Europäische Liebeslyrik

(in deutscher Übersetzung)

Edward Charles Halle (1846-1914) - Die Musik

 


Robert Tannahill (1774-1810)
englischer Dichter


Schottisches Ständchen

"O, schläfst du schon, lieb Else?
O, schläfst du schon, lieb Else?
Oeffne bald, denn furchtbar hallt
Der Wasserfall am Teufelsfelse.

Schwarz und regnig ist die Nacht,
Nicht ein Stern am Himmelszelte,
Blitze zucken, Donner kracht,
Sturmwind braust mit Winterkälte.

Aengstlich stöhnt am Bach die Weid',
Und der Wind ächzt wild und traurig;
Laut die Eisenpforte schreit,
Und der Uhu heult so schaurig.

Und nicht laut ich reden kann,
Denn dein Vater schläft daneben,
Eisig saust der Wind mich an,
O, steh auf, mein theures Leben."

Sie macht' ihm auf, sie liess ihn ein,
Den nassen Plaid warf er darnieder:
"Wind und Regen stürmet drein,
Bin bei dir nun, Elschen wieder."

"Jetzt, da du wachest, Elschen,
Jetzt, da du wachest, Elsen,
Kümmern mich nicht Waldgestöhn,
Eulenschrei und Teufelsfelsen."
(S. 213-214)

Übersetzt von Eduard Fiedler (1817-1850)

Aus: England und Amerika Fünf Bücher englischer
und amerikanischer Gedichte
von den Anfängen bis auf die Gegenwart
In deutschen Übersetzungen
Chronologisch geordnet mit litterarhistorisch-kritischen
Notizen und einer Einleitung
von Julius Hart
Minden i. W. J. C. C. Brun's Verlag 1885
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Düst'rer Winter ist entflohn

Düst'rer Winter ist entflohn,
Sanfte Weste wehen schon,
Hör' der Drossel Jubelton
In Stanleys Birkenhaine, o!
In Gleniffers thau'gem Thal
Blüh'n Schneeglöckchen ohne Zahl,
Blühen wie Du allzumal,
Du liebe herz'ge Kleine, o!
Komm, mein Mädchen, laß uns geh'n
Auf Glenkilloch's sonn'ge Höh'n,
Laß uns Freuden, ewig schön
Genießen im Sonnenscheine, o!

Hoch aus weißen Wolken schallt
Lerchensang in Newton's Wald,
Weich der Weide Knosp' sich ballt,
An Uferrands Gesteine, o!
Durch den Wald die Elfe träumt,
Zarter Farn die Felsen säumt,
Und der Bach durch Hügel schäumt,
Und Freud' erscheint alleine, o!
Doch der Bäum' und Blumen Blüh'n,
Vögelsang und Wiesengrün,
Kann mit Lust mich nur durchglüh'n,
Mit Dir, Du herz'ge Kleine, o!


Übersetzt von Eduard Fiedler (1817-1850)

Aus: Geschichte der volksthümlichen schottischen
Lieder-Dichtung von Eduard Fiedler
Zweite Ausgabe Erster und zweiter Band
Leipzig 1858 Verlag von Wilhelm Violet (Band 2 S. 81-82)

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Gretchen, die Blum' in Dumblane

Die Sonne ist hinter Benlomond verschwunden,
Und röthliche Wolken beherrschen die Scen',
Da schweif' ich allein in den Dämmerungsstunden,
Und denk' an lieb' Gretchen, die Blum' in Dumblane.
Wie süß ist des Schwarzdorns sanftschwellende Blüthe,
Wie im grünen Kleid' ist die Birke so schön!
Doch süßer und schöner, für die ich erglühte,
Ist das reizende Gretchen, die Blum' in Dumblane.

Bescheiden wie eine, anmuthig, voll Scherzen,
Die arglose Einfalt glaubt selbst ihr zu seh'n,
Und fern sei der Wicht, der mit fühllosem Herzen
In der Blüthe könnt' knicken die Blum' in Dumblane.
Sing, liebliche Drossel, dein Abendlied friedlich,
Theu'r bist du dem Echo in Calderwood's Höh'n:
So theu'r diesem Herzen, so kunstlos und niedlich,
Ist das reizende Gretchen, die Blum' in Dumblane.

Wie war ich verlassen, eh' sie ich gefunden,
Die städtischen Freuden mußt' all' ich verschmäh'n.
Nie hielten mich Fesseln der Mädchen gebunden,
Eh' Gretchen mich fesselt, die Blum' in Dumblane.
O wär' ich Besitzer von Titeln und Schätzen,
Im Ueberfluß würd' ich vor Kummer vergeh'n,
Nicht könnt' ich am Gipfel des Glanzes mich letzen,
Wenn Gretchen nicht mein ist, die Blum' in Dumblane.

Übersetzt von Eduard Fiedler (1817-1850)

Aus: Geschichte der volksthümlichen schottischen
Lieder-Dichtung von Eduard Fiedler
Zweite Ausgabe Erster und zweiter Band
Leipzig 1858 Verlag von Wilhelm Violet (Band 2 S. 82-83)

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Der Harfner von Mull

Als Röschen mir treu war, wie glücklich war ich!
Stets fröhlich wie Sommer die Zeit mir entwich.
Heiter tönt' meine Harfe, wenn zärtlich ich sang,
Von dem Reiz meines Röschens die Sommernacht lang.
Doch jetzt bin ich traurig und schmerzensreich,
Ob Sommer, ob Winter, das gilt mir gleich.
Von ihrer Falschheit so die Seele mir schwoll,
Daß freudlos auf immer der Harfner von Mull.

Ich wand're durch Thäler und Wälder allein,
In den tiefsten Schlünden, da sitz' ich und wein',
Und die klagende Harfe stimmt ein in mein Leid,
Wenn trauernd ich sing' von vergangener Zeit.
Ist Röschen auch treulos, so bleibt sie doch schön,
Denk' ich ihrer Schönheit, so möcht' ich vergeh'n,
Von Vergangenheit ist mir der Busen so voll,
Und des Lebens müd' ist der Harfner von Mull.

Wie mein Aug' am Bergstrom zum Schlummer sich schloß,
Da schien mir im Traume die liebliche Ros',
Da schien sie mir liebreich, wie war ich voll Lust,
Als im Traume ich sie preßt' an die liebende Brust.
O trügende Bilder, bald ward ihr verschwunden,
Und schlimmer als vorher brannten die Wunden.
Tod! bald meinen Schmerz Du in Schlummer einlull',
Und der Rasen wachs' über dem Harfner von Mull.

Die Geschichte des Harfners von Mull ist in der Kürze folgende:
Auf der Insel Mull lebte ein Harfner, der durch seine Kunst
und durch die liebevolle Einfachheit seiner Sitten
sich auszeichnete; er liebte Röschen, die schönste Blume der Insel
und verheirathete sich bald mit ihr; bald nachher machte er sich mit
seinem Röschen auf, um einige Freunde zu besuchen. Die Nacht
brach herein, und fast leblos vor Kälte sank Röschen in seine Arme.
Er hüllte sie in seinen Plaid, suchte Feuer anzuzünden, und als er
nirgends Brennholz finden konnte, zerschlug er sein Liebstes,
seine Harfe. Durch die Wärme des Feuers ward Röschen bald wieder
belebt, und beide machten sich am nächsten Morgen wieder auf
die Reise. Sie stießen auf einen Reiter, der sich ihnen anschloß und
nach kurzem Gespräche mit Röschen dieselbe ihrem
arglosen Mann entführte. Seufzend rief der getäuschte Mann:
Ich Narr, daß ich meine Harfe für sie verbrannte.


Übersetzt von Eduard Fiedler (1817-1850)

Aus: Geschichte der volksthümlichen schottischen
Lieder-Dichtung von Eduard Fiedler
Zweite Ausgabe Erster und zweiter Band
Leipzig 1858 Verlag von Wilhelm Violet (Band 2 S. 83-84)
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Die Höh'n von Gleniffer

Scharf über Gleniffer Höh'n blasen die Winde,
Die alten Schloßthürme belastet der Schnee,
Wie anders zur Zeit, als im Ginstergewinde,
Mein Liebchen ich fand in dem Wald von Stanley.
Da schmückten Feldblumen so lieblich die Erde,
Und süß sang die Drossel im Birkenhain hier,
Fort rissen sie Hänschen vom heimischen Herde,
Und Winter ist's in der Natur und in mir.

