Joannis Polemis (1862-1924)
griechischer Dichter
Das Glück
Oft treff' ich unterwegs das Glück allein,
höfflich begrüß' ich es, es tritt dicht zu mir her,
gibt mir sein Händchen, sagt, es hätt' mich gern,
denk' auch an mich, und was dergleichen mehr.
So kam es, daß ich einst ein Herz mir faßte
und gradezu es fragte: "Wenn's Euch paßte,
würdet Ihr wohl ein Stückchen mit mir gehn?"
Das Glück - ich merkt', es stand schon wie auf Kohlen -
sprach nur: "O ja, recht gern, doch - unverhohlen -
mit armen Sängern darf man mich nicht sehn."
(S. 7)
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Verlorene Jahre
O daß sie doch noch einmal sich erneute,
die Zeit, eh ich mich deiner Liebe freute,
soweit zurück, als ob sie fremd mir wären,
die Jahre sind, da ich dich mußt' entbehren!
Es war ein Strom, der über Steine setzte,
nicht einmal zarte Gräser nur benetzte,
das Erdreich bannte ihn in finstre Tiefen,
daß selbst die Spuren sich von ihm verliefen.
Kehrten sie wieder, würd' ich doppelt leben,
unausgesetzter Liebe mich bestreben,
du wärst die erste, wie die letzte du,
von meiner Wiege bis zur ew'gen Ruh'!
Zur Hälfte nur ich dir mein Leben weihte;
o, daß sich Leben doch an Leben reihte,
da du's verdient, von mir geliebt zu werden;
kämen die Jahre wieder doch auf Erden!
(S. 8)
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Übersetzt von Karl Dieterich
(1869-1935)
Aus: Neugriechische Lyriker
Ausgewählt und übertragen von Karl Dieterich
mit einem Geleitwort von Gerhart Hauptmann
Zweite Auflage In Kommission bei Friederichsen
de Gruyter & Co. m. b. H. Hamburg 1931