Europäische Liebeslyrik

(in deutscher Übersetzung)

Der Frühling - Wandmalerei aus Stabiae

 


Publius Ovidius Naso (43 v. Chr. - 17 n. Chr.)
römischer Dichter




Liebes-Elegien (Amores)

Zweites Buch


1. Elegie

Warum er keine Riesen und keine Helden singe


Auch dies Lied, der ich, Poet und irrender Ritter,

Manche Fährlichkeit sang, die ich selber bestand,

Auch dies Lied gebeut mir Amor. Hinweg, ihr Gestrengen!

Meine Muse singt euch, Damen voll Heiligkeit! nicht.

Auf des Bräutigams Schoos singt sie dem brünstigen Mädchen,

Und dem Jüngling, der itzt sich zum erstenmal fühlt.

Blutend wird er - ihn traf der nehmliche Bogen, der mir galt -

In der Muse Gesang seine Wunde versteh'n,

Lange staunt er dann. "Wer war's," so fräget er endlich,

"Der dem Dichter hier meine Leiden verrieth?"

Zwar die Riesen einst, den hundertarmigen Gyges

Wollt ich singen; mir floss vom begeisterten Mund,

Wie sich Tellus empört', und auf einander gewälzet

Auf der wolkigten Stirn Ossa den Pelion trug,

Und, die Stürm' in der Hand und den zerschmetternden Dreyblitz,

Von dem Himmel herab Zeus allmächtig gezürnt.

Da verschloss mein Mädchen mir seine Thüre: nicht Blitze

Dacht' ich Armer mehr, noch selbst Jupiter! dich.

Zürne, Jupiter! nicht. Was hat dein Blitz mir genützet?

Schreckt nicht, mehr als er, die verschlossene Thür'?

Und auf's neu' sang ich voll süssen Scherzes die Liebe,

Sang: da öffnete sich die verschlossene Thür'.

Ruft der Dichter, so sinkt der Mond vom ewigen Himmel,

Und die eilende Sonn' hält ihr weisses Gespan,

Und dem Drachen reisst, geborstenen Schlundes, der Giftbauch,

Und zur Quelle zurück läuft der sprudelnde Bach.

Meinem Rufe sprang die Thüre; vom starrenden Pfosten,

Wie ein Eichbaum stark, sprang der Riegel zurück.

Ha, was frommt' es mir, den schnellen Achilles zu singen?

Was des Atreus Söhn', Helden beyde? und dich,

Der auf irrender Reis' wie in dem Kriege geduldet?

Und im Staube dich, Hektor, um Troja geschleift?

Kaum hatt' ich für euch mein blühendes Mädchen gesungen,

Da, zu lohnen mich, kam das Mädchen zu mir.

Welch ein seliger Lohn! Ihr Helden lärmenden Namens

Lebet wohl! ihr seyd meine kleineste Sorg'.

Aber ihr, o kommt, ihr süssen Mädchen! und horchet,

Was mit purpurnem Mund Amor selber mir sang.
(S. 79-82)

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2. Elegie

An den Schweizer seiner Dame,
sie nicht so streng zu bewachen


Der du (wunderbar Amt!) zum Keuschheitswächter bestallt bist,

Höre was ich dir, nicht zum Schaden, itzt sag'.

Tief im wölbigten Gang, den milde Kühlung umwebet,

Sah ich gestern sich deine Gebietrin ergeh'n.

Welch ein Reiz! Ich eilt', ihr meine Liebe zu schreiben.

"Ach, ich darf ja nicht!" schrieb sie zitternd zurück.

"Und warum denn nicht?" frug ich ergrimmet. Sie seufzte:

"Ach, ein Schweizer bewacht jedes Schrittlein von mir!"

Unklug, Schweizer! bist du. Warum nur Hass dir verdienen?

Den man fürchten muss, sehnlich wünscht man ihn todt.

Unklug ist auch der, der strenge Ehherr. Was kann ihm

Von dem, was bewacht, wenn er auch nicht wacht, entgeh'n?

Doch er treibe, was ihm die rasende Eifersucht eingiebt;

Wähn' er, keusch sey die, die so vielen gefällt.

Aber du lass' ihr der süssen, verstohlenen Freyheit;

Einst erhältst du von ihr, was du zuerst ihr geschenkt.

So das Geheimniss dich freut: es macht dich zu ihrem Gebieter;

So du dessen dich scheu'st: es verbirgt sich ja leicht.

Liest sie einen Brief: er ist ja nur von der Mutter!

Kommt ein Fremder zu ihr: künftig kennet man ihn.

Kommt er wieder, um sie als eine Kranke zu sehen:

Ist sie noch so gesund, dennoch sey sie dir krank.

Weilt er länger bey ihr: dass dich des Harrens nicht ärgre,

Wirf den Mantel um, und verschnarche die Zeit.

Dich bekümmere nicht, was, bist du fern, im Theater

Sich ereignen kann, oder beym heimlichen Fest.

Wer der Gebieterin dient, der ist von allen geachtet;

Und welch leichter Dienst, der nur schweigen befiehlt!

Er giebt im Hause den Ton, er kennt nicht blutige Schläge,

Er allein ist gross, keiner der übrigen gilt.

Fehlt ihm wahres Lob? er wird mit falschem verbrämet:

Ihm sind (seltenes Glück!) beyde Herren geneigt.

Wenn der Ehherr die Stirn' in Runzeln furchet und zanket,

Lacht die Gebieterin nur; gleich verstummet der Zank.

Doch oft müss' sie auch voll Wehmuth über dich klagen,

Und mit nassem Aug' ihren Quäler dich schmäh'n.

Du wirfst ihr dann vor, was sie gar leicht von sich ablehnt;

Künftig nützt ihr das bey dem wahren Vergeh'n.

So erhebt sich dein Ruhm; so mehrt dein Beutel sich täglich;

Kurze Zeit nur so, und die Freyheit ist dein.

Sieh den Verräther! wie er, von Ketten schwergebeugt, schreitet,

Oder dumpf und trüb im Gefängnisse seufzt.

In dem Wasser lechzt und greift nach dem fliehenden Aepfeln

Tantalus; das hat seine Zung' ihm verwirkt.

Schwer ward Jö bewacht vom hundertaugigen Argus:

Ihn traf früher Tod; eine Göttin ist sie.

Oft schon sah ich wund in klirrenden Ketten einherzieh'n,

Der, unglücklich treu, seine Gebietrin verrieth.

Noch zu mild bestraft! denn beyden hatt' er geschadet;

Schande traf die Frau, nagender Kummer den Mann,

O, nie freut er ihn, wie sehr er auch immer ihm aufhorcht,

Nie freut der den Mann, der ihm von Buhlschaft erzählt.

Ist er kalt: warum vergeblich die Ohren ihm füllen?

Liebt er brünstig: warum grausam sein Glück ihm entzieh'n?

