Franz Prešeren (1800-1849)
slowenischer Dichter
An die Saiten
Tönet Saiten, Leidens-Kunden,
Töne milde, liebes Lied,
Und verkünd' des Herzens Wunden,
Ihr, der Harten, die mich flieht.
Wie die Wange mir erbleichet,
Wie mein Auge bricht und stirbt;
Wie aus ihm die Thräne schleichet,
Da umsonst um Lieb' es wirbt.
Wie von Sehnsucht nach ihr glühet
Dieses Herz, nur sie vermißt,
Wie's umsonst nach Lust sich mühet,
Alles Glück um sich vergißt.
Wie ich ihrem Antlitz wage
Nachzufolgen überall,
Wie im Herzen stets ich trage
Ihrer süßen Worte Schall.
Und wie ihr müßt gleich verklingen,
Wenn sie nicht Erbarmen fühlt,
Ihr, o Saiten, die zu singen
Sich erkoren nur ihr Bild!
Trag zu ihr du diese Schmerzen,
Trauer-Leier, tön' zu ihr,
Bring' als Preis dem treuen Herzen,
Bring' ihr Herz als Preis zu mir!
übersetzt von Anton Pace von Friedensberg (1851-1923)
Aus: Lieder des Franz Prešern
Deutsch von A. Pace
Laibach Ign. v. Kleinmahr & Fed. Bamberg 1869
(S. 7-8)
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Unter dem Fenster
Von den Zinnen -
Mondbeschienen -
Tönt die Glocke Mitternacht;
Liebesschmerzen
Tief im Herzen
Haben schlaflos mich gemacht.
Mitleidslose,
Stolze Rose
Bist die Quelle meiner Noth;
Schlägst mir Wunden,
Hast gefunden
Meiner Ruhe sichern Tod.
Meiner Liebe
Heiße Triebe
Zaubern vor das Aug' dein Bild;
An dir hangend,
Treu verlangend
Trüb' mein Herze überquillt.
Einmal wieder
Blick hernieder,
Nur die Sterne sehen dich;
O erscheine,
Holde, Reine,
Hassen kannst ja nimmer mich!
Gib ein Zeichen!
Will ja weichen,
Scheu'st zu sprechen dich mit mir.
Spät die Stunde!
Ohne Kunde
Steh ich Elender noch hier.
Sternlein blicket,
Ob sie nicket,
Schläft im stillen Kämmerlein?
Prüft sie's Sehnen,
Meine Thränen,
Schließt ihr Herz 'nen Andern ein?
Sei ihr Schlummer
Frei vom Kummer,
Mag sie prüfen meinen Schmerz;
Ihre Liebe,
Wenn sie bliebe
Eines Andern - bräch' mein Herz.
übersetzt von Anton Pace von Friedensberg (1851-1923)
Aus: Lieder des Franz Prešern
Deutsch von A. Pace
Laibach Ign. v. Kleinmahr & Fed. Bamberg 1869
(S. 11-13)
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Bitte
Frei blick nach andern immer,
Kann's ja nicht wehren dir;
Doch zeig' den Glanz, den Schimmer
Doch öffne 's Aug' auch mir.
Das Köpfchen hängt die Rose,
Will fortan nicht mehr blüh'n;
Das Vögelein, das lose,
Schweigt trübe fürderhin.
Es zieh'n nicht mehr die Bienen,
Umschwärmend Blüth' und Blatt,
Und selbst im Wasser drinnen
Ist's Fischlein krank und matt.
Es trauerte am Morgen
Jedwed' Geschöpf, mein Lieb!
Wenn länger noch verborgen
Die goldne Sonn' ihm blieb.
Und mehr als Rosen blühen,
Als Vöglein sind im Wald,
Und mehr als Bienen ziehen,
Als Fischlein, mannigfalt,
Gedanken in mir weilen,
In Liebestraum versenkt,
Als Lieder zu enteilen,
Sie's kräftig aufwärts drängt.
Doch können frei sie schweben
Im hohen Aether nicht,
Erst muß sie neu beleben
Des Auges himmlisch Licht.
Willst du, daß sie nicht klagen,
Im Froste sterben mehr;
Willst du, daß froh sie tragen
Dein Lob im Land umher,
So - liebst du mich auch nimmer -
Sieh doch nach mir zurück,
Zeig mir des Auges Schimmer,
Laß ruh'n auf mir den Blick!
übersetzt von Anton Pace von Friedensberg (1851-1923)
Aus: Lieder des Franz Prešern
Deutsch von A. Pace
Laibach Ign. v. Kleinmahr & Fed. Bamberg 1869
(S. 14-16)
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Wohin?
