Europäische Liebeslyrik

(in deutscher Übersetzung)

Edward Charles Halle (1846-1914) - Die Musik

 


Janos Pompery (1819-1884)
ungarischer Dichter



An Yole

I.
Wie von der süßen Last der Früchte
Beschwert der Zweig sich beugt und bricht,
So drückt mich gleichfalls ein Gedanke,
Der mir des Zweiges Loos verspricht.

Er dringt in meine düstre Seele,
Nicht ruhen kann mein krankes Herz,
Und unter dieser schweren Bürde
Bekämpf' vergebens ich den Schmerz.

Was ist wol dieser mein Gedanke,
Der mich in stiller Nacht beschleicht,
Sich zugesellt den Tagessorgen?
Die Antwort einem Seufzer gleicht!


II.
Ich denke dein! Ich mag' nicht läugnen;
Gleichwie der Vogel südwärts eilt,
Auch mein Gedanke liebbeflügelt
Bei dir nur in der Ferne weilt.

Ich leugne's nicht, daß der Gedanke,
Der in die Weite streift zu dir,
Die Taube ist - gesandt vom Herzen -
Die Hoffnung heimzubringen mir.

Doch wird er mir den Zweig auch bringen,
Der süßen Hoffnung höchstes Glück?
Wird nicht auch diese mir das Schicksal
Gleich andern senden welk zurück?

Und wird der Kummer mir im Herzen,
Das nur in Sehnsucht bebt und lebt,
Die sternenlose Nacht verkünden,
Die nie den schwarzen Schleier hebt?

Gleich einem blitzgetroffnen Baume,
Der Blätter ledig, schlimm entlaubt,
Soll einsam ich für immer stehen,
Der Hoffnung schon im Lenz beraubt?

Gleich einem blitzgetroffnen Baume,
Zu dem kein Vogel singend flieht,
Soll ich vergessen sein, verlassen,
Auf den kein Auge lächelnd sieht?

Wirst du mein trauernd Herz erleuchten,
Das längst schon einem Friedhof glich,
Worin unzähl'ge Freuden schlummern
Gleich Rosen, deren Schmelz erblich!

Was wär' der Zauber deiner Augen,
Wenn ihnen Liebe nicht entsprüht?
Nichts als der Glanz des Diamanten,
Der trotz des Feuers niemals glüht!

Dein Lächeln wär' ein Strahl, der heuchelnd
Die Blüthe aus der Knospe lockt,
Worauf der Frost ob seiner Beute
Im nächsten Augenblick frohlockt!


III.
Ich denke dein! Soll ich's nicht sagen?
Auch wenn dein Aug' im Zauberschein
Süßträumerischer Erinn'rung nimmer
Mein Bild erkennt - ich denke dein!

Auch wenn du nicht erkennen würdest,
Daß mir nur Kummer schafft dein Blick,
Daß alle meine Freuden theilen
Der welken Blätter Herbstgeschick!

So wie der Baum den Ast zum Himmel
Erhebt, ob Blitz, ob Sonnenschein,
So auch, ob du mich ewig hassest,
Ob du mich liebst - ich denke dein!

Ein einzig Wort! Doch könnt' dies Eine
Mir rauben meinen süßen Wahn;
D'rum besser schweig, laß mir mein Hoffen -
Des Trostes einzig sichre Bahn!

Erschließt sich auch dem Eremiten,
Kniet betend er, der Himmel nicht,
Bleibt doch unwandelbar sein Glaube,
Der ihm das Paradies verspricht!
_____


Aus: Klänge aus dem Osten.
Ungarische Dichtungen frei übersetzt von
Demeter Dudumi [1855]
Zweite Auflage Pesth Verlag von H. Geibel 1855 (S. 87-94)



 

 


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