Waclaw
Rolicz-Lieder (1866-1912)
polnischer Dichter
DAS BUCH
Sie sprach: du
sitzest verstimmt über deinen papieren
Und zupfest im munde die feder die lange nicht ruhte.
Brich ab mit deinen gedichten und ernsten gedanken
Und weihe dem eigenen glück eine kurze minute!
Und saugt dein
gemüt durch vieles sinnen gefesselt,
Im garten der bücher einen belebenden odem
Und stützest du brütend das schwere haupt mit dem arme
Wie hölzerne götter in indischen pagoden:
So stelle dir vor
ich wäre ein buch: ein solches
Das nie zu betrüben und immer zu trösten suche
Und wenn aus der feder dir ein missklang gleitet
So blättere einige seiten in diesem buche!
(S. 79)
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PALME IN DER WUSTE
Herrin · ich sah
dich plötzlich schlank wie die palme
Und dachte dass ich im wandern jezt rasten würde
Mein schweres haupt dem schutz deiner haare vertrauend
Wie einem baum ein pilger seine bürde.
Ich wollte zu
füssen deines kräftigen lebens
Den lüften lauschen die deiner wimper begegnen ·
Ich möchte die wonnen mystischer liebe trinken ·
Erwartend ob weiche küsse auf mich regnen.
Doch weisheit die
jede lust zu zerstören bedacht ist
Lässt mich mit trügendem gleichmut vorübereilen
Damit ich nicht eines traurigen abends bedaure
Die schatten des lieblichen baumes die hinter mir weilen.
(S. 81)
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PHONIX STEIGT
AUS DEN FLAMMEN
Ewig
unsterbliches lied der immer jungen liebe
Fliegt geheimnisvoll durch vermooster jahrhunderte wald
Auf der holdseligen schwermut melodischen flügeln.
Schliessen
möchten sich menschliche lippen gleich mimosen
Rosen gleich wenn vom kirchturm der angelus niederfliesst
Wie bei des mondes erscheinen die persischen tulpen.
Auf der
holdseligen schwermut melodischen flügeln
Durch die gärten durch meine träume fliegt wonnend dahin
Ewig unsterbliches lied der immer jungen liebe.
(S. 82)
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MEINE GELIEBTE
...
Meine geliebte
hat augen wie ein see
Augen wie ein see hat meine geliebte.
Warum geliebte?
Siehst du in fernen gefilden irrend
Inmitten der berge ein grünliches meer
So sprich:
In diesen gewässern schlummert ein stück meines lebens.
Meine geliebte
hat einen leib ganz weiss
Einen leib ganz weiss hat meine geliebte.
Warum geliebte?
Fällt auf den kirschbaum der schnee der blüten
Und tauchst du dein aug in das sinnige weiss
So sprich:
In diesen blüten beschau ich ein stück meines lebens.
Meine geliebte
hat ein berückendes lächeln
Berückendes lächeln hat meine geliebte.
Warum geliebte?
Giessest du dir einen trank in den becher
Und trübt der wein deine schaffenden sinne
So sprich:
In diesem weine schäumt ein stück meines lebens.
Meine geliebte
hat duftende haare
Duftende haare hat meine geliebte.
Warum geliebte?
Wenn du im kies eines parkes wandelnd
Den duft der orangen in dich trinkst
So sprich:
In diesem dufte schwebt ein stück meines lebens.
Meine geliebte
kennt ein entzückendes lied
Entzückendes lied kennt meine geliebte.
Warum geliebte?
Wenn unserer freuden ernte vorüber ist
Und hörst du ein lied aus einsamer gasse klingen
So sprich:
In diesem liede schluchzt ein stück meines lebens.
Meine geliebte
hat einen türkischen dolch
Einen türkischen dolch hat meine geliebte.
Warum geliebte?
Liebst du mich sehr so schmied ich daraus eine feder
Und wenn du priesterlich hehre sänge schreibst
So sprich:
In dieser feder gleitet ein stück meines lebens.