Da war Alles um uns so fröhlich und heiter,
Da war Alles um uns so lieblich und schön;
Das Pfeifen des Windes, nichts hört man nun weiter,
Und nichts als eintöniger Schnee ist zu seh'n:
Die Bäume sind kahl und die Vöglein sich kauern,
Und schütteln den Schnee ab mit Flügelgeschwirr,
Und klagend sie zirpen; um Hänschen sie trauern,
'Sist Winter bei ihnen, 'sist Winter bei mir.

Am Berg zieht mit Schlossen die Wolke vorüber,
Und schüttelt die Fichten auf felsigen Höh'n.
Durch's Thal ächzt die Quelle schneefluthend und trüber,
Als da mich und Hänschen ergötzt ihr Getön.
Nicht ist es ihr Brüllen bei Winterwinds Wehen,
Nicht kalter Hauch bringet zum Weinen mich schier,
O könnt' ich mein lieb' schottisch Schätzchen nur sehen,
Dann wäre gleich Sommer die Winternacht mir.

Übersetzt von Eduard Fiedler (1817-1850)

Aus: Geschichte der volksthümlichen schottischen
Lieder-Dichtung von Eduard Fiedler
Zweite Ausgabe Erster und zweiter Band
Leipzig 1858 Verlag von Wilhelm Violet (Band 2 S. 84)

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Waldumkränztes Loudon hold

Waldumkränztes Loudon hold,
Scheide nun von Dir, Theure!
Wer als Britte dulden wollt'
Feindesvorschrift hier, Theure?
Wer wollt' vor Gefahr erbeben,
Wer dem Ruhm ein Fremdling leben,
Wer, da Freiheit ruft, nicht streben
Hülf' zu bringen ihr, Theure?
Loudon's Wald voll Lieblichkeit
Sah uns'rer Brautschaft sel'ge Zeit,
Die Hoffnung lindere Dein Leid,
Wenn ich bin fern von Dir, Theure.

Horch! das Schlachthorn schwellend klingt,
Freude bringt es Dir, Theurer,
Doch das böse Schlachthorn bringt
Leidsgedanken mir, Theurer.
Einsam mag durch Höh'n ich streichen,
Einsam an der Quelle schleichen,
Die Minuten woll'n nicht weichen,
Fern von Lieb' und Dir, Theurer.
Auf des Schlachtfelds blut'ger Erd',
Wo durch Blut die Rache fährt,
Schließet, fällst Du fern vom Herd
Keiner's Auge Dir, Theurer.

Lächle wie Du sonst gesiegt,
Daß die Angst enteile, Theure,
Ehr' und Ruhm die Mühe trägt,
Die der Krieger theilt, Theure.
Gott wird Liebende bewachen,
Wird dem Kampf ein Ende machen,
Dann wird uns Vereinigung lachen,
Weil das Leben weilt, Theure.
Dann im Wald, auf Höhen traun
Stille frohe Tag' wir schaun,
Wie durch Loudon's Blütenau'n
Froh das Lämmchen eilt, Theure.

Übersetzt von Eduard Fiedler (1817-1850)

Aus: Geschichte der volksthümlichen schottischen
Lieder-Dichtung von Eduard Fiedler
Zweite Ausgabe Erster und zweiter Band
Leipzig 1858 Verlag von Wilhelm Violet (Band 2 S. 85)

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Im schatt'gen Thale treff' ich Dich

Im schatt'gen Thale treff' ich Dich am Bachesrand,
Wo Laub zur Grotte wölbet sich am Bachesrand,
Grün sind die Ginsterhöh'n,
Doch kann man dort uns seh'n,
Drum, Liebchen, laß uns geh'n zum Bachesrand.

Dort uns die Birkenlaube winkt am Bachesrand,
Um die sich blühende Winde schlingt am Bachesrand.
Dort um verliebter Lust,
Wenn sie ruh'n Brust an Brust,
Kein Späherauge wußt' am Bachesrand.

Hinweg! fühllose Meng', entfleuch' vom Bachesrand,
Der Zauberort ist nicht für Euch am Bachesrand,
Wie träumt' sich's dort so schön,
In des Stromes Murmeltön',
Und den Wiederhall der Höh'n am Bachesrand.

Des Waldes Kron' ist goldgetränkt am Bachesrand,
Die Dämmrung ihren Mantel hängt um des Baches Rand,
Fern von dem lauten Braus
Eil' ich in's Feld hinaus,
Dich treff' ich, Hannchen, draus am Bachesrand.

Übersetzt von Eduard Fiedler (1817-1850)

Aus: Geschichte der volksthümlichen schottischen
Lieder-Dichtung von Eduard Fiedler
Zweite Ausgabe Erster und zweiter Band
Leipzig 1858 Verlag von Wilhelm Violet (Band 2 S. 86)

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Der Wald von Craigielea

Du schöner Wald von Craigielea,
Du schöner Wald von Craigielea,
Meine Jugendzeit verbracht' ich hie,
Hier schenkte mir ihr Herz Marie.

Der Ginster blüht auf heid'ger Flur,
Vereint mit Birk' und Brombeer hier,
Und was nur Süßes die Natur
Kann bieten, findet sich in dir.

Von deinem Schattendach gedeckt,
Im Grün die Taube girrt verliebt;
Ihr Lied, im Waldesgang versteckt,
Von jedem Baum die Drossel giebt.

Gedankenlose Mörder flieht,
Die ihr vom Nest das Vöglein raubt,
Bald singt es euch ein fröhlich Lied,
Drum seine Freiheit ihm erlaubt.

Wenn Winter Schnee und Schlossen weht
Von hohen Nordlandsbergen her,
Leicht er durch deine Lauben geht,
Daß ja kein Blümchen er versehr'.

Müßt' ich das große Meer durchmessen,
Und weilen in des Südens Land,
Nie würd' ich doch der Lust vergessen,
Die meine Jugend hier empfand.
Du schöner Wald von Craigielea,
Du schöner Wald von Craigielea,
Meine Jugendzeit verbracht' ich hie,
Hier schenkte mir ihr Herz Marie.

Übersetzt von Eduard Fiedler (1817-1850)

Aus: Geschichte der volksthümlichen schottischen
Lieder-Dichtung von Eduard Fiedler
Zweite Ausgabe Erster und zweiter Band
Leipzig 1858 Verlag von Wilhelm Violet (Band 2 S. 86-87)

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Abschied

Die Abendsonn' im Westen sinkt,
Das Vöglein auf dem Baume schweigt,
Der Abend Ruh der Schöpfung bringt,
Von mir allein die Ruhe weicht.
Der Trommel Wirbeln, Pfeifenklang,
Trompetenschall ruft zu den Reih'n.
Marie, mach' mir das Herz nicht bang,
Denn morgen muß ich ferne sein.

Gut Nacht und Freud', gut Nacht und Freud',
Gut Nacht und Freud' sei mit Euch allen,
Nach Schicksalsschluß ich scheiden muß,
Gut Nacht und Freud' sei mit Euch allen.

Ach, daß ich meine Freunde meiden,
Verlassen muß mein Vaterland,
Von meinen alten Eltern scheiden,
Und ihr, an die mich Liebe band.
Doch jetzt muß Wehmuth sein verbannt,
Es ruft Gefahr, ich füg' mich drein,
Die Schiff' erwarten uns am Strand,
Und Morgen werd' ich ferne sein.

Gut Nacht und Freud', gut Nacht und Freud',
Nach Schicksalsschluß ich scheiden muß,
Gut Nacht und Freud' sei mit Euch allen.

Leb' wohl, des theuren Schottlands Strand,
Sind kahl auch deine Berg' und grau,
Wirft mich umher der Wogen Brand,
Mit Sehnsucht dann nach dir ich schau'.
Leb' wohl, Marie! ich muß dahin,
Mag Vorsehung Dein Schützer sein,
In Feld und Lager, wo ich bin,
Denk' seufzend ich an Dich allein.

Gut Nacht und Freud', gut Nacht und Freud',
Gut Nacht und Freud' sei mit Euch allen,
Nach Schicksalsschluß ich scheiden muß,
Gut Nacht und Freud' sei mit Euch allen.


