, mein Kopf ist wirr
Von heisser, hoffnungsloser Lieb' zu dir.
Schon oft verglich ich, dir ins Antlitz schauend,
Der Mandelblüte deiner Wangen Rot,
Fast bebt mein Mund sie einmal zu berühren,
O hör mich an, denn Wahnsinn mich bedroht!
Wie Gift tobt durch die Adern mir das Blut,
Schenk keinen Wein mir ein, ich sterb vor Glut!
(S. 4-5)
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Trennungsabend
Schon senkt die Sonne sich zum Untergange
Und zärtlich spielt ihr letzter Abschiedsschein
Am Kaukasus, als wär's ihr leid und bange
Der neuen Trennung schon so nah zu sein.
In weiter Himmelshöhe mächtig schimmert
Der Riesenberge ewiger Gletscherschnee,
Um sie Gewölk gewitterdrohend flimmert,
Als wollt' der Welt es bringen Not und Weh.
Darunter prangt der Wälder Märchendunkel,
Bis in die Thäler reicht ihr grün' Gewand,
Von Klippen stürzen Bäche mit Gefunkel,
Wild tobt der Terek an die Felsenwand.
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Betrübt schau hin ich in die weite Ferne.
Dort rollt ein Wagen, der mir die entführt,
Die wert mir war gleich meinem Lebenssterne,
Mit der mein Herz sein alles nun verliert.
Leb' wohl! so lang' ich atme, wird mein Segen
Dir folgen und stets dein Begleiter sein,
Mir aber nun auf meinen Lebenswegen
Für immer schwinden aller Freude Schein.
Hin rollt der Wagen und in schnellem Fluge
Entführt er meines Herzens Liebste mir.
Schon schwindet er verdeckt im Nebelzuge.
Wozu schau ich noch hin? Doch nicht nach ihr?
O sprich, worin kann ich denn Trost noch finden,
Wenn du nicht zaudertest von mir zu fliehn,
Wenn du mir nicht vergolten mein Empfinden?
Wer wird mich dieser Trauer nun entziehn?
Nie dachte ich an dieser Wonne Ende.
Nun ist es da! Leb wohl, leb wohl, mein Lieb!
Ich aber ring mit tiefem Schmerz die Hände
Und frag, was mir noch in der Welt verblieb.
_
Schon dunkelt's und mit meiner Herzenstrauer
Bin ich in dieser Stille hier allein.
Den Kaukasus umhüllt ein Nebelschauer,
Am Kasbek glänzt des Abendsternes Schein.
Vom Berge stürzend rauscht der Wasserfall,
Der Terek heult und brüllt im Felsenthal.
(S. 5-7)
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Trennung
Wie klarer Tau im Rosenkelche,
So zittern auf den Wangen dein
Die heiss vergossnen Thränenperlen,
Du teurer, lieber Engel mein.
Ja, Teure, heut ich von dir scheide,
Ein rauhes Schicksal reisst mich fort.
Ach, wie verlangt's mich dich zu trösten
Und doch find ich kein einziges Wort.
Mein Aug' kann nicht zum Abschied weinen,
Denn keine Thräne ihm verblieb;
Mein Mund vermag dir nicht zu sagen,
Wie sehr ich dich, mein Engel lieb.
Die wahre Liebe kann nicht reden,
Wie sehr sie auch nach Worten sucht,
Wie auch der Zorn die Zunge fesselt,
Wenn wild das Herze tobt und flucht.
Ja, unsichtbar sind ihre Gluten,
Nach aussen keine Flamme schlägt,
Und wenn sie selbst das Herz verzehrte,
Ein Zucken kaum den Mund bewegt.
Ein schwaches Herz stillt schnell durch Thränen
Den Schmerz, den ihm die Trennung schlug,
Und weiht sich leicht dem neuen Glücke
Wie es die Trennung leicht ertrug.
Jedoch ein Herz, stark wie ein Felsen,
Trägt unversehrt der Liebe Mal
Treu eingeprägt durch ferne Tage
Bis es zermalmt des Todes Strahl.
