Gaetano L. Patuzzi (1841-1909)
italienischer Dichter
Chiarina
Nie sagt' ich dir, daß ich dich liebt', und ahnte
Gewiß es selber kaum. Es war so schön
Wenn ich auf Bergeshöh'n
Mit dir den Weg uns bahnte,
Bald wagend einen Sprung, bald durch die Klippen
Aufklimmend einer seltnen Blume nach.
Ein Laut des Schreckens brach
Erstickt dir von den Lippen.
Doch wenn ich jetzt auf jenem Hügel stehe,
Ist mir's, als ob ich in der Winde Spiel
Dein reizendes Profil,
Chiarina, wiedersähe.
Wohl hätt' ich, wärst am Leben du geblieben,
Was damals ich verschwieg, dir einst bekannt.
Mein Herz, so ausgebrannt,
Nun hätt' es was zu lieben.
Doch nein! Der Freundinnen, die du besessen,
Lebt noch manch Schöne - ihrer denk' ich nie.
Lebtest du noch, wie sie,
Hätt' ich auch dich vergessen.
(S. 343)
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übersetzt von Paul Heyse (1830-1914)
Aus: Paul Heyse Italienische Dichter in Übersetzungen
Lyriker und Volksgesang Neue Folge
Gesammelte Werke (Gesamtausgabe)
Reihe V Band 5
George Olms Verlag Hildesheim Zürich Neu York 2002
(Nachdruck der Ausgabe Stuttgart Berlin 1905)