Übersetzt von Eduard Fiedler (1817-1850)

Aus: Geschichte der volksthümlichen schottischen
Lieder-Dichtung von Eduard Fiedler
Zweite Ausgabe Erster und zweiter Band
Leipzig 1858 Verlag von Wilhelm Violet (Band 2 S. 88-89)

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Als an den Höh'n vorbei ich zog

Als an den Höh'n vorbei ich zog,
Mein einzig theures Leben, o!
Da dacht' ich Dein, meine süße Maid,
Dein Bild thät mich umschweben, o!
Mein Herze traurig war, indeß
Die Andern Jubel erheben, o!
Sie wußten nicht, daß Dein ich dacht',
Mein einzig theures Leben, o!

Jetzt da ich völlig müd und matt
Nach Ayr gelangt so eben, o!
Da nehm' das Glas ich in die Hand,
Und bring' es Dir, mein Leben, o!
Sei guten Muths denn, liebe Maid,
Darfst nicht vor Schmerz vergehen, o!
In wenig Wochen, will es Gott,
Werd' ich Dich wiedersehen, o!


Übersetzt von Eduard Fiedler (1817-1850)

Aus: Geschichte der volksthümlichen schottischen
Lieder-Dichtung von Eduard Fiedler
Zweite Ausgabe Erster und zweiter Band
Leipzig 1858 Verlag von Wilhelm Violet (Band 2 S. 89)

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Jessie, die Blume von Dunblane

Die Sonn' ist versunken am luft'gen Benlomond,
Und röthliche Wolken beleuchten die See'n,
Indeß ich allein in der Dämmerung wandle
Und Jessie's gedenke, der Blum' von Dunblane.
So süß an dem Strauche die Röslein erblühen,
So süß um die Birken die Fähnlein grün weh'n,
So süß und noch schöner und reizender glühen
Die Wangen lieb Jessie's, der Blum' von Dunblane.

Bescheiden und heiter beim Schweigen und Sprechen,
Muß jeder ein Kind der Natur in ihr seh'n;
Fern bleibe der Schein, der gefühllos zu brechen
Wohl wagte die liebliche Blum' von Dunblane.
O sing', süße Drossel, dein Danklied dem Abend,
Das Echo von Calderwood wird dich versteh'n;
So lieb dieser Brust und so kunstlos und labend
Ist die reizende Jessie, die Blum' von Dunblane.

Bis Jessie gefunden, wie lang schien mir's Leben,
Die Freuden der Stadt, wie so thöricht und schal!
Ich sah noch kein Mädchen, der gern ich ergeben
Mich hätte, bis Jessie mich traf auf einmal.
Ja, wär' ich gestellt auf den Gipfel der Größe,
Im Ueberfluß würd' ich verschmachten, vergeh'n;
Die Spitze des Glanzes erschien' mir als Blöße,
Wär' Jessie nicht mein, die Blum' von Dunblane.


Übersetzt von Heinrich Julius Heintze (1811-1860)

Aus: William Morherwell's und
Robert Tannahill's Gedichte
deutsch von Heinrich Julius Heintze
Mit Notizen aus dem Leben beider Dichter
und erläuternden Bemerkungen
Leipzig 1841 Verlag von Johann Ambr. Barth (S. 211-212)

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Loudon's holde Hain' und Höh'n

Loudon's holde Hain's und Höh'n
Muß ich meiden nun, mein Lieb;
Wer kann Gesetze geben seh'n
Englands Feind und ruh'n, mein Lieb?
Ha, wer mag das Schlachtfeld fliehen?
Nicht für Ehr' und Ruhm erglühen?
Freiheit heißt zum Kampf uns ziehen,
Wer gehorcht nicht gern, mein Lieb?
Loudon's holde Hain' und Höh'n
Haben unser Glück geseh'n;
Hoffnung lindre deine Weh'n,
Wenn ich von dir fern, mein Lieb!

"Horch, das schwell'nde Hüfthorn klingt,
Und es macht dir Freud', mein Herz!
Doch das böse Hüfthorn bringt
Meiner Brust nur Leid, mein Herz!

Allein erklimm' ich nun die Höhen,
Muß einsam an die Quelle gehen,
Und matt wird sich der Zeiger drehen,
Fern der Lieb' und dir mein Herz,
Wenn auf blut'gem Kriegesfeld
Die Rach' im rothen Wagen hält,
Fern vielleicht mein Lieb mir fällt;
Wer schließt dann 's Auge dir, mein Herz?"

Lächle mir, wie du gewohnt,
Sei nicht furchtbewegt, mein Lieb;
Ehr' und Ruhm die Mühen lohnt,
Die der Krieger trägt, mein Lieb!
Gott beschützt, die treu sich lieben,
Und wenn Englands Feind vertrieben,
Soll nichts trennen uns und trüben,
Als unsre Todesstund', mein Lieb!
Loudon's holde Hain' und Höh'n
Soll'n uns friedlich, glücklich seh'n,
Wie die Lämmchen, die dort geh'n
In Loudon's Blumengrund, mein Lieb!

Übersetzt von Heinrich Julius Heintze (1811-1860)

Aus: William Morherwell's und
Robert Tannahill's Gedichte
deutsch von Heinrich Julius Heintze
Mit Notizen aus dem Leben beider Dichter
und erläuternden Bemerkungen
Leipzig 1841 Verlag von Johann Ambr. Barth (S. 213-214)

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Das Mädchen von Ardentinny

Fern in die Hochlandsberge geh'
Ich einsam und mit Sehnen,
Vorbei an Felsen, Wald und See
Durch wildromantische Scenen.
Weit ist mein Ziel, der Himmel schwül,
Und Regen dräut dem Städtchen;
Doch gleich gilt's mir, geh' ich zu dir,
Süß Ardentinnymädchen!

Das mosige Röslein dort am Steig,
Das frisch und hold erblühet,
Blickt fröhlich unterm Haselzweig,
Wiewohl 's fast Niemand siehet.
So lieblich blüht im Berggebiet
Ganz unbekannt mein Käthchen;
Nicht kommt dir bei der rosige Mai,
Süß Ardentinnymädchen!

Nun von des Berges luft'ger Kron'
Schau' ich zum fernen Meere;
Dort lenkt der Geiz das Schiff nach Lohn,
Die Ruhmsucht buhlt um Ehre.
Sei's Glück euch hold und geb' euch Gold
Und Lorbern nach Verlangen,
Doch mich laß dies, was mir so süß,
Mein Käthchen nur erlangen!


Übersetzt von Heinrich Julius Heintze (1811-1860)

Aus: William Morherwell's und
Robert Tannahill's Gedichte
deutsch von Heinrich Julius Heintze
Mit Notizen aus dem Leben beider Dichter
und erläuternden Bemerkungen
Leipzig 1841 Verlag von Johann Ambr. Barth (S. 215-216)

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Die Höhen von Gleniffer

Scharf wehet der Wind um die Höh'n von Gleniffer,
Schnee deckt die Schloßthürme, verwittert und alt;
Wie anders doch war's, als mein Liebster im Ginster
Mich traf bei dem herrlichen Stanleywald!
Die Blumen des Sommers, sie blühten gar wonnig,
Die Drossel sang süß in der Birk' auf der Flur:
Da mußte marschiren mein herzliebster Johnny,
Und nun ist es Winter für mich und Natur.

Ringsum war das Alles so munter und lose,
Ringsum war da Alles so schön und voll Freud':
Nichts hört man nun mehr, als des Windes Getose,
Nichts sieht man nun mehr, als den Schnee weit und breit.
Die Bäume sind laublos, die Vögelein schauern,
Und schütteln den Schnee von den Flügelchen sich,
Und klagen und scheinen um Johnny zu trauern, -
'S ist Winter für sie und ist Winter für mich! -

Die schneeige Wolke, sie schifft längs der Höhen
Und zauset die Föhren auf felsigem Hang;
Im Thal braust der schneevolle Fluß nun gleich Seen,
Deß Murmeln so süß einst den Liebenden klang:
Doch nicht ist's sein Toben beim Rasen der Winde,
Und nicht ist's der Sturm, der das Auge mir trübt; -
Ach, wenn ich mein schottisch Treuliebchen nur finde,
Er ist's, der für Winter den Sommer mir giebt!