Und wie unläugbar er sey, schwer lässt der Fall sich beweisen;

Ihres Richters Blick sichert ihr günstigen Spruch.

So er selbst es säh', doch glaubt er ihr, wenn sie's läugnet,

Zürnt auf sein Gesicht und verdammet sich selbst.

Wenn sie gar noch weint, dann strömt er über von Thränen,

Schluchzt: "Ha! büssen mir, büssen, Verräther, sollst du!"

Wie verschieden das Schicksal! Du wirst zur Peitsche verurtheilt;

Sie, des Urtheils gewiss, sitzt dem Richter im Schoos. -

Nicht Verschwörung zu brüten noch Gift, den Dolch nicht zu schleifen

Zu dem heimlichen Mord, sind wir beyde vereint.

Unser einziger Wunsch ist, sicher der Liebe zu pflegen;

Was kann schuldloser seyn, als der einzige Wunsch?
(S. 83-88)

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3. Elegie

An einen verschnittenen Keuschheitswächter


Weh mir! dass du, nicht Mann, nicht Weib, mein Mädchen bewachest,

Und den Vollgenuss zarter Liebe nicht kennst!

Der zuerst die Knäblein des besten Gliedes beraubet,

Dulden hätt' er selbst gleiche Verstümmlung gesollt.

Leicht zu erweichen wärst du, gefällig der freundlichen Bitte,

Hättest du die Gluth eigener Liebe gefühlt.

Nicht das Ross zu zähmen, nicht starke Waffen zu tragen

Ziemt dir, noch der Speer in der schwächlichen Hand.

Männer mögen das. Du scheue alles, was männlich;

Deine Fahne sey nur deiner Gebietrin geweiht.

Ihr nur sey du hold, um ihre Gnade nur buhle;

Hast du die nicht, o sprich! was dann irgend dir nutzt?

Schau ihr Antlitz, gemacht, ihr Alter, gemacht für die Liebe!

Diese Göttergestalt sollte vergeblich verblüh'n?

Und sie konnte dich täuschen, wärst du beaugter als Argus;

Wollen zwey Liebende nur, fehlen des Zweckes sie nie.

Doch, damit dir's schmeichle, gebeten zu werden; wir bitten:

Noch ist's Zeit, dass uns deine Wohlthat erfreu'.
(S. 89-90)

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4. Elegie

Dass er alle Mädchen ohne Ausnahme liebe


Mag ein andrer als ich den reinen Heiligen spielen!

Heuchler war ich nie, aber Sünder bin ich.

So es nützet, wes man verklagt ist, selbst zu gestehen;

Hier, ein Schalk, steh ich, um es selbst zu gesteh'n.

Und ich hass' es selbst! und dennoch lüstet's mich immer!

O, wie drücket die Last, der man vergeblich entsagt!

Wie ein Knäblein schwach, kann ich mich nimmer beherrschen;

Brausend, wie im Sturm, treibt die Leidenschaft mich.

Nicht blos Eine Gestalt ist's, die mich einnimmt: um ewig,

Ewig verliebt zu seyn, reizt mich tausenderley.

Schamhaft senket die das keusche Auge zur Erde;

Alsbald wünsch' ich mir: Wär die Keusche doch mein!

Los' und lüstern ist die; mich reizt ihr üppiges Wortspiel,

Ha wie üppig wird nicht erst ihr Liebesspiel seyn!

Die ist finster und ernst, wie aus den Zeiten des Numa;

O, wie stellt sich nur so, denk' ich, die Dame voll Ernst.

Bist du, Mädchen, gelehrt? Mich wird dein Wissen entzücken,

Weisst du nichts? Wie wird deine Einfalt mich freu'n!

Gegen mich sey selbst Kallimachus hölzern, sagt diese;

Der ich also gefall', gleich gefällt sie auch mir.

Jene dort spricht keck, ich sey der ärmlichste Reimer,

Büssen sollte sie mir, hielt ich sie nur erst im Arm!

Zärtlich gehet die; mich nimmt ihr Gang ein: die andre

Tritt hart auf; wer weiss, fühlt sie nicht weicher sich an?

Süsser Zaubersang strömt der vom rosigen Munde;

Drückt' ich der Zauberin doch einen Kuss auf den Mund!

Wie ein Zephyr durchschwirrt dort jene die bebenden Saiten;

O, wer liebte nicht eine so künstliche Hand!

Die trägt sich mit Geschmack und zeigt die schneeweissen Arme

Und verstehet den Schwung, der die Schönheit erhebt.

Ach, und mich dann gar! was ist, das mich nicht entzündet?

Stünd' Hippolytus dort, mir wär Er selbst Priap.

Bist du gross? Du gleichst den Heldenweibern der Vorzeit

Und das ganze Bett füllst du Stattliche aus.

Klein bist du? So reizt mich deine Niedlichkeit. Alle,

Seyd gross oder klein, Mädchen! gefallet ihr mir.

Nicht geschmücket ist die: wie wird sie geschmücket erst schimmern!

Jene Prächtige dort zeigt die Schönheit im Glanz.

Sey wie Lilien weiss ihr Antlitz, oder wie Rosen

Roth, oder braun - gleichviel, immer reizet es mich.

Wallt das schwarze Haar den schneeigen Nacken hinunter?

In dem schwarzen Haar glänzete Leda vordem.

Ist es gelb? Aurora gefiel in Locken wie Safran.

Keine Mähre war je, der nicht mein Liebesspiel passt.

Mich entflammt die Jugend, mich reizt das spätere Alter;

Jene durch Gestalt, aber dieses durch Kunst.

Was im gewaltigen Rom du irgend für Mädchen mir nennest,

Für die alle glüht mein empfindsames Herz. (S. 91-95)

 

Hippolytus: Ein schöner keuscher Jüngling, des Theseus Sohn, in die seine Stiefmutter Phädra entbrannte. Hippolytus widerstand muthig jeder Versuchung.
 

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5. Elegie

Klagen über Untreue


Nein, sie ist's nicht werth! - Hinweg, du trotziger Amor!

Keine Lieb' ist's werth, dass man zu sterben nur wünscht.

Nur zu sterben wünsch' ich, dass du mir untreu geworden,

Du, wie all dein Geschlecht, mir zum Unglück erzeugt.

Nicht verwischtes Papier enthüllt nur halb deine Sünde;

Nicht ein heimlich Geschenk, das ein andrer dir gab.

Wär mir's doch vergönnt, mir Armen, dass ich mich irrte!

O warum, warum ist meine Sache so gut!

Glücklich! der, was er liebt, mit sicherm Muthe vertheidigt,

Dem sein Mädchen spricht: "Lieber, ich hab's nicht gethan!"

Eisern! der, ein Freund des selbstverwirketen Kummers,

Um den blutigen Sieg über sein Mädchen sich müht.