Wenn ohne Ruh und Rast ich bin,
Die Freunde fragen mich, wohin?
So fraget doch am Firmament
Die Wolk', das Meereselement,
Wenn von dem Sturme wild gepackt,
Umher sie irren, fortgejagt!
Nicht weiß es Wolk', nicht Well', wohin,
Nicht ich; Verzweiflung macht mich zieh'n.
Doch weiß ich, wo ich mag auch geh'n,
Nicht darf ich mehr ihr Antlitz seh'n;
Und daß kein Ort ist weit und breit,
Wo ich vergäße dieses Leid!
übersetzt von Anton Pace von Friedensberg (1851-1923)
Aus: Lieder des Franz Prešern
Deutsch von A. Pace
Laibach Ign. v. Kleinmahr & Fed. Bamberg 1869
(S. 17)
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Befehle
Nicht soll ich, hast du verboten,
Drücken 's weiße Händchen dein;
Und du sahst, da du geboten,
Wie ich kann gehorsam sein.
Nicht soll ich, hast du verboten,
Sprechen von der Liebe Pein;
Und du sahst, da du geboten,
Wie ich kann gehorsam sein.
Nicht soll ich, hast du verboten,
Jemals zu dir treten ein;
Und du sahst, da du geboten,
Wie ich kann gehorsam sein.
Auch muß ich, hast du geboten,
Dich vermeiden, geh'n allein;
Und du sahst, da du geboten,
Wie ich kann gehorsam sein.
Ferner hast du mir geboten,
Gänzlich zu vergessen dein;
Und ich würd', weil du's geboten,
Folgen, wenn es könnte sein.
In der Brust das Herz mir stille,
Schaffe mir ein and'res Sein;
Eher nicht - 's ist Gottes Wille -
Kann ich je vergessen dein!
übersetzt von Anton Pace von Friedensberg (1851-1923)
Aus: Lieder des Franz Prešern
Deutsch von A. Pace
Laibach Ign. v. Kleinmahr & Fed. Bamberg 1869
(S. 18-19)
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Beim Abschied
Warum wend'st du dein Gesicht?
Wend'st dich weg vom Armen, Trüben?
Zwingt dich Jemand, mich zu lieben?
Gib den Abschied, zürn' mir nicht.
Reich die Hand zum Lebewohl,
Freundlich heiß' mich von dir scheiden,
Keine Thrän' verrath' mein Leiden,
Alle Trauer ruhen soll.
Kannt' mein Herz doch auch kein Glück,
Da ich dich noch nicht gesehen;
Mag es mir wie ehmals gehen,
Alte Zeit, sie kehrt zurück.
Wieder wird's wie vordem sein:
Wandeln werd' ich dunkle Wege,
Auf des Schicksals rauhem Stege
Werd' ich einsam geh'n, allein.
Und es drückt das alte Lieb,
Drückt Geduld mich in die Arme,
Die mir treu in meinem Harme,
Treu als Gattin bei mir blieb.
Und so trag' ich meine Noth,
Trag' die Last, die auf mir lieget,
Bis des Schicksals Zorn besieget
's letzte Lieb - der bleiche Tod.
übersetzt von Anton Pace von Friedensberg (1851-1923)
Aus: Lieder des Franz Prešern
Deutsch von A. Pace
Laibach Ign. v. Kleinmahr & Fed. Bamberg 1869
(S. 20-21)
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Andenken
Schlau hat im Netz dich ein Andrer gefangen,
's wankende Herze, es ist nicht mehr mein;
Etwas doch macht, daß an mir du mußt hangen,
Was es ist, wissen wir zwei allein.
Oft ist dein Reden verlegen, verwirret,
Hast du im Menschengewühl mich erblickt;
Oft auch, mich suchend, dein Aug' herumirret,
Bist auch wohl, wenn du mich missest, gedrückt.
Oft wenn, ermüdet von fröhlichen Scherzen,
In dich versunken du weilest allein,
Drängen sich dir in die Seel' meine Schmerzen,
Mußt an mich denken und fühlst meine Pein.
Manchmal, wenn froh dein Geliebter gesungen,
Selig gepriesen der Lieb' herrlich Glück,
Sind dir ins Herz meine Lieder gedrungen,
Welche verkündet ihr traurig Geschick.
Strenge, ich weiß es, hast du mich gerichtet,
Strenge du jetzt auch dich wendest von mir,
Dennoch mit finsterem Blick wird vernichtet,
Wer mich verklagt und verleumdet bei dir.
Unübersteigbar die Wand sich erhebet,
Welche auf ewig von dir mich getrennt;
Doch drüber weg der Gedanke frei schwebet,
Der keine Schranken, kein Hinderniß kennt.