(S. 83-84)
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LILIEN EIGENE
BLUMEN
Ich schreite mit
des prunkenden herzens gefühlen,
Nach traurigen lebens rötlichen gestaden ·
Ich schreite mit weisen gedanken auf marmorner stirne
Durch blinder erinnrungen zerfallene arkaden.
Bevor die sonne
den himbeerfarbenen fächer
Entfaltet und meeresvögel den schrei erheben
Besteig ich voll sanftmut das gespenstische fahrzeug
Des schwarze segel zur insel der toten streben.
Mit angespielter
leier zartem gesange
Entfach ich was von sterbender liebe noch glüht
Und segne diese duftende einzige wahre
Von der in der ferne ein herz ohne namen blüht.
(S. 86)
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Wach auf die du
mich geleitet durch einsame jahre
Smaragdener stern meines lebens · wach auf!
Wach auf · du leuchtende sfinx · denn es läutet
Zum angelus droben vom turme der kirche - wach auf!
Die kräuter der schlummernden felder duften berückend
Und stimmen ertönen vom grünlichen wasser - wach auf!
Wach auf! dem auge des himmels fallen die lider
Vorm kusse der feierlichen nacht - wach auf!
Wach auf! meine arme erhoben sich zum gebete ·
Erhoben sich wie zwei gespenstische vögel - wach auf!
(S. 88)
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MEINE
MENSCHLICHE LIEBE
Meine menschliche
liebe ist nicht von fleisch und von blut ·
Sie schaukelt auf den geistigen b-moll-flügeln -
Sie waltet eigenschaftslos in unendlichkeiten ·
Von sinnbildern frei und frei von ebenbildern.
Ich fühle sie -
heimliches flüstern der kommenden tage ·
Ich fühle sie - wonnende nebel des blauen sumpfes ·
Doch ich vermag nicht sie aus den saiten zu locken ·
Vermag sie zu malen nicht und nicht sie zu meisseln.
Wenn ich die
worte zum worttag des wohlklangs berufe
Dass flügelgedanken auf durstigen mund sich mir setzen:
Kein wort ist im stande das siegel des rätsels zu brechen ·
Denn nicht ist von dieser welt meine menschliche liebe.
Vielleicht
verstände sie irgend ein meeresgestade
Wo die sonne in heimweh den glühenden bogen zeichnet
Auf felsen auf stränden wo schildkröten gleich und vögeln
Die roten gedanken ruhen in sattem schlafe.
(S. 91)
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DIE ZAUBERIN
Warum ·
geheimnisvolle herrin · führst du
Mich und verbirgst mir rätselhaft die wege?
Von deiner stirne strahlen engelslichter ·
Wohin du schreitest ist ein sonnen-land.
Wie der
ernährerin ein zartes lamm
Aufmerksam nachläuft also folg ich dir ·
Gleich einem irrlicht auf verstreuten sümpfen
Verlockst du mich und lächelst zauberisch.
Bist du das
märchen wol der berges-grüne
Von dem ich seit den kinderjahren träume?
Bist du nicht sie die auf planeten herrscht?
Dem ritter aus
den grauen zeiten gleich
Irr ich dir nach · o Melusine · träumend.
Doch wohin führst du mich? ins land der trauer.
(S. 95)
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WAHLSPRUCH
Wozu der stolz
auf den besitz der gefühle?
Wozu dich rühmen deiner gedanken und taten?
Bist du nicht geschaffen aus einer handvoll erde
Vermischt mit einigen tropfen bittren wassers? -
Ja - doch ich trage mein haupt so hoch erhoben
Und so hoch streben seine wünsche und pläne
Dass dieser turban womit es sich decke nur einzig
Gefüttert sein kann mit den sternen des himmels.
(S. 96)
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LIED
UNTER TRÄNEN
I.
Ein andrer sein
glück verlierend verzweifelt unrühmlich ·
Mit hundert riegeln versperrt in dem häuslichen kloster ·
Und rollt von der höhe des schmerzes gleich einer lawine
Den fluch auf das tal in dem nimmer er schreiten darf ...