Aber ich, als du mich schlafend wähntest und trunken,

Sahe, nüchtern und wach, euer verrätherisch Spiel;

Sah, wie manches ihr mit zuckender Wimper gesprochen,

Wie, gleich Worten laut, eure Wink' sich erklärt;

Sprachen eure Augen, der Tisch, mit Weine bemalet,

Und, gar kunstreich gekrümmt, jedes Fingerlein sprach,

Alles war mir deutlich (was ist Verliebten nicht deutlich?)

Eures stummen Gesprächs ganzer Inhalt lag da.

Schon entschlich sich dem Mahl der Gäste mancher, und mancher

Senkte wohlbezecht sein gewichtiges Haupt.

Wie vermählet ihr da im heissen Kusse die Lippen!

Nur Ein Mund und nur Eine Zunge wart ihr

In dem Kusse, wie nicht dem ernsten Bruder die Schwester,

Wie dem Liebling ihn brünstig die Liebende beut,

Wie - dem Dichter verrieth's die Muse - Apoll nicht Dianen,

Sondern Venus allein ihrem Kriegsgott ihn reicht.

"Ha, was wagst du?" schrie ich. "Wer prasst von meinem Entzücken?

Du, mein Eigenthum, wer vergreift sich an dir?

Mein bist du, ich dein. Wozu (des schändlichen Frevels!)

Stiehlt ein dritter sich in mein Königreich ein?" -

Schrie's, und was noch sonst die Wuth mir eingab. Sie fühlt's es:

Alsbald röthete sich ihr verschämtes Gesicht,

Wie der Himmel, wenn ihn die Gattin Tithons befähret,

Wie ein Mädchen voll Zucht, wenn's den Bräutigam sieht,

Wie im Lilienbett die Rose sanfter sich hebet,

Oder Elfenbein, lind mit Menning getuscht.

So liebreizend war itzt der schönen Sünderin Farbe;

Schöner war sie nie, als in diesem Moment.

Nieder schlug sie den Blick: wie stand ihr das Senken des Blickes!

Ihre Miene sprach Schmerz: ach, wie stand ihr der Schmerz!

Wollt ich anfangs doch in's stolze Lockengebäude

Stürzen, in's Gesicht stürzen mit blutigem Grimm;

Da sah ich dies Gesicht; mir sanken die drohenden Arme

Und dies stumme Gesicht galt ihr mehr als ein Schwert,

Und ich Wüthrich kannt' itzt keine heissere Bitte,

Als, sie möcht' auch mir solche Küsse verleih'n!

Lächelnd gab sie mir nun Küsse, so zärtlich! so brennend!

Zeus, empfieng er sie, legte den Dreyblitz hinweg.

Ach, ich Armer! vielleicht so zärtlich, so brennend, wie ich itzt,

Hat ein andrer auch diese Küsse gefühlt!

Denn so waren nicht die Küss', die ich sie gelehret,

So durchschauernd nicht, so voll Feuer, wie die.

Wehe! dass du mich so überrascht! dass dein Zünglein

Inniger sich, als je, meinem Munde vermählt!

Und wie wohl mir doch, wär dies mein einziger Kummer!

Mehr, als Küsse nur, lehrt' ein anderer dich -

Lehrte meisterhaft dich, was nur im Bette gelernt wird.

O, welch seligen Lohn hat der Lehrer dahin!
(S. 96-100)

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6. Elegie

Nänie am Grabe eines Psittichs


Ach, der Psittich ist todt! der süsse Schwätzer! Zum Grab ihn

Zu geleiten, o geht, alle Vögel, im Leid.

Geht im Leid, ihr Lieben! schlagt mit den Flügeln die Brüste,

Mit den Nägeln lockt Blut vom zarten Gesicht.

Statt des fliegenden Haars zerreisst die starrenden Federn;

Wimmre euer Gesang, wie das klagende Horn.

Eignen Schmerzes vergiss, o Philomele. Die Zeit hat

Ihres Trostes dir, Zärtliche, längstens gesandt.

Einem Vogel voll Kunst den letzten Dienst zu erweisen,

Hemm' ein bisgen nur den unendlichen Schmerz.

Kommt zusammen, die ihr in leichten Lüften euch wieget,

Komm' vor allen du, girrendes Täublein, zuerst!

Euer Leben umschlang mit langem Bande die Eintracht;

Niemand hätt' es getrennt, war's nicht der grausame Tod.

Wie die Gepriesenen einst, Orestes und Pylades, liebten,

Girrend Täublein! so liebten der Psittich und du.

Doch was nützete dir die Treue? das bunte Gefieder?

Sag', was nützte dir deine Kehle voll Klang?

Und dass freundlich dich mein süsses Mädchen gekoset?

Du, der Vögel Stolz! ach da liegst du im Grab!!

Nicht der grüne Smaragd mogt deinen Federn sich nahen,

Wie von Safran gelb war dein Schnabel gefärbt.

Jeden Ton zu bilden verstand kein Vogel auf Erden

So, wie du; dir stand selbst dein Schnarren nicht wüst.

Unverdient starbst du! Du führtest niemals die Waffen;

Schwätzer und ein Freund sicherer Ruhe warst du.

Sind nicht unter sich im ewigen Kriege die Wachteln?

Dennoch werden sie, glaub' ich, vom Kriege so alt.

Dir genügte so leicht! Aus bloser Liebe zum Schwätzen

Blieb dir keine Zeit für ein reichliches Mahl.

Eine Nuss zur Speise, die Körner des Mohnes zum Schlafe,

Helles Wasser zum Trank - war dein ganzer Genuss.

Dennoch lebt der Habicht, der Weyh', dem Raube nur laurend,

Und die Dole, die nichts, als nur Platzregen, ruft;

Lebt, obgleich verhasst der waffentragenden Pallas,

Ein Jahrtausend oft die unscheinbare Kräh'.

Er, der Redner, starb! das Echo menschlicher Stimme!

Von dem Indus her zum Geschenk uns gesandt! -

Eine neidische Macht raubt so das Beste zuförderst;

Nur dem Schlechten wird seine Dauer verlieh'n,

Vor Thersites lag in Tod gestrecket Patroklus;

Hektor war geschleift, da noch Paris gebuhlt.

Auch um dich, wie fleht' um dich das ängstliche Mädchen!

Aber fern zum Meer trug der Sturmwind sein Fleh'n. -

Auf war über dir der Sonnen letzte gegangen;

Mit erhobener Scheer' stund die Parze bey dir:

Doch verstummten noch nicht die Wort' im röchelnden Gaumen,

Und mit sterbender Zung' riefst du: "Corinna leb wohl!!" -

Um Elysiums Thal kränzt rund ein schattiger Eichwald;

Quellen rieseln darinn, nie verwelket sein Gras,

Wenn die Sage nicht trügt, ist dies die selige Heimat

Frommer Vögel: ihr darf sich kein Stossvogel nah'n.