Andere haben dich flehend beschworen,
Ihrer zu denken, ich - nie vor dir lag.
Alle vergaßt du im Laufe der Horen,
Mein doch du denkst bis zum spätesten Tag!
übersetzt von Anton Pace von Friedensberg (1851-1923)
Aus: Lieder des Franz Prešern
Deutsch von A. Pace
Laibach Ign. v. Kleinmahr & Fed. Bamberg 1869
(S. 22-23)
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Verlorener Glaube
Die Augen strahlen himmlisch klar,
Ihr Glanz ist, wie er ehdem war.
Das Roth der Wang', so morgenschön,
Es glüht, wie 's vordem ich geseh'n.
Es lächelt hold der schöne Mund,
So süß, wie ehmals auch jetzund.
Wie schnell die Zeit auch vorwärts flieht,
Dein Busen weiß, wie immer blüht.
Dein Körper, Fuß und kleine Hand
Sind so, wie ich sie einst gekannt.
Die Schönheit, Liebenswürdigkeit,
Die hast, wie ehmals, ganz du heut'.
Doch an dich glauben kann ich nicht,
Verschwunden ist dies himmlisch Licht.
Des Glaubens Strahl-Kranz, der umglüht
Dein Haupt einst hat, ist nun verblüht.
Ein Blick ihn raubt' für alle Zeit,
Er kehrt nicht mehr in Ewigkeit.
Was du mir warst, das ist vorbei,
Vorbei des Glaubens hohe Weih'.
Als Gottheit betet' ich dich an,
Ein schön Geschöpf zerstört den Wahn!
übersetzt von Anton Pace von Friedensberg (1851-1923)
Aus: Lieder des Franz Prešern
Deutsch von A. Pace
Laibach Ign. v. Kleinmahr & Fed. Bamberg 1869
(S. 24-25)
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Der Seemann
Leb wohl, leb wohl, Untreue!
Der Kahn erscheint auf's neue,
Der Schuß ruft fort von dir.
Du wandle froh und heiter,
Mich treibt Verzweiflung weiter,
Ein Andrer nahm dich mir!
Bei Gott hab ich geschworen,
Daß eh' die Seel verloren,
Als meine Lieb' soll sein;
Und Hand in Hand, verlobet,
Hast du bei Gott gelobet,
Mir ewig treu zu sein.
Auf Meeres weiten Wogen
Bin ich in Städt' gezogen,
Wo schöne Mädchen blühn.
Doch trotz der Schönheit Walten,
Der mannigfach Gestalten
Blieb nur für dich mein Glühn.
Und von der Winde Wehen
Die Segel auf sich blähen
Und bringen mich zurück.
Dem fremden Mann verbunden
Hab ich mein Lieb' gefunden,
Verloren war mein Glück.
Laßt auf die Segel binden
Und geben sie den Winden.
Wie ist so hell das Meer!
So weit man d'rauf kann bauen,
Wir Schiffer ihm vertrauen,
Den Mädchen - kann das wer?
Nicht schreckt des Meeres Toben
Den Seemann, wenn erhoben
Die Wellen Tod ihm dräu'n.
Erinnerung vergehet;
Der Liebe Schmerz erstehet,
Und seine herbe Pein.
Der Kahn erscheint auf's neue -
Leb wohl, leb wohl, Untreue!
O schenk dir Gott viel Glück!
Du wandle froh und heiter,
Mich treibt Verzweiflung weiter -
Auf's Meer, auf's Meer zurück!
übersetzt von Anton Pace von Friedensberg (1851-1923)
Aus: Lieder des Franz Prešern
Deutsch von A. Pace
Laibach Ign. v. Kleinmahr & Fed. Bamberg 1869
(S. 26-28)
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Die Verlassene
Einer Andern gilt die Liebe,
Deines Sehnens heiße Triebe;
Du versprachst, daß treu sie bliebe,
Zum Altar zu gehn mit ihr;
Gott mit dir!
Hast vergessen, daß beschworen
Du, zu lieben auserkoren
Mich allein und unverloren,
Weißt nicht, was du sprachst zu mir;
Gott mit dir!
Daß mein Herz nur für dich glühet,
Für dich 's Leben lang sich mühet,
Alle Lust von nun an fliehet,
Stört dich nicht - was liegt an mir?
Gott mit dir!
Gott mit dir! wie heut, so immer.
Gott geb', daß der Tugendschimmer
Deines Lieb's nie fall zu Trümmer,
Seh ich euch - geb' Tod er mir;
Gott mit dir!
