Europäische Liebeslyrik

(in deutscher Übersetzung)

Edward Charles Halle (1846-1914) - Die Musik

 


Sandor Petöfi (1823-1849)
ungarischer Dichter


Lieder im Volkston

I.
Hei, diese Welt, wie groß sie ist,
So klein doch Du, mein Täubchen, bist;
Besäß' ich aber Dich, mein Leben,
Nicht um die Welt würd' ich Dich geben!

Der Tag bist Du, die Nacht bin ich,
Ich fühle voll vom Dunkel mich;
Mit Deinem flöß' mein Herz zusammen:
Welch Morgenroth müßt' draus entflammen!

Dein Auge schlag' zu Boden doch,
Denn mir verbrennt's die Seele noch!
Du aber fliehst mich ohne Hehle:
Nun, so verbrenn' denn meine Seele!
(S. 170)


II.
In der Küche trat ich, meine
Pfeife wollt mit Gluth ich laben . . .
Nun, das heißt, ich hätt' sie angezündet,
Würd' sie nicht gebrannt schon haben.

Lange brannt' mir schon die Pfeife
Mußte drum hinein nicht gehen,
Sondern ging nur, weil ein schönes
Mädchen ich darin ersehen.

Feuer schürte an sie eben,
Daß die Scheite helle sprühten;
Hei doch, ihre beiden Augen
Wohl viel heller noch erglühten!

Als ich eintrat, sah auf mich sie,
Blickte an mich, nicht zu nennen!
Ausging mir die glühnde Pfeife,
Doch mein Herz fing an zu brennen.
(S. 171)


III.
Es zittert der Strauch dort, weil
Ein Vogel darauf geflogen,
Es zittert mein Herz auch, weil
Erinnerung eingezogen.
Ich dachte, Du allerkleinstes,
Du winziges Mädchen, Dein!
Du bist in der Welt, der großen,
Der größte Demantenstein!

Schon voll ist die Donau, und
Sie wird nun wohl übergießen,
Mein Herz ist schwül auch, und
In Liebe ganz will's zerfließen!
Sag', liebst Du mich, Rosenstengel?
Ich liebe Dich treu und schlicht,
Es können Dich heißer lieben
Selbst Vater und Mutter nicht!

Als wir noch beisamen da,
Hast Du mich geliebt wohl treue,
Doch jetzt ist es Winter schon
Und damals, da war's noch im Maie;
Und liebst Du mich nimmer, - möge
Gott segnen Dich, trotz der Qual;
Doch, liebst Du mich treu noch, segne
Er dich dann gleich tausendmal!
(S. 172)


IV.
Was fließt dort durch die Wiese?
Des Baches Perlen sind es -
Und in des Liebchens Antlitz?
Von Kummerthränen rinnt es.

Mag nur das Bächlein fließen!
Von seiner Wellen Kosen
Entknospen auf den Wiesen,
Den grünen, rothe Rosen.

Doch sollen Thränen fließen
Dir nicht im Antlitz, Englein!
Denn davon, ach! verwelken
Die Rosen Deiner Wänglein.
(S. 173)


V.
Grün an Blättern, weiß an Blüthen
Die Akazie sehet,
Und ein blondes Kind im blauen
Kleid darunter stehet;
Dort wo sie ereilt der Regen
Harrt sie auf sein Ende,
Ich doch blinzle aus der Thüre
Auf sie hin behende.

Komm' herein doch, meine Taube!
In der Stube letz' Dich,
Bis der Regen aufhört, auf die
Kleiderlade setz' Dich;
Ist zu hoch sie, heb ich drauf dich,
Daß sich Gott erbarme!
Ist zu hart sie, nehm ich gerne
Dich in meine Arme!
(S. 174)


VI.
Im Dorfe die Gasse entlang
Begleitet mich der Geigen Klang,
Die Flasche ist Weines voll,
Ich tanze ganz teufelstoll.

Spiel' traurig, Zigeunersmann!
Daß ich mich ausweinen kann;
Bei jenen Fenstern dort
Spiel' wieder lustig fort.

Dort wohnt mein schöner Stern,
Doch ist's ein Wandelstern,
Der sich verhüllt vor mir,
Und Andern scheint dafür.

Zigeuner! das Fenster ist hier,
Spiel nur Dein Lustiges mir!
Mag sehn die Falsche es nie -
Wie ich mich härme um sie!
(S. 175)
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Aus: Album hundert ungrischer Dichter
In eignen und fremden Übersetzungen herausgegeben durch
Karl Maria Kertbeny [1824-1882]
Zweite Auflage Dresden Pest Robert Schaefer Hermann Geibel 1854

[Übersetzer nicht explizit genannt]
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Ende Septembers

Noch blühen die Blumen des Gartens im Thale,
Noch grünt vor dem Fenster die Pappel so schön,
Doch siehe, schon naht sich der Winter, der fahle,
Und decket mit Schnee die bewaldeten Höh'n.
Auch ich trag' im Herzen noch Sommerlichts Strahlen,
Noch sprosst in ihm jugendlich keimende Saat,
Die Haare doch herbstlich schon grau sich mir malen,
Der Reif schon des Winters berühret sie hat.

