Europäische Liebeslyrik

(in deutscher Übersetzung)

Edward Charles Halle (1846-1914) - Die Musik

 


Emilio Praga (1839-1875)
italienischer Dichter




Brianza

Wie schön ist doch der Abend in den Bergen!
Entsinnst du dich? Wenn hinter Felsenhöhn
Wir plötzlich sahn den Glutball sich verbergen
Und flüsterten im Wandern: O wie schön,
Wie schön ist doch der Abend in den Bergen!

O einsam süße Ruh' in den vier Wänden!
Du stemmtest an den Herd die Füßchen an
Und kos'test mir das Haupt mit weichen Händen,
Das muntre Heimchen war Gevattersmann.
O einsam süße Ruh' in den vier Wänden!

Wer konnt' an reinem Glück mit uns sich messen
In jener tiefverstohlnen Liebeszeit?
Hast du der goldnen Pläne wohl vergessen,
Noch ungetrübt von rauher Wirklichkeit?
Wer konnt' an reinem Glück mit uns sich messen!

Du sahst den Kranz mir schon im Haar erglänzen,
Ich öffnete dir eines Edens Thür.
Du sahst mit Lorbeern meinen Namen kränzen,
Mit ew'ger Liebe lohnt' ich dir dafür . . .
Du sahst den Kranz mir schon im Haar erglänzen.

O heil'ge Freuden! O ihr Himmelsträume!
Wie manche Täuschung, Herz, hast du beweint!
Doch nein, nicht alles Glück verwelkt' im Keime,
Wenn wir noch heute flüstern treuvereint:
O heil'ge Freuden! O ihr Himmelsträume!

Sie blüht noch einmal auf, verscheuch die Sorgen,
Die Zeit, da wir uns einzig angehört.
Du weißt's ja, in der Engel Schutz geborgen,
Du Gute, deren Flehn der Himmel hört:
Sie blüht noch einmal auf; verscheuch die Sorgen!

Wer raubt uns einen stillen Fleck auf Erden,
Wo wir, da Herz und Leben wir erkannt,
Die Welt vergessen und vergessen werden
Und uns zum Abschied rüsten Hand in Hand?
Wer raubt uns einen stillen Fleck auf Erden?

O einsam süße Ruh' in den vier Wänden!
Ich werd' am Herd dich wieder sitzen sehn,
In Traum versenkt, gekos't von deinen Händen,
Das Heimchen sinkt, als wäre Nichts geschehn . . .
O einsam süße Ruh' in den vier Wänden!
(S. 53-54)

übersetzt von Paul Heyse (1830-1914)

Aus: Paul Heyse Italienische Dichter in Übersetzungen
Lyriker und Volksgesang (darin: Italienisches Liederbuch)
Gesammelte Werke (Gesamtausgabe)
Reihe V Band 4
George Olms Verlag Hildesheim Zürich Neu York 1999
(Nachdruck der Ausgabe Berlin 1889)
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Und da ich mit dir ging . . .

Und da ich mit dir ging, du blasses Kind,
Mein Herz war wie ein Kirchlein voller Glocken.
Das klang so lind,
Und wie ein Wald, drin tausend Vögel locken,
War dieses Herz, das immer sehnt und sinnt,
Heut, da ich mit dir ging, du blasses Kind.

Die Messe sang ein Cherub, lichtbeschwingt,
Und Tauben nisteten und Nachtigallen.
Wie lieblich blinkt
Das reine Weiß, wie süß des Weihrauchs Wallen,
Wie Brod und Wein so voller Gnaden winkt,
Wenn leis ein Cherub drin die Messe singt!
(S. 55)

übersetzt von Paul Heyse (1830-1914)

Aus: Paul Heyse Italienische Dichter in Übersetzungen
Lyriker und Volksgesang (darin: Italienisches Liederbuch)
Gesammelte Werke (Gesamtausgabe)
Reihe V Band 4
George Olms Verlag Hildesheim Zürich Neu York 1999
(Nachdruck der Ausgabe Berlin 1889)
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Ballade

- Du blasses Kind, ich bitte dich,
Daß du den Weg mir weisest.
Wie find' ich ihn, sag an!
- Wie kann ich dir ihn weisen, Herr?
Weiß ich, wohin du reisest,
Du schmucker Reitersmann?

- Dein Lippenpaar ist rosenroth,
Von Gold sind deine Haare
Weiß nicht, wohin ich fahre,
Will folgen deinem Fuß.

- So komm zu jenem Hüttendach,
Wo Gott beschützt das Leben
Des Hirten, dem ich hold.
Dem will ich meines Lippenpaars
Thaufeuchte Rosen geben
Und meines Haares Gold.

- Gnügt's, dich zu lieben, Mägdelein,
Um ganz zu sein der Deine:
Mein Herz wiegt auf das seine,
Mein Reich dir huld'gen muß.

Komm! schwing dich auf! Dann reiten wir
Der Lust und Pracht entgegen.
Feinsliebchen, flieh mit mir!
- Dein Harnisch, Herr, ist funkelhell
Und silberblank dein Degen;
Wohl wär' es schön bei dir.

Doch schwur mein Hirt, er lebe nur
Durch mich auf dieser Erde.
Wenn ich ihm untreu werde,
Hört er zu athmen auf.

- Aufs Pferd, aufs Pferd, du bleiches Kind!
Dein Brautkleid, mußt du wissen,
Von Perl' und Steinen glänzt;
Trägst Schleppensaum und Kettelein;
Dein duftig reiches Kissen
Mit Rosen ist's umkränzt.

- Er stirbt gewiß, er schwur es mir . . .
Und dann, mein holder König,
Hilfst du mir nicht ein wenig,
Wie schwing' ich mich hinauf?
(S. 63-64)

übersetzt von Paul Heyse (1830-1914)

Aus: Paul Heyse Italienische Dichter in Übersetzungen
Lyriker und Volksgesang (darin: Italienisches Liederbuch)
Gesammelte Werke (Gesamtausgabe)
Reihe V Band 4
George Olms Verlag Hildesheim Zürich Neu York 1999
(Nachdruck der Ausgabe Berlin 1889)
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Anbetung

Du willst um Sechs mich in die Messe schicken?
Sieh, wie so herrlich dort die Gipfel ragen.
Dort werd' ich morgen sein beim frühsten Tagen,
Veilchen und Thymian für dich zu pflücken.

Und kannst du mich im Kirchlein nicht erblicken,
Brauchst du vorm Zorn des Herrn drum nicht zu zagen.
Nicht Weihrauch und Latein kann ihm behagen,
Nur unsrer Herzen andachtvoll Entzücken.

Meins, das hier unten zwar für dich nur schlägt,
Trag' ich's hinauf, erathmend dort zu lauschen,
O Wunder! betend fliegt es himmelwärts.

Und von dem Schönheitshymnus tief bewegt,
Den rings die Land- und Meeresweiten rauschen,
Wird zum Altare mir mein eignes Herz.
(S. 364)

übersetzt von Paul Heyse (1830-1914)

Aus: Paul Heyse Italienische Dichter in Übersetzungen
Lyriker und Volksgesang Neue Folge
Gesammelte Werke (Gesamtausgabe)
Reihe V Band 5
George Olms Verlag Hildesheim Zürich Neu York 2002
(Nachdruck der Ausgabe Stuttgart Berlin 1905)
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