Helge Rode (1870-1937)
dänischer Dichter
Volkslied
Und sieh, als wie ein Engel
Zu ihm sie trat herein;
Da ward sein enges Gäßchen als
Ein blühend Würzgärtlein.
Sie war wie eine Lilie
So weiß und seidenfein,
Errötend wie die Lilie
Im roten Abendschein.
Und gab die Hand ihm stille,
O Seligkeit so rein!
Sein Herze, ja - da ward es als
Ein blinder Rosenhain.
(S. 145)
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Am Wasser
Zum Wasser gingen wir über den Kies,
Wo der Wind die Rüstern flüstern ließ.
Dein Aug war hell von Verlangen.
Am Himmel zitterte Sternenlicht,
Du warst an meiner Seite dicht;
Ach, das Herz muß sehnen und bangen.
Und wie blau und tief der Himmel war!
Und die tausend Sterne wie Augen klar,
Die leuchten in gläubigem Hoffen.
Der Mond hing hoch in dem Silberflor,
Der goldene Schlüssel zum Himmelstor,
Und der Himmel selbst schien offen.
Und wie lind war die Luft, wie warm und weich,
Und die Abendstille wie wonnereich.
"Sprich nicht! man hört unser Flüstern!"
Doch deine Augen strahlten mir zu,
Von den Lippen kam ein bangendes "Du"
Und schwebte hin in den Rüstern.
Und deine Gestalt, wie hoch sie stund,
Wie licht auf dem dunklen Himmelsgrund!
Dein Aug war hell von Verlangen.
Da erstand eine Liebe vom langen Tod.
O brausendes Glück! O Angst und Not!
Unser Herz muß sehnen und bangen.
Da schlang sich dein Arm in meinen Arm,
Von der feurigen Glut der Sehnsucht warm
Und bebend gleich dem Laube.
Und die Augen strahlten so voll mir zu
Und auf Windesschwingen ein stilles "Du"
Entschwebte, wie sanft eine Taube.
Allschönheit war's, die ins Sein dich rief,
Du wie die Nacht so dunkel und tief
Und mit all ihrem Sterngefunkel!
Ja, liebliche Lilie du der Nacht,
Dein Lächeln, dein Blick war Sternenpracht,
Entstrahlt deiner Seele Dunkel.
(S. 146-147)
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übersetzt von Otto Hauser
(1876-1944)
Aus: Die dänische Lyrik von 1872-1902
Eine Studie und Übersetzungen von Otto Hauser
Verlegt bei Baumert & Ronge in Großenhain 1904