O lieben will ich dich, mein Engel,
So lang mein Aug' die Sonne sieht,
Bis meiner Brust der letzte Seufzer,
Der letzte Atemzug entflieht.
(S. 7-8)
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Erinnerung
Das ist der Ort, das sind die schönen Fluren,
Wo du gewandelt einst so anmutreich.
Das ist der Hain, der Bach mit seinen Ufern
Und auch der Lenz, an Reizen jenem gleich.
Wo du geweilt, da dufteten die Blumen
Stets würziger und wonniger als je.
Die Sonne schien und melodiereich sangen
Die Nachtigall'n von Lust und Liebesweh.
Von deiner Schönheit angelockt umschwebten
Gelinde Lüfte deine Huldgestalt,
Und spielten zart mit deinen schwarzen Locken
Und mit dem Schleier, der dein Haupt umwallt.
Wo du nur warst, war ich auch stets zugegen
Mit frohem Herz und heiterem Gemüt.
Wie ein Geschenk des Himmels war mir teuer
Ein jeder Blick, der deinem Aug' entglüht.
Versunken in Gedanken sitz ich wieder
An dieser Stelle und gedenk der Zeit,
Da du das Herz mit Wonne mir erfülltest
Und all mein Sinnen dir nur war geweiht.
Die schöne Zeit entfloh, mit ihr enteilte
Die innige Liebe, die in dir gelebt,
Doch mir wird nimmer die Erinnrung schwinden
An jenes Glück, das einst mein Herz durchbebt.
(S. 9)
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Nein, eine Rose bist du nicht,
Nein, eine Lilie bist du nicht!
Doch seh' auf deinen Wangen
Ich beide lieblich prangen.
O glücklich ist die Nachtigall,
Die immer deinen Blumen singt!
In ihrer Lieder Widerhall
Der seligste der Töne klingt.
O glücklich ist, o glücklich ist,
Wer atmend jemals eingesogen
Den Balsamduft von deinem Haar,
Das reich umwallt des Nackens Bogen!
O glücklich ist, o glücklich ist,
Wer deine Taille je umfangen
Und dessen liebesheisser Mund
An deinem Rosenmund gehangen!
Schön wie ein Mai hat ihm das Leben
In jenem Augenblick geblüht,
Und bei dem wonnigsten Erbeben
Hat selige Lust sein Herz durchglüht!
(S. 11)
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Ein Röschen steckt an deiner Brust,
Am zarten Pfühl der süssen Lust.
Doch weiss ich, wer von den beiden
Sich mehr am fremden Duft mag weiden.
(S. 12)
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Verwelken mag die Hyazinte,
Vergehen mag der Rose Pracht!
Für mich ist's Glück genug und Wonne,
Wenn mir dein Rosenmündchen lacht.
(S. 12)
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Wenn stetiges Verlangen nicht die Liebe schürt,
Wie Feuer ohne Nahrung sie die Glut verliert.
(S. 12)
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Nacht
Der blasse Mond, der Liebenden Gefährte,
Goss auf die Erde seinen Wonneschein
Und zärtlich um die duftigen Blumen zitternd
Sog ihren Hauch das Abendlüftchen ein.
Verborgen sass im grünen Blütenstrauche
Die Nachtigall und sang der Rose bang
Ein Liebeslied, von dem in meinem Herzen
Noch mächtiger ward der Liebe heisser Drang.
Der Reben üppige Zweige wölbten
Sich über mir zu einem luftigen Dach.
Ach, hier an diesem grünen Wonneplätzchen
Rief einst ihr Blick mein Herz zum Lieben wach!
Mich quälte schwer der Stunde träges Schwinden,
Denn Ungeduld bringt mit der Liebe Glück,
Und wie von einem Zauber hingerissen
Lag fest geheftet auf dem Steg mein Blick.
Im Dämmrungsschein erschien jemand am Zaune
Und schnell verschwand er wieder hinterm Baum,
Noch zittert leicht der Zweig des Rosenstrauches
Und doch ist niemand da! War's nur ein Traum?
Warum ist denn das Herz mir stehn geblieben?