Schwäne plätschern dort in ruhigen Seen: der Phönix,

Welcher niemals starb, ruht dort einsam und froh,

Stolzer schlägt dort sein Rad der Juno Vogel, und zärtlich

Reicht die Taube dort ihrem Liebling den Kuss.

Unter dieser Schaar, im kühlen Walde will kommen,

Zieht der Psittich itzt aller Bewunderung auf sich.

Sein Gebein bedeckt ein Grab, wie sein Körperchen niedlich,

Drauf ein Steinchen sich, mit der Aufschrift, erhebt:

"SCHON DIES DENKMAL ZEUGT, DASS MICH CORINNA GELIEBET;

ABER KEIN VOGEL GLICH AUCH AN BEREDSAMKEIT MIR."
(S. 101-107)

[Psittich: Papagei]


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7. Elegie

An seine Dame, dass sie nicht Ursache habe,
mit ihrem Kammermädchen zu eifern


Also ewig nie bin ich des Misstraun's gesichert?

Für den ewigen Kampf lohnet wahrlich kein Sieg!

Wenn im Schauspielhaus mein Aug' zu den marmornen Logen

Sich verirrt, glaubst du, eine Buhlin zu sehn.

Blickt ein schönes Mädchen unschuldig zu mir herüber,

Malt die Eifersucht gleich sprechende Winke dir vor.

Lob' ich eine? weh mir, wie muss mein Haar es entgelten!

Tadl' ich sie? "wie der," sprichst du, "die Buhlschaft verhehlt!"

Bin ich wohlgefärbt, so zeihest du mich der Kälte;

Bin ich bleich, so heisst's: "ha, wen liebet der so?"

Hätt' ich mindestens doch der süssen Sünde genossen!

Leichter trägt die Straf', wer sich schuldig erkennt.

So bezüchtigst du mich unverdient: indem du

Fälschlich alles glaubst, fühl' ich dein Zanken nicht mehr,

Jenem Eselein gleich, im Schmuck der stattlichen Ohren,

Das, der Schläge gewohnt, so gemächlich schleicht!

Und was für ein Misstrau'n! Ein Kammerkätzchen (Cypassis

Heisst das Närrchen, glaub' ich) setzt in Eifersucht dich!!

Götter! fernet von mir die Schmach, dass, würd' ich auch untreu,

Meine Liebe sich je bis zu dieser verirrt.

Welcher freye Mann wird eine Sklavin umarmen,

Und den Rücken, wund von dem blutigen Hieb?

Ist sie ja, dein Haar in stolze Locken zu thürmen

Mehr als alle geschickt, mehr als alle dir werth!

Und die dir so treu, die sollt' ich Thörichter bitten?

Leichter gieng ich hin und verrieth mich dir selbst. -

So gewiss ich will, dass Venus mir hold sey und Amor,

Siehe, so wenig hab' ich, wes du mich zeihest, verübt!
(S. 108-110)

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8. Elegie

An das Kammermädchen seiner Dame


Tausendfache Gestalt dem Haar zu geben so kunstreich,

Werth, Cytheren selbst deine Dienste zu weih'n,

Im verstohlenen Spiel nicht ungeübet erfunden,

Deiner Dame gar lieb, doch noch brauchbarer mir,

Sprich, Cypassis, wer hat unsre Wollust belauschet?

Wer ihr ausgeschwätzt, wie wir heimlich geschwelgt?

Dennoch ward ich nicht roth. Hab' ich ein einziges Wörtchen

Nur gesagt, das ihr unser Geheimniss verrieth?

Ja! voll Trotz schwur ich, der sey der Sinne beraubet,

Der zur Buhlschaft sich eine Sklavin erwählt.

Und Achilles war in Briseis, seine Gefangne,

In Kassandra verliebt der Mycenische Held!

Bin ich grösser denn, als diese Flammen des Krieges?

Mir soll schimpflich seyn, was selbst Königen nicht? -

Wie ganz anders du! Kaum sah sie forschenden Blickes

Auf dich, da entglüht' dein verschämtes Gesicht.

Ha, mit stolzerem Muth (o, dass du dich dessen erinnert!)

Schwur ich Sünder ich, göttliche Venus, bey dir.

Göttliche Venus vergieb dem nothgedrungenen Meineid!

Ihn begrabe der Sturm im Carpathischen Meer;

Und, zum billigen Lohn für meine Tapferkeit, sey mir

Deines Beyschlafs Genuss, braune Cypassis, verlieh'n. -

Wie? du schüttelst den Kopf und wendest neue Gefahr vor?

Undankbare! bist du meiner Liebe so müd?

Wisse, so du verziehst, werd' ich mein eigner Verräther;

Haarklein zähl' ich's dann deiner Gebieterin her,

Wo ich mit dir war, und wie oft, du böse Cypassis,

Und wie manchfach wir unserer Wollust gepflegt.
(S. 111-113)

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9. Elegie

Dass er zu gleicher Zeit zwey Mädchen liebe
An seine Gräcinus


Du - das weiss ich noch - ja du hast oft mir betheuert,

Niemand könne zwey lieben zur nemlichen Zeit.

Ha, wie bin ich getäuscht! wie schmählich von dir ergriffen!

Sieh, zur nemlichen Zeit lieb' ich Schändlicher zwey!!

Jed' ist reizend, stattlich in prächtigem Anzug ist jede;

Ach, an Künsten der Lieb' sind sie beyde sich gleich.

Schöner ist itzt die, itzt ist die andre mir schöner;

Die gefällt itzt mehr, itzt die andere mir.

Wie, umhergeschleudert von hadernden Stürmen, der Nacken

Unstet woogt, so treibt hin und her mich die Lieb'.

Warum, Erycina, bin ich ohn' Ende gemartert?

War zu meiner Qual nicht Ein Mädchen genug?

Wozu Laub dem Baum? dem glänzenden Himmel Gestirne?

Dem allweiten Meer Wassertropfen wozu?

Besser immer doch das, als ohne Liebe zu liegen!

Meinen Feinden sey so ein Leben voll Ernst;

Müssen meine Feind' im öden Kämmerlein schlafen,

Und nach Herzenslust dehnen sich mitten im Bett.

Mir, mir raube kühnlich den Schlaf die grausame Liebe;

Niemals sey ich die Last meines Bettes allein.

Schwelg' in meinem Genuss ein freundliches Mädchen, wenn anders

Eins genugsam, zwey, wenn eines nicht reicht.

Und wie schlank ich auch sey, wird doch wohl Eines nicht reichen;

Schwer bin ich zwar nicht, aber nervigt bin ich.

Selbst die Wollust geusst mir glühend Mark in die Lenden,

Noch ward nie durch mich irgend ein Mädchen getäuscht.