Übersetzt von Heinrich Julius Heintze (1811-1860)

Aus: William Morherwell's und
Robert Tannahill's Gedichte
deutsch von Heinrich Julius Heintze
Mit Notizen aus dem Leben beider Dichter
und erläuternden Bemerkungen
Leipzig 1841 Verlag von Johann Ambr. Barth (S. 217-218)

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Die Blume vom Levernrand

Ihr sonn'gen Höhen dort bekränzt
Mit Blümlein hold den Clyde;
Doch eine Blum' am Levern glänzt,
Die schöner noch sich beut:
Sie senkt das Köpfchen stets vor Pein,
Beachtet nicht den Sonnenschein,
Und liebt es, ihren Duft zu streu'n
Tagtäglich auf die Heid';
Mit Blättern gramgefärbt und licht,
Beweint sie einen Mann - den Wicht,
Der oft die süßte Blume bricht
Und's Herz erfüllt mit Leid.

Du holde Blum' am Levernrand,
O, wärest du doch mein;
Ich pflegte dich mit zarter Hand
Und wollt' nie sorglos sein!
Ich nähme dich in meinen Arm
Und schützte dich vorm Regen warm,
Und sicher blüht'st du, ohne Harm,
Bei Sturm und Wetterdräu'n.
Huldvoller bist du, als das Roth,
Das glüh'nd am Abendhimmel loht,
Doch hier trifft schattenlos dich Tod,
Und ach! du stirbst allein.


Übersetzt von Heinrich Julius Heintze (1811-1860)

Aus: William Morherwell's und
Robert Tannahill's Gedichte
deutsch von Heinrich Julius Heintze
Mit Notizen aus dem Leben beider Dichter
und erläuternden Bemerkungen
Leipzig 1841 Verlag von Johann Ambr. Barth (S. 219-220)

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An Bächleins Rand

O, komm' ins dunkle Thal im Husch, an Bächleins Rand,
Wo kosige Lauben wölbt der Busch an Bächleins Rand;
Laß grün doch sein die Höh'n,
Mögen uns die Leute seh'n,
O, komm' zu mir am Abend hier an Bächleins Rand.

Ich führe dich zur Birkenlaub' an Bächleins Rand,
Durchwebt mit Geisblattblüth' und Laub an Bächleins Rand;
Dort späht kein Lauscherblick
Und stört das Liebesglück,
Die süße Lust in unsrer Brust an Bächleins Rand.

Hinweg, fühllose Schaar, o, weit von Bächleins Rand,
Für dich ist nicht die Feenfreud' an Bächleins Rand:
Die Phantasie wird wach
Am süßen Silberbach,
Und vom Gestein stimmt Echo ein an Bächleins Rand.

Nun glüh'n die Wipfel roth wie Gold an Bächleins Rand,
Und Dämmrung deckt den Schleier hold an Bächleins Rand;
Fern vom Geräusch der Welt
Geh' ich allein durch's Feld,
Um dich zu seh'n, mein Hannchen schön, an Bächleins Rand.


Übersetzt von Heinrich Julius Heintze (1811-1860)

Aus: William Morherwell's und
Robert Tannahill's Gedichte
deutsch von Heinrich Julius Heintze
Mit Notizen aus dem Leben beider Dichter
und erläuternden Bemerkungen
Leipzig 1841 Verlag von Johann Ambr. Barth (S. 221-222)

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Schloß Crockston

Durch Crockstons Mauern, alt und öd',
Die Winterstürme schaurig heulen;
So trüb' die Sonn' auch untergeht,
Doch muß ich zu Marien eilen.
Ja, ras' in eifersücht'ger Wuth
Der Wind, um mich von dir zu trennen,
Der schwärzesten Sturmnacht trotzt mein Muth,
Um heimlich sehen dich zu können.

Der Cart rennt ohne Maß und Ziel
Wild durch Cardonalds felsige Heiden;
Ich wate durch sein Wogengewühl,
Deß Toben mich von dir will scheiden.
Ja, ras' in Eifersucht die Fluth,
Um mich von dir, Marie, zu trennen,
Dem tiefsten Strome trotzt mein Muth,
Um heimlich sehen dich zu können.

Laut heult der Hund, der treulich wacht,
Und macht dem nächt'gen Wandrer bange;
Doch wenn der lange Weg vollbracht,
Dann küss' ich lieb Mariens Wange.
Ja, ras' der Winter doch voll Wuth
Und stürm', um mich von dir zu trennen,
Den wildesten Nächten trotzt mein Muth,
Um heimlich sehen dich zu können.

Übersetzt von Heinrich Julius Heintze (1811-1860)

Aus: William Morherwell's und
Robert Tannahill's Gedichte
deutsch von Heinrich Julius Heintze
Mit Notizen aus dem Leben beider Dichter
und erläuternden Bemerkungen
Leipzig 1841 Verlag von Johann Ambr. Barth (S. 223-224)

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Callum

Ich flieh' zum Hüttchen auf der Höh'
Und weil' an milden See'n, Callum;
Eh' ich zur Crochanmühle geh',
Leb' ich von sauern Schleh'n, Callum.
Dein Geld und Gut verbirgt doch nicht
Den Kopf mit Werg behaart, Callum,
Das gelbe, runzlichte Gesicht,
Den Stachelginsterbart, Callum.

Oft wird man schlauen Weibes Raub!
Denkst du in deinem Sinn, Callum;
Behalt' der Baum sein welkes Laub,
Bis grün er späterhin, Callum!
Der junge Donald hat mein Herz,
Hat willig meinen Schwur, Callum;
Nie werd' ich dein zu Freud' und Schmerz,
Drum laß die Künste nur, Callum.


Übersetzt von Heinrich Julius Heintze (1811-1860)

Aus: William Morherwell's und
Robert Tannahill's Gedichte
deutsch von Heinrich Julius Heintze
Mit Notizen aus dem Leben beider Dichter
und erläuternden Bemerkungen
Leipzig 1841 Verlag von Johann Ambr. Barth (S. 225)
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Die Höh'n von Balquhither

Laß uns geh'n, holde Maid,
Auf die Balquhither-Höhen,
Wo Beeren zerstreut
Im Hochwalde stehen;
Wo die Rehe zur Weid'
Mit den Geisböcken gehen,
Wenn der Sommer weckt Freud'
Auf den Balquhither-Höhen.

Eine Laube harrt dein
An den silbernen Quelle,
Und ich will sie bestreu'n
Mit Blümlein gar helle,
Flugs zieh'n durch den Wald
Und die Thäler und Gründe,
Und kehren dann bald
Mit dem Raub, den ich finde.

Wenn der Winterwind saust
Und das Hüttchen erschüttert,
Und der Wasserfall braust
Durch die Nacht wie erbittert;
Wenn vom Sturm knarrt das Thor,
Woll'n fröhlich wir singen,
Daß vom muntern Chor
Unser Hüttchen soll klingen.

Nun der Sommer hell blüht
Auf den Bergen und Triften,
Und der Thymian durchzieht
Das Moorland mit Düften,
Laß ins Hochland uns geh'n
Nach der Heimath, der lieben,
Auf die Balquhither-Höh'n,
Wo noch Unschuld geblieben.


Übersetzt von Heinrich Julius Heintze (1811-1860)

Aus: William Morherwell's und
Robert Tannahill's Gedichte
deutsch von Heinrich Julius Heintze
Mit Notizen aus dem Leben beider Dichter
und erläuternden Bemerkungen
Leipzig 1841 Verlag von Johann Ambr. Barth (S. 226-227)

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O weh, Johnny

O weh, Johnny, Lieb,
Bist nicht so gut, wie's sollte sein;
O weh, Johnny, Lieb.
Kamst gestern nicht zum Stelldichein.
Ich harrt' am Walde lang und trüb,
Ja trüb und traurig ganz allein;
O weh, Johnny, Lieb,
Bist nicht so gut, wie's sollte sein.

Ich guckte nach dem Ginsterberg,
Ich guckte nach dem Föhrenhain,
Ich guckte nach dem Ort der Zwerg'
Und dachte stets, du sollt'st es sein.
Kein Bissen kam in meinen Mund,
Kein Schlummer schloß die Augen mein;
O weh, Johnny, Lieb,
Bist nicht so gut, wie's sollte sein.

"Wenn mein geharrt du hast am Wald,
Dann wartet' ich am Dornenhag;
Ich dacht', es wär' die rechte Stell',
Und blieb, bis fast gegraut der Tag.
Drum zürne nicht, mein holdes Kind,
Wir haben Beid' umsonst geweilt;
Komm', suchen wir im Craigtonwald
Die Lust, die gestern uns enteilt!"

