Andreas (Endre) Papp
(1817-1851)
ungarischer Dichter
An ein junges Mädchen
Nicht sprech' zu dir ich: träume nicht!
Weiss, dass dazu 's an Kraft gebricht.
Der Nachtigall: Gesang,
Dem Busch: sein Frühlingsgrün,
Der Jugend: Traum und Klang
Hat Gott der Herr verlieh'n.
Dass nie du aufwachst, wünsch' ich nicht,
Wie süss der Traum, der dich umflicht.
Die Sonn' auch schlummert ein,
Doch wacht sie Morgens auf,
Und auch ein Mädchentraum
Vollendet seinen Lauf.
Nicht bitt' ich, dass dir Täuschung fern,
Getäuscht wird, wer da träumet, gern,
Ach, wer da je gelebt,
Wer starb, und, jetzt schon Staub,
Dort unter'm Kreuze ruht:
Er ward der Täuschung Raub.
Ich ford're, was unmöglich, nicht,
Drum träume bis zum Morgenlicht.
Dein Aug' ist schön und rein,
Ist Gott gar lieb und werth,
Allein sein Weltgesetz
Er darum nicht verkehrt.
Drum liebe, träume, wach' auch auf,
Werd' auch getäuscht - 's ist Weltenlauf -
Das Eine wünsch' ich blos:
Lang sei dein Liebestraum,
Und dein Erwachen spät,
Und klein der Täuschung Raum!
übersetzt von Gustav Steinacker
(1809-1877)
Aus: Ungarische
Lyriker
von Alexander Kisfaludy bis auf die neueste Zeit
(die letzten 50 Jahre)
In chronologischer Reihenfolge metrisch übertragen
und mit literar-historischer Einleitung
und biographisch-kritischen Notizen versehen
von Gustav Steinacker
Zweite Ausgabe
Leipzig Joh. Ambr. Barth Buda-Pest
Grill'sche (vormals Geibel'sche) Buchhandlung 1874
(S. 229-230)
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