Europäische Liebeslyrik

(in deutscher Übersetzung)

Edward Charles Halle (1846-1914) - Die Musik

 


Lambros Porphyras (1879-1932)
griechischer Dichter




Eine alte Stickerei

Gefesselt quoll hervor dein blondes Haar,
du liebes Kind, aus schwarzem Tuch so dicht,
des Herbstes Sonnenschein fiel auf dich klar,
wie auf ein Krankenbett der Lampe Licht.

Dort, unter unsrer Laube welkem Dach,
gebeugt du saßest, stickend flog die Hand -
Sie war der einz'ge Falter, der noch wach
und sturmgefestigt spielt' im Sonnenbrand.

Und Bilder sticktest in die Schürze du,
leidvolle, wie von Trennung, Ewigkeit . . .
In Trauerweidenzweige - o wozu
sticktest du unser heimlich Herzeleid?

Und dein alt Mütterlein, das stumm, gebückt,
im schwarzen Rock zu uns heran sich schlich,
still lächelnd - sie auch, ahnungslos bedrückt,
der Schicksalsgöttin unsrer Trennung glich.
(S. 23)
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Ihre Augen

Am Abend sahn sie nach den Sternen,
sahn nach der Sonne in der Früh',
sie stirbt, in weite dunkle Fernen
entweichen sie - wozu der Müh'? -

Was schön und hold nun an ihr war,
flog zu den Blumen hier und dort;
die Augen nur, ein Fackelpaar,
leuchten noch tief im Grabe fort:

Sie sehen wie aus tiefen Fernen,
erfüllt von sanfter Harmonie,
noch spät am Abend nach den Sternen,
noch nach der Sonne in der Früh'.
(S. 23-24)
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Lacrymae rerum

Unselige, behext ist unser Häuschen,
durch deiner Schönheit unheilvolles Glück;
dort an der Wand, am Spiegel, an den Bildern
hängt wie von deiner Schönheit noch ein Stück.

Etwas wie Moschusduft, der unser Häuschen
durchwallend und durchwogend rings erfüllt,
etwas wie leichtes, unfaßbares Schimmern,
das im Vorbeiziehn alles leis umhüllt.

Eintönig schwer die Regentropfen prasseln
auf unser Dach herab und - hörst du's wohl?
aus jedem Ding, das deine Hände weihten,
erklingt es wie ein Klageton so hohl.

Und aus der Ecke dort, wo des Vergessens
treuer Geleiter, unsre liebe Uhr,
auch sie ein Zeitbesinger, läßt ertönen
lang hingezogne Totenweisen nur.
(S. 24)
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Übersetzt von Karl Dieterich (1869-1935)

Aus: Neugriechische Lyriker
Ausgewählt und übertragen von Karl Dieterich
mit einem Geleitwort von Gerhart Hauptmann
Zweite Auflage In Kommission bei Friederichsen
de Gruyter & Co. m. b. H. Hamburg 1931


 

 


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