Übersetzt von Heinrich Julius Heintze (1811-1860)

Aus: William Morherwell's und
Robert Tannahill's Gedichte
deutsch von Heinrich Julius Heintze
Mit Notizen aus dem Leben beider Dichter
und erläuternden Bemerkungen
Leipzig 1841 Verlag von Johann Ambr. Barth (S. 231-232)

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Kitty Thyrrell

Der Nachtwind umrauschet des Bergs dunkle Seit',
Das leichtfüß'ge Reh süßer Lust sich erfreut;
Der düstere See steigt zum Felsstrand hinan,
Der schläfrige Fischer dort nickt still im Kahn;
Unwegsam ist's Moor und der Himmel ohn' Stern,
Doch strahlet mir Kitty's klar Aug' aus der Fern',
Und fröhlich durcheil' ich Schlucht, Farrnkraut und Well',
Um heimlich zu seh'n meine Kitty Tyrrell.

Lang liebten wir uns trotz des Vaters Verbot
Und sah'n uns bei Nacht nur, wenn Alles wie todt,
Und der hartherz'ge Wächter, vom Schlafe bethört,
Ein Stündlein zum Kosen der Liebe gewährt'.
Wie lieb sind mir diese Minuten der Freud'!
Wie grausam das Schicksal, wenn's Trennung gebeut!
Ohne Mitleid erhebe der Sturm sich und schwell',
Ich sehe heut Nacht meine Kitty Tyrrell!

"Unglücklicher Jüngling, kehr' um! sieh', der Tod
Kommt über die Heid' in der Wolke blutroth;
Tief stöhnt die geborstene Eich' auf der Höh',
Und das Brausen des Sturmes bedeutet dir Weh'!"
Er schwimmt durch die Wogen und trotzt dem Geschick,
Er eilt, aber ach! nimmer kehrt er zurück:
Wohl zielt im Gebüsch ein ruchloser Gesell,
Und er fällt die Liebe zu Kitty Tyrrell.


Übersetzt von Heinrich Julius Heintze (1811-1860)

Aus: William Morherwell's und
Robert Tannahill's Gedichte
deutsch von Heinrich Julius Heintze
Mit Notizen aus dem Leben beider Dichter
und erläuternden Bemerkungen
Leipzig 1841 Verlag von Johann Ambr. Barth (S. 233-234)

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Lenchen

Die Sonne bargen Erina's Wogen,
Die blauen Berge ragten fern,
Der Mond erglänzt' am Himmelsbogen,
Die Blätter netzten thau'ge Stern':
Da ging schön Lenchen durch die Gassen,
Dem Wald zu klagen ihre Pein;
Von Lieb' und Freundschaft schnöd' verlassen,
Entschwand ihr jeder Hoffnungsschein.

Jung Heinrich war schön Lenchens Buhle,
Und Emma ihre Freundin lieb;
Sie freut' und schmerzte seit der Schule
Nichts, was verborgen Emma blieb.
Doch die spann neidisch böse Listen
Und schwärzte Lenchens Tugend an;
Ihr Heinrich ließ sich überlisten
Und um treu Lenchen war's gethan!

Sie irrte längs Loch-Mary's Rande,
Wohin sie oft bei Nacht sich stahl
Zu freu'n sich süßer Liebesbande,
Zerrissen nun von tiefster Qual.
Sie sucht, von Schmerz zerfleischt, die Höhe,
Wo Yarrow rauschend niederfällt.
O Mitleid, wein' und rufe wehe!
Im Blut liegt Lenchen und zerschellt.

Mag nun die Sonn' im Yarrowthale
Die Blümlein locken, tief versteckt,
Nie wird von ihrem warmen Strahle
Die Blum' in jenem Grab erweckt.
Dort irrt nun Heinrich oft alleine,
Wenn Luna taucht die Thürm' in Gold,
Und klaget bis zum Morgenscheine
Und weint um Lenchen, treu und hold.

Übersetzt von Heinrich Julius Heintze (1811-1860)

Aus: William Morherwell's und
Robert Tannahill's Gedichte
deutsch von Heinrich Julius Heintze
Mit Notizen aus dem Leben beider Dichter
und erläuternden Bemerkungen
Leipzig 1841 Verlag von Johann Ambr. Barth (S. 235-236)

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Grün Inismore

Wie leicht ist mein Herz und froh wandr' ich entlang,
Seit beendet der blutige Streit;
Ich ziehe zur Heimath und sing' meinen Sang,
Und denke der lieblichsten Maid.
Wie trüb' war die Stund', als wir scheiden gemußt!
Sie sprach nur in Thränen, sank mir an die Brust
Und seufzt': "O, sei treu, meine einzige Lust,
Wenn fern ihr grün Inismore seid!"

Eveline, mein Liebchen! o, sahst du dies Herz,
Das blutend beim Scheiden fast brach,
Dann sahst du dein Bildniß darin, wie in Erz,
Und zweifeltest nimmer darnach.
Für König und Vaterland schlug ich mich gut
Und trotzte den Mühen des Krieges voll Muth;
Doch nimmer erkaltet' für dich meine Gluth,
Seit Inismore ferne mir lag.

Ihr Berge der Heimath, die thürmend ihr ragt,
Welche Freuden ruft ihr mir zurück!
Noch einmal der Frühling des Lebens mir tagt,
Nie schaut' euch so lieblich mein Blick!
Ich sehe bereits mit Entzücken im Geist,
Wie die Schaar mich der Freund' und Verwandten umkreist;
Doch theurer, süß Mädchen, das Band sich erweist,
Das an Inismore kettet mein Glück!

Übersetzt von Heinrich Julius Heintze (1811-1860)

Aus: William Morherwell's und
Robert Tannahill's Gedichte
deutsch von Heinrich Julius Heintze
Mit Notizen aus dem Leben beider Dichter
und erläuternden Bemerkungen
Leipzig 1841 Verlag von Johann Ambr. Barth (S. 239-240)

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Die verzweifelnde Mary

"Mary, was trübt deine Jugend mit Sorgen?
Schau', wie die Blumen so wonniglich blüh'n;
Hell singt die Drossel im Grünen am Morgen,
Und sieh' die Sonn' überm Jura erglüh'n!"
Ach! wie kann denken dies Herz an Vergnügen,
Lächle der Sommer, mir ist's keine Freud';
Seit mein Geliebter im Grabe muß liegen,
Scheint die Natur mir dem Tode geweiht.

Er gab mir dies Tüchlein als Pfand seiner Liebe,
Theuer war's mir, weil er es mir gab!
Ich trag's an der Brust, doch mein Herz ist nun trübe,
Denn meine Hoffnung nahm er mit in's Grab.
Seufzend um ihn leg' ich Abends mich nieder,
Seufzend verbring' ich die schreckliche Nacht;
Seufzend um Jakob erheb' ich mich wieder,
Ohne daß Frieden in mir dann erwacht.

Wandelnd in süßester Einsamkeit, sangen
Oft wir von Lieb' an des Waldbaches Saum;
Süß war's, wenn zärtlich wir dann uns umschlangen,
Aber entfloh'n ist die Lust wie ein Traum.
Grausam' Erinnerung, was machst du mir Schmerzen,
Weilend bei Freuden, die längst schon entschwebt!
Flieh' mich aus Mitleid und suche dir Herzen,
Worin noch die Saite des Kummers nicht bebt!

Übersetzt von Heinrich Julius Heintze (1811-1860)

Aus: William Morherwell's und
Robert Tannahill's Gedichte
deutsch von Heinrich Julius Heintze
Mit Notizen aus dem Leben beider Dichter
und erläuternden Bemerkungen
Leipzig 1841 Verlag von Johann Ambr. Barth (S. 247-248)

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Liebestod

"Der Nordwind pfeift gar bitterkalt
Und treibt den Schnee durch Wald und Rain;
Lieb Mädchen, hemme deinen Schritt,
Schon bricht die dunkle Nacht herein.
O, komm' in meines Vaters Haus
Und birg dich vor der Winterluft:
Denn wandernd durch den Wirbelschnee,
Bereitest du dir frühe Gruft."