Oft, nachdem die Lust die Fülle Nachts ich genossen,

Stand ich Morgens doch da stark und kühn wie ein Held,

Selig, wem es wird, im Kampf der Liebe zu fallen!

Gebt, ihr Götter, auch mir diese Seligkeit einst!!

Vorn in der Brust den Pfeil fall' unerschrocken der Krieger,

Und erkaufe mit Blut sich unsterblichen Ruhm;

Schiffbruch leid' und sättige dann den Golddurst mit Wasser,

Wen der dürre Geiz über den Ozean trieb.

Ich, ich müsse mählich im Kampf der Liebe ersterben,

Wollustaufgelöst mitten im schmeichelnden Drang.

Thränenschluchzend soll man bey meiner Leiche sagen:

"Wie sein Leben war, siehe! so war auch sein Tod."
(S. 114-116)

Erycina: Beyname der Venus


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10. Elegie

An seine Geliebte, als sie zu Schiffe gieng


Die an Klippen vorbey sich durch die staunenden Fluthen

Plump und langsam gewälzt, einst des Pelion Zier,

Stolz itzt auf den Raub des goldenen Fliesses, die Fichte

Hat zuerst den Weg über's Meer uns gebahnt.

Nimmer würdet ihr itzt dem Ruder erseufzen, ihr Wellen!

Hättet grimmvoll ihr jene Argo versenkt.

Nimmer eilt' itzt von mir, vom traulichen Bette, von Allem,

Meine Corinna dahin! eilte zum trügrischen Meer!

Fürchten werd' ich um dich, ich Armer, den Zephyr und Eurus

Und den kalten Nord und den brennenden Süd.

Dort wird keine Stadt, dort wird kein Hayn dich entzücken;

Nichts ist um dich her, als die schwärzliche See.

Schneckchen nicht einmal und bunte Steinchen erblickst du;

Nur das Ufer nimmt von den Wellen sie auf.

Wallt am Ufer hin mit euren marmornen Füsschen,

Mädchen! Das Ufer ist treu, aber verräthrisch das Meer.

Lasset andere euch der Stürme Zweykampf erzählen,

Und wo Scylla die Fluth, wo sie Charybdis empört,

Wie von zersplitterndem Fels die Küsten Cerauniens starren,

Wo die Syrten sich unvermerket erhöh'n,

Mögen andere das! Ihr selbst, was jeder euch sage,

Glaubet; wenn ihr's glaubt, setzt kein Sturm euch in Angst,

Allzuspät kehrt man den Blick zum Ufer wenn ferne

Auf dem hohen Meer eilig wooget das Schiff,

Wenn am Ruder sogar der Sklav' den Stürmen erbebet,

Und den Untergang nah, wie das Wasser, sich hat;

Wenn dann Triton im Grimm die Wellen schlägt, dass sie schäumen,

Wie wird Mädchen! dir jede Farbe verblüh'n!

Wie so brünstig wirst du die Hand zum Himmel erheben!

Rufen: "Glücklich du, die im Vaterland lebt!

Besser, ruht' ich bey dir, Geliebter! läse Gedichtgen,

Oder klimperte dir auf der Leyer eins vor."

Doch der geflügelte Sturm verweh' die düstere Ahndung!

Sicher führe dich Galatea durch's Meer.

O, ein Mädchen wie dies, das euch vertraut ist, zu tödten,

Schone, Gott des Meers! schonet, Göttinnen ihr!

Zeuch dann hin. - Bald bring' ein milder Zephyr dich wieder;

Wenn er dich nur bringt, rausch' er immer im Sturm.

Nur an die Gestad wälz' deine Wasser, o Nereus!

Hieher Winde! nur treibt; hieher, du schäumige Fluth.

Blas' auf dein Gebot in volle Segel der Zephyr,

Und mit zarter Hand leite die Segel du selbst.

Weither seh ich dann vom hohen Ufer dein Fahrzeug:

Ha, du bringst, ruf' ich, meine Götter zurück!

Dann ergreift dich mein Arm; dann drück' ich dir zahllose Küss' auf;

Dann begeh' ich stolz meinen festlichen Tag.

Aus dem zartesten Sand werd' dir ein Polster erthürmet;

Statt des Tisches wird jeder Rasen uns seyn.

Bey dem traulichen Glas erzählst du, nicht sonder Umschweif:

Wie auf hohem Meer schier dein Fahrzeug versank;

Wie, nur mich zu seh'n, du dicken sternlosen Nächten,

Du, wie wild er that, dem Orkane getrotzt.

Alles glaub' ich dir, und wär auch alles erdichtet;

Warum sollt ich mich solchen Wahnes nicht freu'n? -

Du, des Morgens Stern, von allen Sternen der schönste,

Führ' den wonnigen Tag bald am Himmel herauf!
(S. 117-122)

 

Ceraunien: Kettengebirge, die von Epirus sich gegen Abend ans Adriatische Meer hinziehen.
Syrten: Sandbänke, unter denen besonders die an der Küste von Nordafrika gefürchtet wurde.
Triton: ein Meergott, des Neptunus und der Amphitrite Sohn.
Galatea: eine Seegöttin.
Nereus: nach Orpheus der älteste der Meergötter, des Oceanus und der Thetis Sohn.
 

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11. Elegie

Siegeslied, nachdem er seine Corinna erobert


Komm! du Lorber des Siegs, komm, meine Schläfe zu zieren;

Mein! der Sieg ist mein! Welche Beute da!! -

Die ihr Ehherr bewacht, sein Schweizer, sein starrendes Thorschloss,

(Eine schreckliche Schaar!) die umschlingt itzt mein Arm.

Werth, o Sieg, bist du, dass dich die Ewigkeit feyre;

Eine Beute wie die! ohne Zücken des Schwerts!!

Keine niedrigen Mauer, kein Städtlein mit ärmlichen Wällen

Nahm ich; heldenkühn nahm ich mein Mädchen hinweg.

Da zehn Jahre des Kriegs das stolze Troja gestürzet,

Atreus Sohn! was war unter so vielen dein Ruhm?

Aber mir gebührt, unter allen Sterblichen mir nur,

Meiner grossen That nie vergänglicher Ruhm.

Feldherr und Soldat drang ich zum Ziel meiner Wünsche,

Fahnenträger zugleich, Reuter und Fussvolk war ich.

Nicht das Glück hat ihn bey guter Laune gegeben;

Ueberdachtesten Plans ist er einzig mein Werk.

Alt, wie die Welt, ist er. Noch stünd' in Herrlichkeit Troja,

Wenn nach Asien nie die Spartanerin kam.

Zart Geschlecht! um dich, vom ecklen Saufgelag springend,

Stürzten, wild wie ihr Wald, die Lapithen in Krieg.

Nur um dich begann der Troër flüchtiges Häuflein

In Latinus Reich kühn zum zweytenmal Krieg.