übersetzt von Anton Pace von Friedensberg (1851-1923)
Aus: Lieder des Franz Prešern
Deutsch von A. Pace
Laibach Ign. v. Kleinmahr & Fed. Bamberg 1869
(S. 41-42)
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Lieder des Dor Preschern
(Aus dem Krainischen)
[France Preseren 1800-1849]
I.
Der Tochter Rath
Hin zum Fenster
seiner Lieben
Schleicht der Jüngling manche Nacht,
Und sie plaudern scherzend drüben,
Bis der junge Tag erwacht.
Doch dies Treiben im Geheimen
Zeigt man bald dem Vater an,
Und zur Tochter, ohne Säumen,
Spricht erzürnt der alte Mann:
"Wirst Du nicht das Tändeln lassen,
Das man mir verrathen hat,
Und zur Nacht am Fenster passen,
Bis der Liebste schleichend naht."
"Laß' ich eine Mauer bauen
Um das Haus am nächsten Tag,
Und der Junge soll dann schauen,
Wie er d'rüber steigen mag."
"Unsern Sultan laß' ich bellen
Um die Wohnung jede Nacht,
Und der Magd will ich befehlen,
Daß sie sorgsam Dich bewacht."
""Vater, das wird wenig nützen,""
- Spricht die Tochter, zart erglüh't, -
""Für die Mauer, mich zu schützen,
Bringt er eine Leiter mit.""
""Unsern Sultan wird er kirren,
Wenn er ihm ein Bröckchen reicht,
Und die alte Magd verführen
Seine Thaler gar zu leicht.""
""Laßt Euch lieber besser rathen:
Gebt dem Theuren mich in's Haus,
Und vereinigt uns als Gatten,
Dann ist all' das Schleichen aus.""
II.
Der Schiffer
Leb' wohl, Du
Ungetreue!
Zu Schiffe ruft auf's neue
Mich der Kanonenhall;
Bleib' glücklich hier zu Lande,
Mein Hoffen stieß vom Strande,
Seit man Dein Herz mir stahl.
Zu Gott hab' ich geschworen,
Daß ewig unverloren
Mein Herz Dir bleiben soll;
Bei unsrem Händereichen
Gelobtest Du desgleichen
Der Treue heil'gen Zoll.
Ich bin durch Meereswogen
Zu Städten hingezogen,
Wo holde Mädchen blüh'n,
Doch trotz den Engelsmienen
Sah keine mich von ihnen
Für ihren Reiz erglüh'n.
Die Segel sah ich spannen,
Das Schifflein flog von dannen,
Zur Heimath zog ich ein;
Du warst als Weib verbunden -
Was ich dabei empfunden,
Das weiß nur Gott allein!
Zu Schiffe laßt uns eilen,
Die Wogen wieder theilen,
Im hellen, grünen Meer!
Den Wogen darf man trauen,
Auf Mädchenherzen bauen,
Das läßt sich gar so schwer!
Das Meer erschreckt uns nimmer,
Denn allen Hoffnungsschimmer
Begräbt ein Wellenschlag;
Allein der Liebe Wunden,
Die unser Herz empfunden,
Erneuert jeder Tag.
Zu Schiffe geht's auf's neue,
Leb' wohl, Du Ungetreue,
Sei glücklich tausendfach!
Bleib' fröhlich hier zu Lande,
Mein Hoffen stieß vom Strande,
D'rum jag' ich rasch ihm nach.
III.
Befehle
Dich bei Deiner Hand
zu fassen,
Hast Du, Holde, untersagt,
Und ich hab' es gelten lassen,
Hab' es niemals mehr gewagt.
Von der Liebe stets zu schweigen,
Forderte Dein strenger Sinn,
Und ich schwieg, um Dir zu zeigen,
Daß ich gern Dir folgsam bin.
Deinem Anblick zu entsagen,
Nicht zu kommen Dir in's Haus,
Hast Du kalt mir aufgetragen,
Und gehorchend blieb ich aus.
Auszuweichen Dir auf Wegen,
Dich zu meiden nah' und fern,
Riefst Du herrisch mir entgegen,
Und auch dies befolgt' ich gern.
Du befahlst, Dich zu vergessen -
Dies allein vermag ich nicht.
Denn es wehrt mein Herz sich dessen,
Darum warte, bis es bricht.
IV.
Motto
aus dem Titelblatte zu Preschern's Poesien
Die Furcht und
Hoffnung nährt ich lang,
Dann wies ich beiden ihren Gang,
Das Herz ist leer, ist ohne Glück,
Wünscht Hoffnung sich und Furcht zurück.
(S. 104-109)
übersetzt von Vincenz Zusner (1803-1874)
Aus: Gedichte von Vincenz Zusner
Zweite Auflage
Schaffhausen
Verlag der Fr. Hurter'schen Buchhandlung 1858
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