"Ach, edle Frau, zeigt mir den Weg
Nur durch das öde, lange Moor;
Denn jenseits auf dem Ufer harrt
Der Bursch, den sich mein Herz erkor.
Am Morgen segelt er zu Fern',
Heut Nacht gelobt' ich ihn zu seh'n,
Vielleicht zum letzten Mal - o Gott,
Wenn wir uns nimmer wiedersäh'n!"

"Lieb Mädchen, bleib', es ist dein Tod!
Sieh' nur die weite Wüste dräu'n;
Bleib' bis zum Morgen, und dann soll
Des Vaters Hirt dein Führer sein."
"Nein, nein, ich muß - ich darf nicht harr'n,
Schon wirft die Lieb' mir Zög'rung vor;
Der Mond geht auf mit hellem Strahl
Und leuchtet mir durchs wilde Moor."

Ach, Donald! sprich, was pocht dein Herz?
Was strahlt dein sehnend Aug vor Lust?
's ist nur der Trauten Luftgestalt,
Sie drückst du nimmer an die Brust!
Sie liegt in einer tiefen Schlucht,
In Schnee gebettet für und für,
Und schläft in Todes kaltem Arm,
Ein Opfer ihrer Lieb' zu dir.

Übersetzt von Heinrich Julius Heintze (1811-1860)

Aus: William Morherwell's und
Robert Tannahill's Gedichte
deutsch von Heinrich Julius Heintze
Mit Notizen aus dem Leben beider Dichter
und erläuternden Bemerkungen
Leipzig 1841 Verlag von Johann Ambr. Barth (S. 249-250)

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Frühlingslust

Winter ist entfloh'n, und lind
Wehet nun der Westlandwind,
Und wo Stanley's Birken sind,
Da singt die Drossel helle, o.
Auf Gleniffers grüner Au
Blühen Glöckchen süß im Thau,
Wie mein holdes Lieb, und blau
Rinnt dort die Wiesenquelle, o.
Komm', mein Liebchen, laß uns geh'n
Auf Glenkillochs sonn'ge Höh'n,
Und der goldne Tag soll seh'n
Die Lust an trauter Stelle, o.

Ueberm Newtonwalde schwingt
Wolkenwärts die Lerch' und singt,
Und mit woll'ger Blüth' umschlingt
Den Bach die Silberweide, o.

Wo der Feen Waldgebiet,
Farrngebüsch den Fels umblüht;
Längs der Höh' das Bächlein zieht,
Und Alles ist voll Freude, o.

Bäume, grünt, und Vöglein, singt,
Blumen, blüht, und Knospen, springt!
Freud' ihr alle mir nur bringt,
Wenn mir mein Lieb zur Seite, o.

Übersetzt von Heinrich Julius Heintze (1811-1860)

Aus: William Morherwell's und
Robert Tannahill's Gedichte
deutsch von Heinrich Julius Heintze
Mit Notizen aus dem Leben beider Dichter
und erläuternden Bemerkungen
Leipzig 1841 Verlag von Johann Ambr. Barth (S. 251-252)

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Erbsenstroh

Als mich mein Johnny freite,
War unser Haushalt klein;
Denn meine geiz'ge Mutter,
Die gab uns nichts hinein.
Ich sparte wohl, so gut es ging,
Vom Lohne und war froh;
Doch wußt' ich, unser Brautbett war
Nur reines Erbsenstroh.

Wir schafften früh und späte,
Wohlwollt' uns das Geschick,
Und unsre fleiß'gen Hände
Begünstigte das Glück:
Die Liebe macht' die Arbeit leicht,
Und ihr auch findet's so,
Wenn ihr euch Abends niederlegt
Auf reines Erbsenstroh.

Die Rose blüht auf Felsen
So gut als zaunumfaßt,
Und Liebe glüht in Hütten
So gut als im Palast:
Drum, Mädchen, freie nur dein Lieb,
Will's Mutter gleich nicht so,
Und wär' dein Brautbett wirklich nur
Von reinem Erbsenstroh.


Übersetzt von Heinrich Julius Heintze (1811-1860)

Aus: William Morherwell's und
Robert Tannahill's Gedichte
deutsch von Heinrich Julius Heintze
Mit Notizen aus dem Leben beider Dichter
und erläuternden Bemerkungen
Leipzig 1841 Verlag von Johann Ambr. Barth (S. 254-255)

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Barrochan-Hannchen

Ihr habt doch gehört von Barrochan-Hannchen?
Ihr habt doch von Barrochan-Hannchen gehört?
Wie Hunger und Tod über's Land sind gekommen,
Wie ihre zwei Augen das Land umgekehrt?

Zu Dutzenden starben die Burschen und Mädchen,
Die Einen vor Liebe, die Andern vor Gram:
Das Pflügen und Säen, das Schneiden und Mähen,
Vergessen war Alles, wenn Hannchen nur kam.

Vom Tweed und vom Forth, und vom Süden und Norden
Ein Kommen und Gehen, wie's nimmer noch war;
Die Kommenden fröhlich, die Gehenden traurig,
Verzweifelnd und hoffend der Freienden Schaar.

Die Dirnen, sie klagten und weinten zu Hause,
Die Burschen, sie schluchzten von Morgen bis Nacht;
Doch Alle bekamen ein zierliches Körbchen,
Und weiter hat's Keiner bei Hannchen gebracht.

Die Aerzte erklärten, es ließ' sich nicht schildern,
Die Pfarrer, es wär' eine Sünde und Schand';
Doch sah'n sie so bleich, und ihr Herz war so traurig,
Daß, glaub' ich, sie sterblich für Hannchen entbrannt.

Vollauf hatt' der Tischler zu thun mit den Särgen,
Die Kirchhöfe waren mit Gräbern bedeckt;
Die Freier verpackt' man wie Hering' in Fässer,
Weil Hannchen manch Tausend zu Tode geneckt.

Doch Dank, großer Dank sei dem Laird von Glenbrodie,
Das Gras auf den Gräbern, es wächst nun und grünt:
Er raubte das Herz der hochmüthigen Dirne,
Und seht nun ihr Auge - die Sünd' ist gesühnt!

Übersetzt von Heinrich Julius Heintze (1811-1860)

Aus: William Morherwell's und
Robert Tannahill's Gedichte
deutsch von Heinrich Julius Heintze
Mit Notizen aus dem Leben beider Dichter
und erläuternden Bemerkungen
Leipzig 1841 Verlag von Johann Ambr. Barth (S. 258-259)

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Schilah

Ach, Schilah, meine Liebste,
Du meines Herzens goldnes Bild!
Der Tag ist mir der trübste,
An dem 's dir zu scheiden gilt,
Ich muß zu Schiff aufs Neue,
Ins Antlitz schau'n dem stolzen Feind;
Doch bleibt dir meine Treue,
Mein Herz ist üb'rall dir vereint;
Ja, Schilah, meine Liebste,
Mein Herz ist üb'rall dir vereint!

Wenn auf dem Meer ich treibe,
Und zorn'ge Stürme mich umweh'n,
Laß keine Trauerweide
Die Stirn umschatten, weiß und schön.
Nein, denk' der Seemannsmähre
Von Wilhelm und schön Suschen sein!
Ich kehre bald mit Ehre
Und will, wie Wilhelm, dann dich frei'n:
Denn, Schilah, meine Liebste,
Mein Herz ist dein und üb'rall dein.

Denk' an die Zeit der Freude
Am blumenreichen Shannonstrand,
Als wir im Sommer Beide
Die Au durchstreiften Hand in Hand.
Und wenn auf stürm'schen Meeren
Mich treibt zur Ferne das Geschick,
Dann denk': Zurück wird kehren
Nach blut'gem Kampf auch unser Glück;
Ja, Schilah, meine Liebste,
Die goldne Zeit, sie kehrt zurück!

Lebt wohl, ihr wald'gen Dellen,
Ihr stolzen Berg' und blum'gen Höh'n!
Lebt wohl, ihr Hain' und Quellen,
Die unsre Lieb' ihr habt geseh'n! -
Wir scheiden, aber nimmer
Vergiß den Schwur, was auch gescheh'!
Dein ist mein Herz für immer -
Noch einen Kuß und dann Ade!
Ach, Schilah, meine Liebste,
Noch einen Kuß und dann Ade!