Nur um dich, als kaum die hohe Roma erbaut war,

Griffen, Feinden gleich, Söhn' und Schwäher zum Schwert.

Sah ich Stiere doch selbst im Zweykampf um die Geliebte;

Seitwärts stand sie, zugleich Preis und Ermuntrung des Kampfs.

Auch mich, in dem Krieg, der ohne Blutbad geführt wird,

Hat zum Knappen sich Feldherr Amor erwählt.
(S. 123-126)

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12. Elegie

An die Isis, um Rettung seiner Corinna


Dass sie frech die Last des schwangern Leibes erschüttert,

Hat dem Tode nah meine Corinna gebracht.

Zwar, mir unbewusst, bestund sie solche Gefahren,

Würdig meines Zorns; dennoch sieget die Angst.

Bin doch ich's, von dem sie jenes Keimchen empfangen,

Das dem schlanken Leib diese Ungestalt gab! -

Die du Memphis regierst und das umschattete Pharos

Und dein mütterlich Land, des Canopus Gefild,

Und wo Nilus sich aus niegesehener Quelle

Siebenfältigen Arms in den Ozean stürzt,

Göttin Isis! hieher (bey deiner festlichen Cymbel,

Bey Anubis Kopf und der Schlange fleh' ich;

So sey deinem Dienst mit tiefer Ehrfurcht Osiris

Zugethan, gehörnt folg' ihm Apis im Pomp!)

Wende hieher den Blick! O rette, Göttliche, beyde!

So du ihrer schonst, schonest du meiner zugleich. -

Auch du, die du mild dem Stöhnen der Kreisenden horchest,

Der erschöpften Kraft neue Spannung verleihst,

Sey zu helfen nicht fern, erbarmende Ilithyia!

Ist kein Mädchen doch deiner Hülfe so werth.

Dankvoll steige dafür des Weihrauchs Wolke zum Himmel,

Und ein Opfer werd' deinem Altar gebracht.

Auf dem Opfer steh: FÜR DIE ERHALTENE CORINNA

VON DEM DICHTER OVID. - Werde dies Opfer dir bald!

Und ist's nicht zu kühn, noch eine Bitte zu wagen,

Sey der erste Kampf doch der letzte zugleich!!
(S. 127-129)

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13. Elegie

An seine Geliebte, dass sie selbst
ihre Schwangerschaft verunglückt


Sprich, was nützet es euch, des Krieges Gräuel nicht kennen,

Noch im Panzer von Erz wild mit der Heereschaar zieh'n;

Wenn ihr, ohne das Schwert, euch selbst, Grausame! verwundet

Und zu eigenem Tod waffnet den wüthenden Arm? -

Die zuerst versucht das zarte Keimchen zu morden,

War zu sterben werth in dem grimmen Versuch,

Nur damit dein Leib in schlanker Glätte vom Busen

Abwärts fliesse, wagst du solchen tödtlichen Kampf?

So in voriger Zeit die Mütter gleiches verübet,

Wär ein Mensch wohl noch auf dem Erdrund zu seh'n?

Wollt' ein Gott uns auf's neu' erzeugen, Deukalion müsste

Steine werfen auf's neu' auf der Parnassischen Flur.

Wer zerbrach die Macht des Priamus, hätte die Göttin,

Die Achillen trug, solcher Last sich gescheut?

Hätte Rhea vordem die Zwillingsbürde zerstöret;

Wo blieb, der die Stadt, die der Welt gebeut, schuf?

Und wenn Aphrodite so den Anchises; wär nicht itzt

Diese stolzere Stadt ihrer Caesarn beraubt?

Du, so schön zu werden bestimmt, du starbest gestaltlos,

Wenn, was du gethan, deine Mutter versucht.

Auch ich, den die Lieb' itzt süsser tödtet, ich hätte

Nie den leuchtenden Tag, nie dein Antlitz gesehn. -

Was beraubst du die Rebe der Traube, die erst noch schwillet?

Pflückest unreif noch von dem Zweige das Obst?

O, bald fällt es von selbst! Lass ihm sein ganzes Gedeihen:

Reichlich lohnet es dir des Verzuges Geduld.

Welche Wuth, die euch voll Mordlust wider euch waffnet,

Und mit bösem Gift noch nicht Geborene tränkt!

Wird Medea doch, vom Blut der Söhne bespritzet,

Wird, als grausam, doch Itys Mutter verflucht.

Und wohl waren sie es! doch beyd' aus schrecklichem Anlass;

Durch der Erzeugeten Blut büsste der falsche Gemahl.

Aber welcher Tereus, o sag' es, welcher Jason

War's, der die zitternde Hand dir in dein Eingeweid stiess?

Nicht die Tigerin tobt im waldigten Schauergeklüfte,

Noch die Löwin so wider ihr eigen Geschlecht,

Wie, ihr Zärtlichen! ihr, obschon nicht ungestraft, tobet:

Mit dem gemordeten Keim stirbt oft die Mörderin selbst,

Stirbt und lieget nun da mit gramerfüllter Gebehrde;

Wer sie sieht, ruft aus: "Billig lieget sie so!" -

Doch in dünner Luft müss' solche Ahndung verwehen;

Nie hab' ein Prophet sich so schmälich geirrt.

Nur dies einzige mal vergebt der Holden die Sünde,

O ihr Götter! Dann straft, wenn sie zum zweytenmal fehlt!
(S. 130-135)

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14. Elegie

An den Ring, der zum Geschenk
für seine Geliebte bestimmt war


Einem reizenden Kind den Finger zu schmücken bestimmet,

Ohne Werth, als den meine Liebe dir giebt,

Zeuch, o Ringlein, dahin. Sie nehm' dich freudigen Muthes

Und vermähl' dich voll Huld ihrer zärtlichen Hand.

Pass' ihr gänzlich an, so wie sie selber mir passet;

Schmeichle kosend dich um den Finger herum.

Glücklich du! Mit dir wird meine Königin spielen.

Neid' ich doch, ich Thor, fast mein eigen Geschenk!

O, mein eigen Geschenk lasst mich, ihr Götter, itzt werden;

Ha, kein Zauberspiel hielt ich dessen zu arg!

Du berühretest dann des Mädchens schwellenden Busen;

Nichts verhüllete dir das gehässige Kleid.

Pfeilgeschwind glitt' ich, wie eng ich zuvor war, vom Finger,

Ueber den Busen hinab zum geheimesten Schoss.

Auch um rüstig ihr das traute Briefchen zu siegeln,

Dass am Steine nicht klebte das haltbare Wachs,

Küsst ich lind zuvor das feuchte Mündlein des Mädchens,

O, nur werd' ich nicht, mir zum Unglück, gebraucht!

Will in's Kästchen sie mich legen, wie will ich mich sperren!