O eh' mein Aug' die Liebste noch erblickt,
Hat ihre Nähe schon mein Herz empfunden
Und mich mit seiner Ahnung süss beglückt.
Kaum hatte sie erblickt mein sehnend Auge,
Als schon mein Mund an ihrem Munde hing,
In eins all unser Sinnen sich vereinte,
Die Seele in die Seele überging.
Und so versanken wir, von Wonne trunken,
Hin in die Flut der seligen Liebeslust,
Nichts sah das Auge mehr in diesem Glücke
Und stille stand das Herz mir in der Brust,
Und sprachlos, ohne jeglichen Gedanken
Entschwebten wir in eine andre Welt,
Doch wo, in welchem Zauberland wir waren,
O dies zu sagen, mir die Sprache fehlt.
Minuten eilten hin, nach ihnen Stunden,
Doch wir bemerkten ihr Entschwinden nicht.
So raubt die Liebe das Bewusstsein denen,
Die sie durch ihre Glut zusammenflicht.
Der blasse Mond, der Liebenden Gefährte,
Goss auf die Erde seinen Wonneschein
Und zärtlich um die duftigen Blumen zitternd
Sog ihren Duft das Abendlüftchen ein.
Ach, das erkannte ich, dass auch auf Erden
Erreichbar ist des Paradieses Glück,
Jedoch warum währt diese hehre Wonne
Nur einen kurzen, flüchtigen Augenblick?
Warum darf nie das Herz bis auf die Neige
Befriedigen seinen Drang nach Seligkeit?
O schmerzlich ist's, dass alles Glück auf Erden
Zerrinnen muss in der Vergänglichkeit!
Das schöne Morgenrot im Osten zeigte
Uns bald der Trennung bange Stunde an
Und da erkannt ich erst, wie schnell die Nächte
Vergehen auf der Liebe Wonnebahn.
Ich grollte schwer dem Licht des neuen Tages,
Das uns schon wieder von einander schied,
Und küsste einmal noch ihr Rosenmündchen,
Denn schon erklang der Lerche Morgenlied.
(S. 12-14)
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Lied des Fischers Lopiana
Wenn ich schlummre, du in meiner Seele lebst,
Wenn ich aufwach, du mir auf den Wimpern schwebst.
Wie ein Sklave bin ich dir ergeben,
Selbst den Tod nehm ich aus deiner Hand.
Dir gehört mein ganzes Thun und Streben,
Dir nur ist mein Auge zugewandt.
Wo du immer hin magst gehen,
Mit dir bin ich allerwärts,
Solltest du mich auch nicht sehen,
So empfindet's doch dein Herz.
Zürne nicht, da ich dir nicht im Wege,
Denn nur so für mich ich dich begleit,
Und wenn ich auch oft den Mund bewege,
Flüstr' ich nur: "Ach, schön bist du, o Maid!"
Wenn ich schlummre,
Du in meiner Seele lebst,
Wenn ich aufwach,
Du mir auf den Wimpern schwebst.
Dem Zypressenbaum ich ähnlich finde
Deines Körpers schlanke Huldgestalt,
Einem Blumenkranz die seidne Binde,
Die als Gurt an deinen Hüften strahlt.
Blitze sind mir deiner Äuglein Blicke,
Süsser Rosenduft der Atem dein.
Wann gelang ich endlich denn zum Glücke
Dir zu sagen: "Teure, du bist mein!"
Wenn ich schlummre,
Du in meiner Seele lebst,
Wenn ich aufwach,
Du mir auf den Wimpern schwebst.
Zehnerlei sind meine Tageswege,
Doch sie alle führen hin zu dir,
Wo ich sinnend auch mein Haupt hinlege,
Steht dein holdes Bild sofort vor mir.
Was ich andres auch zu sagen habe,
Stets dein Name von der Zunge fällt.
Ach, bereit mir doch die Herzenslabe,
Frage mich, was mir zum Glücke fehlt!
Wenn ich schlummre,
Du in meiner Seele lebst,
Wenn ich aufwach,
Du mir auf den Wimpern schwebst!