Übersetzt von Heinrich Julius Heintze (1811-1860)

Aus: William Morherwell's und
Robert Tannahill's Gedichte
deutsch von Heinrich Julius Heintze
Mit Notizen aus dem Leben beider Dichter
und erläuternden Bemerkungen
Leipzig 1841 Verlag von Johann Ambr. Barth (S. 260-261)

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Der irische Landmann

Als wir erst gefreit, liebe Judith,
War unser Vermögen gar schmal;
Denn heitere, fröhliche Herzen
War'n all' unsre Schätze zumal.
Ich sang, als das Hüttchen ich baute:
O Himmel, gieb immer mir Kraft!
Zum Guckuck dann Seufzer und Klagen,
Denn Lieb' ist's, was Reichthum verschafft.

Im Sommer und Winter war Arbeit
In Scheuer und Feld meine Lust;
Mir träumte niemals, ich wär' müde,
'S geht Alles mit Lieb' in der Brust,
Und nun - mag es Eitelkeit scheinen -
Wir müssen doch dankbar gesteh'n,
Daß glücklich wie Kön'ge wir leben,
Mit Allem gar reichlich verseh'n.

Der Murdoch und Patrick und Connor
Sind Jungen so kräftig wie wild;
Und Käthchen - auf Ehre! das Mädel
Ist ganz ihrer Mutter lieb Bild.
Wiewohl uns noch Mancher verachtet,
Wir seh'n doch mit Lachen darein:
Wir haben ein gut Stück Kartoffeln,
Eine Kuh und ein rundliches Schwein.

Liebe Judith, nun denk' ich, wir lassen
Die Kinder am Lesen sich freu'n;
Mag Pater O'Jenkin sie lehren
Drei Monat' in unserer Scheun':
Denn Gelehrsamkeit bringet zu Ehren,
'S ist der Pflug, der beurbart das Feld,
Und Bücher erschließen den Jungen,
Wie's draußen zugeht in der Welt.

Zwar lehrt' mich mein Vater nicht lesen,
Doch ruht seine Seel' nun in Gott;
Denn was er zuerst mich gelehrt, war:
Zu helfen, wenn Jemand in Noth.
Und hatt' sich ein Wandrer verirret
Und bat für die Nacht um Quartier,
So nahmen wir auf ihn mit Freuden,
Denn ein Beispiel war's ihnen und mir.

Ein Mensch, der für Andre nicht fühlet,
Er gleicht einem Füllen im Moor;
Er kennt keinen Freund, der das Unglück
Verscheuchte von seinem Thor.
Wer aber gutherzig und willig,
Der findet, wenn Mißgeschick droht,
Stets Brüder, die freundlich verbannen
Die runzlige Hexe - die Noth.

Heil, Irland! Alt-Irland für immer!
Du Land, so das liebste mir blieb!
Deine Burschen sind herzig und bieder,
Deine Mädchen gutartig und lieb.
Und wer seinen Namen befleckte,
Indem er die Franken begehrt, -
O Satan, den blas' über's Wasser,
Daß er Frösche muß kochen am Herd!


Übersetzt von Heinrich Julius Heintze (1811-1860)

Aus: William Morherwell's und
Robert Tannahill's Gedichte
deutsch von Heinrich Julius Heintze
Mit Notizen aus dem Leben beider Dichter
und erläuternden Bemerkungen
Leipzig 1841 Verlag von Johann Ambr. Barth (S. 262-264)

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Schläfst du, Gretchen?

"O, schläfst du schon, mein Gretchen?
O, schläfst du schon, mein Gretchen?
Laß mich ein, vom Zauberstein
Rauscht der Wasserfall, mein Mädchen!

Kohlschwarz und regnigt ist die Nacht,
Die rothe Blitze nur erhellen;
Kein einz'ger Stern am Himmel lacht,
Und winterliche Winde gellen.

Der Holderbusch dort pfeift und quarrt,
Die Heide stöhnt gar wild und traurig!
Horch', wie die Eisenthüre knarrt,
Und Uhuruf erklingt so schaurig!

Ich darf zu laut nicht sprechen, Kind,
Aus Furcht, dein Vater möcht' erwachen;
Um meine Wangen streicht der Wind -
O, komme, Lieb, um aufzumachen.

Sie kam und ließ ihn ein geschwind;
Er warf den nassen Mantel nieder:
"Nun ströme, Regen, stürme, Wind,
Ich bin bei meinem Gretchen wieder!

Und da du wachst, mein Gretchen,
Und da du wachst, mein Gretchen,
Mag doch sein der Zauberstein
Und Uhuruf, mein süßes Mädchen!"

Übersetzt von Heinrich Julius Heintze (1811-1860)

Aus: William Morherwell's und
Robert Tannahill's Gedichte
deutsch von Heinrich Julius Heintze
Mit Notizen aus dem Leben beider Dichter
und erläuternden Bemerkungen
Leipzig 1841 Verlag von Johann Ambr. Barth (S. 266-267)

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Meine Marie

Marie ist eine holde Maid
Und gleicht dem ros'gen Tag,
Wenn süße Liebeslieder singt
Die Phantasie am Hag.
Sie wohnt dort an den sonn'gen Höh'n,
Wo üppig wild die Blumen steh'n,
Und Birk' und Haselbüsche weh'n
So schattig um den Bach.

Dort harr' ich oft in Einsamkeit,
Wenn bunte Blümlein blüh'n,
Nicht weil der flußbegrenzte Wald
So duftig und so grün:
Nein, sehnend blick' ich dann dem Bach,
Dem Steige durch die Wiesen nach,
Weil eben wohl mein Mädchen mag
Dann durch den Ginster zieh'n.

Jüngst kehrte meine holde Maid
Grad aus der Stadt zurück,
Und sank entzückt mir in den Arm;
Wie groß war unser Glück!
Des Rebhuhns Schrei'n erklang im Rain,
Der Wiesenläufer schnarrte drein,
Indeß sie schwur, sie sei nun mein
Für Freud' und Mißgeschick.


Übersetzt von Heinrich Julius Heintze (1811-1860)

Aus: William Morherwell's und
Robert Tannahill's Gedichte
deutsch von Heinrich Julius Heintze
Mit Notizen aus dem Leben beider Dichter
und erläuternden Bemerkungen
Leipzig 1841 Verlag von Johann Ambr. Barth (S. 268-269)

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Der Wald von Craigielea

Du trauter Wald von Craigielea!
Du trauter Wald von Craigielea!
In deiner Näh' verfloß mein Lenz,
Dort schenkte mir ihr Herz Marie.
Hold blüh'n auf deiner blum'gen Flur
Hagröslein, Ginster, Birk' und Heid',
Und alles Süße der Natur
Ward dir mit reicher Hand gestreut.

Die Taube girrt verliebt im Traum
In deinem grünen Schattenreich;
Die Drossel ruft von jedem Baum
Das Echo wach am Waldessteig.

O fort, leichtsinnige Mörderschaar,
Die's Vöglein raubt, eh' noch es fliegt;
Bald bringt's dir süße Lieder dar,
Aus Mitleid laß es dort, wo's liegt!

Wenn Winter aus dem Nordland zieht
Und Regen bringt und Sturm und Schnee,
Dann bläst er leicht durch dein Gebiet,
Als thät' ihm jedes Blümlein weh'.

Ob mir mein hartes Loos gebeut,
Weit über Land und Meer zu geh'n,
Ich denke stets der sel'gen Zeit
Der Jugend, die mich dort geseh'n.
Du trauter Wald von Craigielea!
Du trauter Wald von Craigielea!
In deiner Näh' verfloß mein Lenz,
Dort schenkte mir ihr Herz Marie.

Übersetzt von Heinrich Julius Heintze (1811-1860)

Aus: William Morherwell's und
Robert Tannahill's Gedichte
deutsch von Heinrich Julius Heintze
Mit Notizen aus dem Leben beider Dichter
und erläuternden Bemerkungen
Leipzig 1841 Verlag von Johann Ambr. Barth (S. 274-275)

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Lebewohl

Wirf mir nicht vor, du falsche Maid,
Daß ich dir treulos sei!
Ich war dir treu, und wär' es noch,
Bliebst du mir immer treu.
Ich hörte, daß ein andrer Mund
Dir biete größ're Lust;
Da ward ich wieder frei und stieß
Dein Bild aus meiner Brust.