Zur gerechten Straf' zwick' ich ihr Fingerlein dann.

Nicht zur Schande will ich dir seyn, du Inniggeliebte!

Noch zur drückenden Last deiner zärtlichen Hand.

Trage mich, wenn du im lauen Bade dich pflegest,

Oder muthiger dich kühlest im rauschenden Bach.

Ha, dann seh ich dich nackt! dann sprüh ich Flammen der Wollust!

Dann, als Ring sogar, üb' ich mein männliches Amt! - -

Doch was seufz' ich in Wind? Zeuch, unbedeutende Gabe,

Treuer Liebe Pfand dennoch bedeutend, dahin!
(S. 136-138)

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15. Elegie

Einladung auf's Land


Einsam leb' ich hier auf meinem Dörfchen, kein stolzer

Junker, dennoch fehlt mir kein ländliches Glück.

Wenn am Tage die Sonn' den dürren Boden zerspaltet,

Nachts der Hundstern flimmt mit versengender Gluth,

Rauschen Kühlung mir die schlängelnden schattigen Bächlein,

Sprosset alles um mich grün und grasig hervor.

Aehren starren hier, da winkt die trächtige Rebe,

Saftvoll nicket dort die Olive vom Baum.

Ueber welkes Gras läuft schnell die sprudelnde Quelle,

Netzt das Gras: es lacht in erneuetem Schmelz.

Aber fern von hier ist meine Liebe! - O, nicht so;

Die ist da! doch du, der sie flammet, bist fern!

Setz' an Himmel mich, zu leuchten bey Kastor und Pollux;

Ohne dich ist mir selbst der Himmel verhasst.

Keine Ruh im Grabe werd' ihm, ihn drücke die Erde,

Der die weiten Weg' und das Reisen erfand!

Hätt' er mindestens zugleich die löbliche Sitte gestiftet,

Dass das Mädchen nie ohne den Jüngling gereist!

Dann, und schritt ich wild auf eisumpanzerten Alpen,

Wär ich nur mit dir, wär die Reise mir süss.

Mit dir dräng ich beherzt durch Lybiens Syrten; es rase,

Wie er immer vermag, mit den Segeln der Süd.

Nicht das Ungeheuer im lügenden Bild einer Jungfrau

Schaut' ich; noch die Bucht, nur durch Stürme berühmt;

Noch wo hungrig stets Charybdis die nahenden Schiffe

Erst im Strudel trillt, dann in Abgrund versenkt.

Mag die grimme Macht Neptunens über uns siegen,

Bieten fruchtlos uns alle Götter den Schutz;

So umfasse mich rund mit deinen schneeweissen Armen,

Süsse Last! gar leicht trag' ich zum Ufer dich hin.

Oft zu Hero war ihr brünstiger Jüngling geschwommen:

Wär's zuletzt auch noch, wenn der Nachtsturm nicht war.

Lass rund um mich her sich Reben reihen, lass Quellen

Durch die fette Tritt krummen Laufes sich zieh'n,

Zwing' durch Gräben sie, zu weilen, der emsige Landmann,

Spiele mild und kühl mit den Blättern der West -

Ohne dich ist mir mein liebes Schlössgen ein Pesthaus,

Hier ist, ohne dich, mir kein väterlich Land;

Scythien nur mir hier, Britannien hier, und die Felsen,

Dunkelroth gefärbt von Prometheus Blut.

Schlingt die Rebe sogar um den Ulmbaum die zärtlichen Arme!

Warum ist von mir meine Geliebte so fern?

Schwurst du Lose doch bey deinen strahlenden Aeuglein,

Nimmer, selbst im Tod nimmer zu lassen von mir!

Aber die Schwüre der Mädchen sind leicht, wie Blätter des Baumes;

Spielend wehet sie jedes Lüftchen hinweg.

Wenn dich irgend an mich noch Ein Gedanke beschleichet;

So erfülle du nun, was du so oft mir gelobt,

Jage schnaubenden Laufs am leichten Wagen die Rosse,

Ueber die fliegende Mähn' schüttle den Zügel du selbst. -

Wo sie zeucht, da sinkt ehrerbietig, ihr Berge!

Und durch's krumme Thal winde dich sanfter, o Weg!
(S. 139-144)

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16. Elegie

Der Dienst der Minne
Auf seine Corinna


Wer für beschimpft mich hält, den Dienst der Minne zu dienen,

Kühnlich halt' er mich, lüstet's ihn, für beschimpft.

O, wie gern wär ich's! wenn nur die furchtbare Göttin,

Die in Paphos herrscht, minder quälete mich,

Ach und wenn, indem für's schönste Mädchen mein Herz schlägt,

Dieses arme Herz auch für das gütigste schlüg'.

Aber stolz ist sie auf ihre Reize. Corinna!

Warum, wehe mir! kennst du so gut dein Gesicht?

Dies Gesicht, gemacht auf ewig die Augen zu fesseln,

Trotz' es noch so sehr auf sein königliches Recht,

Dennoch darf es sich des Dichters Liebe nicht schämen,

An dem Hohen schmiegt oft sich das Niedre hinauf.

Sagt man ja dass, glüh'nd für den Mann von Erde, Kalypso

Ungern weilend ihn in den Umarmungen hielt,

Und dass mit dem Peleus die wassermächtige Thetis,

Und Egeria sich mit dem Numa verband,

Mit Vulcan Aphrodite, wie sehr auch, den Ambos verlassend,

Schmählich hinkend nur er in den Göttersaal tritt.

Nicht ganz gleichen Gangs sind auch meine Lieder; doch wohl klingt

Der heroische lang, kurz der elegische Fuss.

Sieh, ich bin, du Licht der Schöne, bin ganz dein Gefangner!

Gieb Gesetze mir, herrschend mitten im Bett.

Niemand wird dich schmäh'n, dass du mich liebest und dass ich

Liebe, du Liebliche, dich, ist mein stolzester Ruhm.

Für das gehäufte Gold sey dir der Reichthum der Muse;

Bass kost manche mich, sie zu preisen im Lied.

Eine weiss ich so, die stolz Corinna sich nennet;

Ha; was gäbe sie nicht, um Corinnna zu seyn!

Aber ehe wälz' in denselben Ufern Eurotas

Seine kühlende Fluth und der schattige Po.

Keine werd', als du, in meinen Liedern gesungen!

Keine hauch', als du, mir Begeisterung ein!
(S. 145-148)

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17. Elegie:

Warum er von der Liebe singe. An seinen Macer


Während du, ein Homer, den langen Krieg und das Zürnen

Des Achilles singst mit der Begeisterung Gluth,

Säumet Macer! dein Freund im Schatten friedlicher Liebe;

Deine Bahn zu gehn raubt ihm Amor die Kraft.

"O, lass ab von mir!" sagt' ich zum goldenen Mädchen,

Sagt' es kaum - schon sass mir das Mädchen im Schoos.