Die Blume fällt ab, es verrauschet das Leben,
Komm, Gattin, setz her dich auf meinen Schooss,
Ruhst heut' noch im Arm mir mit wonnigem Beben,
Kniest morgen am Grab vielleicht, das mich umschloss.
O sprich, wenn vor dir ich dereinst bin gestorben,
Wirst weinend du knieen an meinem Grab?
Oder wirst du, von neuer Liebe umworben,
Abschwören den Namen, den ich dir einst gab?

Wenn wirklich du ablegst den Wittwenschleier,
Die Trauerfahn', die vom Haupte dir weht,
Dann komm' ich aus dunklem Grabesgemäuer,
Hol' ihn, wenn der Zeiger auf Mitternacht steht.
Hol' ihn, um zu trocken die Thräne gelinde,
Die, um dich vergossen, das Auge dir trübt,
Mit ihm ich des Herzens Wunde verbinde,
Das dann noch, und dort noch, auf ewig dich liebt.


übersetzt von Gustav Steinacker (1809-1877)

Aus: Ungarische Lyriker
von Alexander Kisfaludy bis auf die neueste Zeit (die letzten 50 Jahre)
In chronologischer Reihenfolge metrisch übertragen
und mit literar-historischer Einleitung
und biographisch-kritischen Notizen versehen
von Gustav Steinacker
Zweite Ausgabe Leipzig Joh. Ambr. Barth Buda-Pest
Grill'sche (vormals Geibel'sche) Buchhandlung 1874 (S. 302)

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Volkslieder

1.
Aus der tiefen Wolke regnet's
Herbstlich auf den Baum hernieder.
Seine Blätter fallen - dennoch
Tönt's aus ihm wie süsse Lieder.

Zu so später Stunde, Liebchen,
Hält der Schlaf dich schon umfangen?
Hörst du nicht, was leis' und traurig
Süsse Vogelstimmen sangen?

Bist du wach noch - o dann höre,
Hör', was jener Vogel singet,
Er ist meine Liebe, die dir
Die verhauchte Seele bringet.
(S. 303-304)


2.
Ach die Liebe, ach die Liebe
Ist 'ne Grube, tief und trübe,
Fiel hinein, muss d'rin vergehen,
Kann nicht hören mehr noch sehen.

Soll des Vaters Heerd' ich locken,
Hör' ich nicht den Schall der Glocken,
Muss auf grüner Saat gewahren
Ach zu spät nur ihre Schaaren.

Mein Tornister hat die Mutter
Mir gefüllt mit Brot und Butter,
Hab' es glücklich schon verloren,
Bin zum Fasten nun erkoren.

Liebe Mutter, lieber Vater,
Traut mir jetzt nicht als Berather,
Und vergebt mir, wenn ich fehle,
Weiss ja selbst nicht, was ich wähle.
(S. 304)


3.
Leichenklänge, Trauerklagen . . .
Wer wird hier zu Grab' getragen?
Wer's auch sei - er ruht in Frieden,
Wär' solch' Loos auch mir beschieden!

Unter meinem Fenster tragen
Sie ihn hin mit lautem Klagen;
Trügen sie doch lieber mich,
Um mich grämte Niemand sich.
(S. 305)


4.
Weil so heiss die Tage,
Reif schon ist's Getreide;
Morgen mit dem Frühsten
Zeit ist's, dass ich's schneide.

Reif ist auch die Liebe,
Weil mein Herz voll Feuer,
O sei du der Schnitter,
Liebchen, mir so theuer!
(S. 305)


5.
Ich nähm' dich - wollt' man mir dich geben,
Doch sprach umsonst ich Muttern eben;
Sie weigert sich uns zu verbinden,
Warum? den Grund kann ich nicht finden.

Ist denn mein Geist verwirrt vom Grämen?
Gern weint' ich, müsst' ich mich nicht schämen,
Wär' ich die Wolk' am Himmelsrande,
Dann wär' mein Weinen keine Schande.

Wär' ich der Weizen auf dem Felde,
Man schnitt zur Ernte mich in Bälde,
Dann braucht' ich länger nicht zu leiden
In diesem Leben ohne Freuden.
(S. 306)

übersetzt von Gustav Steinacker (1809-1877)

Aus: Ungarische Lyriker
von Alexander Kisfaludy bis auf die neueste Zeit (die letzten 50 Jahre)
In chronologischer Reihenfolge metrisch übertragen
und mit literar-historischer Einleitung
und biographisch-kritischen Notizen versehen
von Gustav Steinacker
Zweite Ausgabe Leipzig Joh. Ambr. Barth Buda-Pest
Grill'sche (vormals Geibel'sche) Buchhandlung 1874
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