Die schönste Blume der Natur
Bringt uns durch Dornen Schmerz:
So, süße Blume, falsch und schön,
Hast du verletzt mein Herz.
Ich hab' empfunden tief're Qual,
Als Lieb' jemals gefühlt;
Und du beweine dein Vergeh'n,
Das dies Lebwohl befiehlt!

Übersetzt von Heinrich Julius Heintze (1811-1860)

Aus: William Morherwell's und
Robert Tannahill's Gedichte
deutsch von Heinrich Julius Heintze
Mit Notizen aus dem Leben beider Dichter
und erläuternden Bemerkungen
Leipzig 1841 Verlag von Johann Ambr. Barth (S. 276)

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Die Seemannsbraut

Ich sah mein Lieb mit nassem Blick
Und banger Brust zu Schiffe geh'n;
O, 's war ein Tag voll Mißgeschick,
Als er umfuhr die Berwick-Höh'n.
Wie freudlos mir nun Alles schien!
Ich blieb wie irr' am Strande steh'n,
Und Furcht umwölkte meinen Sinn,
Ich möcht' ihn nimmer wiederseh'n.

Die Nacht erschien mit Regen schwer,
Der Sturmwind brauste laut und wild;
In Bergen rollt' das grause Meer -
Und bald war meine Furcht erfüllt!
Man hört' am Land ihr Angstgeschrei,
Man sah das Wrack im Morgenroth;
Und weh! nun liegt mein Liebster treu
Auf jenem düstern Eiland - todt.

O Bootsmann, fahre mich dahin,
Der Fels soll meine Heimath sein!
Erleichtern wich's mir Herz und Sinn,
Wenn ich an seinem Grabe wein'. -
Dann schmück' ich es mit Blumen süß,
Will ihre treue Wärt'rin sein,
Und Morgens und am Abend gieß'
Ich sie mit Thränen tiefster Pein!


Übersetzt von Heinrich Julius Heintze (1811-1860)

Aus: William Morherwell's und
Robert Tannahill's Gedichte
deutsch von Heinrich Julius Heintze
Mit Notizen aus dem Leben beider Dichter
und erläuternden Bemerkungen
Leipzig 1841 Verlag von Johann Ambr. Barth (S. 277-278)

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Der Harfner von Mull

Als Röschen mir treu, o, wie groß meine Freud'!
So schnell wie der Sommer entflog mir die Zeit!
Ich spielte die Harfe zum zärtlichen Sang
Von Röschen, schön Röschen die Winternacht lang.
Doch nun bin ich traurig, der Schmerz macht mich bleich,
Und Sommer und Winter sie gelten mir gleich;
Die Wolke der Falschheit für immer nun soll
Umdüstern die Seele des Harfners von Mull.

Ich irre durch Wälder und Schluchten allein,
In einsamster Stille erklingt meine Pein;
Die Harfe begleitet mein Lied und mein Leid
Und klagt, wenn ich sing' von vergangener Zeit.
So treulos lieb Röschen, doch bleibt sie noch schön,
Und muß der Gedanke mein Leid nicht erhöh'n!
Mein Herz ist von trüben Erinnrungen voll,
Und müd' ist des Lebens der Harfner von Mull.

Als schlummernd ich lag an des Bergbaches Saum,
Erschien mir jung Röschen so lieblich im Traum;
Ich dachte sie treu und war selig vor Lust,
Als träumend ich schloß mein süß Lieb an die Brust.
O falsche Erscheinung, du flohst mich zu früh,
Und herbere Qualen erlitt ich noch nie!
Doch den Schmerz stillt der Schlummer des Todes mir wohl,
Und bald wehet Gras überm Harfner von Mull.

Übersetzt von Heinrich Julius Heintze (1811-1860)

Aus: William Morherwell's und
Robert Tannahill's Gedichte
deutsch von Heinrich Julius Heintze
Mit Notizen aus dem Leben beider Dichter
und erläuternden Bemerkungen
Leipzig 1841 Verlag von Johann Ambr. Barth (S. 280-281)

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Liebesbitte

Der Sommer lacht in Feld und Hain
Und heißt die Herzen fröhlich sein;
Mich aber kann der Mai nicht freu'n
Und macht mein Herz nur trübe.
O Weh', Donald, o Leid, Donald,
Gedenk' an deinen Eid, Donald;
Ach, denk' der grünen Heid', Donald,
Wo du gelobt mir Liebe.

Die Rosenknosp' am duft'gen Hag,
Der silberhelle Murmelbach,
Die Lerche, die begrüßt den Tag,
Sie machen mich nur trübe.

Ich blicke nicht nach Thal und Höh',
Ich klag' nicht, wenn ich Freude seh';
Doch bräch' mir bald das Herz vor Weh',
Vergäßt du meine Liebe.
O Weh', Donald, o Leid, Donald,
Gedenk' an deinen Eid, Donald,
Ach, denk' der grünen Heid', Donald,
Wo du gelobt mir Liebe.


Übersetzt von Heinrich Julius Heintze (1811-1860)

Aus: William Morherwell's und
Robert Tannahill's Gedichte
deutsch von Heinrich Julius Heintze
Mit Notizen aus dem Leben beider Dichter
und erläuternden Bemerkungen
Leipzig 1841 Verlag von Johann Ambr. Barth (S. 286-287)

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Connel und Flora

"Die Abendsonn' strahlt überm See
Und taucht die Berg' in Gold;
Doch lächelt nimmer mir Natur,
Wenn Flora mir nicht hold.

O, komm' mit mir zum Garnockstrand,
Wo Birk' und Geisblatt blüh'n;
Ich warb dich oft zu meiner Braut,
Wann willst du mit mir zieh'n?"

"Wohl warbst du mich zu deiner Braut -
Was sprach mein Auge dann?
Und weshalb buhlst du um mein Herz,
Das ich nicht geben kann?

Denn Connel dort im dunkeln Thal
Gelobt' ich meine Treu';
Mein Herz war sein, eh' ich gedacht,
Daß es verloren sei."

Da sprüht' sein Auge zorn'ge Gluth,
Die Stirn umzog sich kraus;
Er faßte sie mit starkem Arm
Zur Flucht nach seinem Haus.

Sie weint' und rief, der Felsen hört's,
Und Echo trug den Schall
Der Stimm' auf Feenschwingen fort
Zu Connel in das Thal.

Er eilt' in glüh'nder Hast herbei,
Doch sah ihn kaum Donald,
So flüchtet er sich schuldbewußt
Und schamvoll in den Wald.

"Mein Connel, bleib', steck' ein das Schwert,
Verfolg' den Wilden nicht!
Sein Arm ist stark, und wohl bereu'st
Den Kampf du mit dem Wicht."

"Nein - harre mein - ich kehre bald -
Dort schwimmt er durch die Fluth!
Das Löwenherz der Eifersucht
Glüht nach des Buhlers Blut.

Ho, komme, Feigling! Bösewicht!
Du prahlst mit Kunst und Muth,
Doch färbt sich bald mein gutes Schwert
In deinem Herzensblut."

"Ha, thörigter Knabe! wenn's dich drängt
Zum Todeskampf mit mir -
Der Arm, er focht bei Floddenfield,
Denkst du, er bebt vor dir?"

"Du ruhmest dich mit Floddenflield,
Doch streichst du in die Luft:
Denn Ehre zeigt der tapfere Mann,
Du aber bist ein Schuft!"

Da blitzt die Kling' im Sonnenlicht;
Es schmettert Schlag auf Schlag,
Und Connel bald vor Donald's Schwert
Mit tiefer Wunde lag.

"O, Flora, unsre Morgenlieb'
Mit Wolken sich umzieht!
Die Berge schwinden - ach - mein Lieb!"
So seufzt' er und verschied.

"Halt, unbarmherz'ger Bösewicht!
Vollende deinen Mord,
Damit gesättigt deine Wuth
Und wir vereinigt dort!"

Sie wühlt' verzweiflungsvoll im Haar,
Sank sprachlos ihm zur Seit' -
Der Abend weinte Thränenthau
Um die verblich'ne Maid.


Übersetzt von Heinrich Julius Heintze (1811-1860)

Aus: William Morherwell's und
Robert Tannahill's Gedichte
deutsch von Heinrich Julius Heintze
Mit Notizen aus dem Leben beider Dichter
und erläuternden Bemerkungen
Leipzig 1841 Verlag von Johann Ambr. Barth (S. 290-292)

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