"O, der Schande!" rief ich. Mit kaum verhaltenen Thränen

Schluchzt' es: "Wehe mir! nun du der Liebe dich schämst."

Schlang sich rund um mich mit weichen Armen, und drückte -

Hin war all mein Muth - tausend Küsse mir auf.

Sein! der Sieg war sein! - Mein Genius bebet dem Schlachtton:

Meine Thaten nur, meine Kriege singt er.

Zwar auch ich führt' einst den Zepter. Melpomene selbst trat,

Göttlichgross, zuerst auf die Bühne durch mich.

Aber Amor nahm mir spottend den hohen Kothurnus,

Nahm den Purpurrock und den Zepter hinweg.

Nimmer wagt' er das, so ihm mein Mädchen nicht beystand;

Noch im tragischen Pomp schmück' ich seinen Triumph.

Wohl! so lehr' ich dann der Liebe zärtliche Künste,

(Ach, den Lehrer schützt seine Wissenschaft nicht!)

Oder singe, was einst dem fernen irrenden Gatten

Seine Penelope schrieb, und wie Phyllis geweint;

Singe, was Makareus, was Paris, der falsche Jason

Lesen soll, was dich, keuscher Hippolytus! schreckt;

Wie, den Dolch gezückt, Elisa jammert, wie Sappho

In dem brünstigen Lied ihres Phaons verlangt.

Einem Blitzstrahl gleich bringt mein Sabinus die Antwort;

Und worauf sie geharrt, wird nun jeder zu Theil.

Ihres Gatten Siegel erkennt Penelope freudig,

Phaedra liest voll Scham, wie Hippolytus zürnt,

Und der fromme Held geusst Trost in Dido's Verzweiflung,

Phyllis, so sie noch lebt, höret ihr klägliches Loos.

Vor Hypsipyle kommt von Jasons Unglück die Kunde,

Sappho, des Wunsches gewährt, weihet dem Phöbus ihr Spiel

Selbst auch du, o Freund! so weit dem Stoffe geziemet,

Feyerst mitten im Krieg Amors stolzen Triumph.

Tönt aus deinem Gesang doch Paris, Helena tönet

Und, der Bewunderung werth, Laodamia daraus.

Heldendichter! du selbst - ich kenne dich - singest nicht ewig

Deine Helden; auch dich nimmt mein Lager bald auf.
(S. 149-155)

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18. Elegie

An einen Nebenbuhler, über seine Sorglosigkeit


Sorgst du nicht für dich, die schöne Gattin zu hüten,

Sorge, Träger! für mich, meine Lust zu erhöh'n.

Wer will, was er darf? Nur das Verbotene reizt uns:

Hölzern ist, der liebt, was ein Dritter ihm gönnt.

Fürchten itzt, und dann auf einmal hoffen; wie selig!

Selbst im traurigen Nein! glühet nur Wollust empor.

Soll ich eines Glücks, das niemals wechselt, mich freuen?

Nein, ich liebe nicht, was mich unbesorgt lässt. -

Diese Laun' entgieng einst nicht Corinna's Bemerkung,

Wie verstand sie es, mich zu fesseln durch sie!

O, wie oft, als ob vor Weh ihr Köpfchen zerspränge,

Gieng ich tiefgebeugt von der Losen zurück!

Oft that sie verschämt - sie hatt' es nicht Ursach; doch öfters

So sie's hatte, schien sie lauter Unschuld zu seyn.

Wenn ich dann auf's neu vor Liebe schmelzte, wie fiel sie

Himmlischfreundlich mir in den offenen Arm!

Floss von süssem Scherz, von holden Wörtchen ganz über!

Gab mir Küsse, so hat nie ein Gott sie gefühlt! -

Ahm' ihr nach, o du, die erst mir selbst mich entführet,

Schütz oft Laurer vor, sprich oft zürnend das Nein!

Lass auf deiner Schwelle mich, voll Betrübniss, gelagert

Oft der langen Nacht schädliche Dünste besteh'n.

So wird meine Liebe zu später Dauer erstarken,

So erquickt sie das Herz und beut Nahrung dem Geist.

Aber wenn sie leicht und allzeit sicher geübt wird,

Eckelt ihrer mir, wie der süsseren Kost.

Hätte Danaën nie die eherne Veste verschlossen,

Wurde Danaë nie von Jupinen begehrt.

Juno hüttet voll Neids die mondbekränzete Jö,

Doch nur theurer wird Jö dem Buhlen dadurch.

Des Erlaubten mag der blöde Pöbel sich freuen;

Ihn speis' immer der Baum, ihn tränk' immer der Strom.

Die gern lange herrscht die täusche den brünstigen Buhlen:

(O, wie oft hat mich, was ich lehre, gequält!)

Sey ein andrer beglückt! Nur mir nicht schnelle Erhörung!

Die sich gleich ergiebt, heisst mich zur Trotzigern flieh'n.

Du, der du so träg der schönen Gattin vertrauest,

Schlies' doch endlich einmal, wenn es dämmert, das Thor,

Frag' doch endlich einmal, wer denn so leise geklopfet?

Was in tiefer Nacht deine Doggen so scheu'n?

Und wohin so oft mit Briefchen die Zofe geschickt wird?

Was so oft von dir abgesondert sie schläft?

Endlich doch einmal wird dich die Eifersucht quälen! -

Reichen Stoff beut sie meinem thätigen Witz.

Ohne alle Kunst das Weib des Thoren umarmen

Und am Ufer des Meers Kiesel stehlen, ist ein.

Siehe! hütest du in Zukunft nicht deine Gattin

Mehr als itzt, dann ist sie die Meine nicht mehr.

Viel und lang hab' ich ertragen. Einmal doch, hoff' ich,

Weicht die Blindheit ihm, mir die traurige Rast.

Ach umsonst! - Du bist von allen Hahnrey'n der trägste,

Ende, Liebe! dich, die mir niemand erschwert.

Ich Unglücklicher! Nie soll mir der Zugang versagt seyn?

Nie wacht meiner Nacht ein verrätherisch Aug?

Fürchten soll ich nie? und statt des Schlafes nie seufzen?

Nimmer soll ich mit Recht deinen Tod mir erfleh'n?

Sprich, was that ich dir, du allgefälliger Ehherr,

Dass du meiner Lust jede Würze entzeuchst? -

Such' dir einen auf, der solcher Trägheit sich freuet;

Oder, liebest du mich, so bewache sie streng.
(S. 156-160)

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Übersetzt von Ernst Ludwig Posselt (1763-1804)

Aus: Des Publius Ovidius Naso
Lieder der Liebe
Metrisch verdeutscht von D. Ernst Ludwig Posselt
Leipzig Bey Friedrich Gotthold Jacobaeer 1789




Drittes Buch


Erstes Buch



 



 

 


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