Ach, begreift wohl jemand meine Leiden?
Doch was kümmert sich um mich die Welt?
Ob ich lebe, ob ich's Glück muss meiden,
Diese Frage sich wohl niemand stellt!
Was ich in der Welt denn hab' zu sagen,
Was ich bin und was ich grosses thu!
O das wirst du teure niemals fragen,
Denn dein Herz ist viel zu gut dazu!
Wenn ich schlummre,
Du in meiner Seele lebst,
Wenn ich aufwach,
Du mir auf den Wimpern schwebst!
O du solltest mich im Kreis der Zecher
Einmal nur beim Trinkgelage sehn,
Wenn ich singend schwing den vollen Becher
Und die Witze wie am Schnürchen gehn!
O du solltest sehn beim Tanzesreigen
Meinen Schwung und meinen frischen Mut,
O dann würdest du dich zu mir neigen
Und mir sagen: "Ach, ich bin dir gut!"
Wenn ich schlummre,
Du in meiner Seele lebst,
Wenn ich aufwach,
Du mir auf den Wimpern schwebst!
(S. 15-17)
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Des Fischers Lopiana Trauer
Ach, welch Unheil plagt mich, welche Trauer,
Sterben möchte ich vor Herzeleid,
Liege wie ein Hund hier auf der Lauer
Und bewach die Thüre einer Maid.
Ihr Balkon, die Fensterlein, die kleinen,
Sind's, woher ich Sonnenschein erwart'.
Fast verrückt muss ich den Leuten scheinen
So mit meiner neuen Lebensart.
Was der Schlaf ist, hab ich längst vergessen,
Auch bei Tage ruh ich mich nicht aus,
Denke gar nicht mehr ans Mittagessen,
An kein Zechgelag und keinen Schmaus.
Eingehüllt in meinen Mantel liege
Ich stets seufzend auf der Strasse da,
Und wenn neben mir der Blitz einschlüge,
Wich ich nicht von hier und bliebe da.
Alle, die an mir vorüber gehen,
Fragen, was ich hier beständig thu.
"Ach," sag ich, "wenn ihr es nicht gesehen,
Schert euch fort und lasst mich hübsch in Ruh!"
Nur ein Narr kann mich danach noch fragen
Und mit Narren lass ich mich nicht ein,
Wisst ihr denn von Liebe was zu sagen,
Kann dies Ding denn euch begreiflich sein?
"Meine Liebste, meine Lebenssonne,
Wohnt in jenem kleinen Stübchen dort,
Nur von ihr erwart ich Glück und Wonne,
Drum verlass ich nimmer diesen Ort."
Ach, mein Schatz, erbarme dich doch meiner,
Glaub es mir, es ist die höchste Zeit!
Blicke einer Sonne gleich aus deiner
Stube her auf mich mit Heiterkeit!
Dankend will ich dir zu Füssen fallen
Und die Erde küssen hoch beglückt,
Ach, lass Deine Stimme doch erschallen,
Die wie Lerchensang das Herz entzückt!
Schau mich an mit deinen schönen Augen
Und zum Könige werde ich sogleich,
Ja zum höchsten werde ich dann taugen,
Wenn ich deine Liebe nur erreich'.
Meine Mütze stülp' ich auf die Seite,
Winde um den Hals ein rotes Tuch,
Und so schlendr' ich munter in die Weite,
Nach Ortatschals Gärten zum Besuch.
Dort am Kur, bei der bekannten Mühle,
Laden Freunde mich zum Mittagsschmaus,
Dort im Lärm und dichten Volksgewühle
Fei're ich mein Glück bei Saus und Braus.
Und den vollen Becher hoch gehoben
Will ich trinken auf dein Wohl, mein Lieb,
Will dich, Engel, laut vor allen loben,
Will erzählen, wie du mir so lieb!
(S. 17-19)
_____
übersetzt von Arthur
Leist (1852-1927)
Aus: Georgische Dichter
übersetzt von Arthur Leist
Neue, vielfach vermehrte Ausgabe
Dresden und Leipzig
E. Pierson's Verlag 1900