Wer das herzleid behüllt mit bösem zorne und welchen
Gewundne gedanken hinführen durch abgrundswege
Ist gleich einem menschen eines erloschenen glaubens
Ohne gott ohne kirche ohne festtag und beten.
(S. 104)
II.
Ich hätte ohne
zweifel das herzensrecht heute
Zu wandeln wohin mich unfrei gefühle führen ·
Am Weichselstrand hin im weinen aufzustöhnen
Wie einst die Juden an Babylons trüben gewässern.
Ich könnte gleich diesen altertümlichen Juden
So bangen schrei aus der tiefe der brust aufholen
Und ihn so vielfach modulieren mit schluchzen
Dass leichen röcheln würden · lebendige versteinern.
(S. 104)
III.
Wohl hätte ich
dies menschliche recht · doch zu sehr ver-führend
Macht sich der erinnrung nymfe dem auge schön ·
Nicht ganz verblühte veilchen duften zu süss noch
Auf wäldlichen stegen wo schatten ziehn von zwei seelen.
Noch wurde die liebe · zweier herzen geheimnis ·
Nicht unterdrückt durch eigenwillige mächte
Und noch gleich zwei vögeln rufen sich dein mund und mein mund
Einander zu bei stiller bei träumender nacht.
(S. 105)
IV.
So also
hinsitzend an heiliger gefühle orgel
Sing ich dem Herrgott mein lob für verflossene tage.
In wortlosen liedern und in biblischen tönen
Vergiesse ich dort mein wesen und all mein lieben.
Schon beben von mächtigen psalmen der seele gewölbe
Und wiegen sich schäumend anschwellende widerhalle ·
An wänden hängend schluchzen erinnerungs-bilder
Und Gott selbst · gleich deiner liebe · lächelt mir zu.
(S. 105)
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BEGRÜSSUNG
Das herz hat
frisch sich geziert auf deinen empfang
Gleich einem schloss im wald zur begrüssung des herren ·
Du trittst in ein mit träumen bemaltes gemach ·
Trittst etwas verwundert etwas gedankenversunken.
Willkommen! es
scheine dir dass es mein ruf nicht sei
Den du vernimmst sondern dass auf gegebenen wink
Die sonne ein goldnes willkommen zu füssen dir streue
Dem neuen wohnsitz wonne verkündend und heil.
Hier geben
gedanken gleich gärten den schatten der wollust ·
Hier singen die worte gleich vögeln der wälder · hier trinken
Der märchen falter den honig süsser empfindung
In ruhe · stille · einsamer träume welt.
Ein unbescholten
leben hebt mir das herz ·
Kein winkel birgt drinnen mit staub erfüllte wüsten ·
In jeder falte für dich geschnittenen kleides
Glänzt frischen gedankens und neuen gefühles faden.
O müsstest du
schreiten in ein nicht schimmerndes haus
Verzichtend auf prunk und gefällige kleinigkeit ·
Sollt ich einen ärmlichen mantel um dich werfen:
Ich schluchzte vor schande · stürbe vor dürftigkeit.
(S. 106-107)
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STIMMEN DER
EINSAMKEIT
Gedenke meiner
wenn dein blick sich senkt
Auf jeden gegenstand den ich berührt ·
Wann die gedanken sich dir trüben wollen
Und leer wird deines herzens heiligtum!
Gedenke meiner
wenn in zarte arme
Der reue meine bangen sinne fallen ·
Wann einsamkeit an ihre brust mich drückt ·
Verzweiflung über meinem haupte hinzieht!
Gedenke meiner!
himmlisch denke meiner
Wenn meine hoffnung manchmal mich verlässt ·
Erinnerungen wie ein feindlich heer
Herziehend mich zu schwerem kampfe fordern!
Gedenke meiner
wenn in schwäche ganz
Den todesengel ich willkommen heisse
Und wenn ich mit der allerbangsten stimme
Ihn frage nach des sonnenaufgangs zeit!
Gedenke meiner
wenn auf harte späne
Gedungnes volk mein haupt wird niederlegen ·
Begräbnisglocken in den wolken schluchzen
Um mich der nicht mehr fühlt und nicht mehr weiss.
(S. 109-110)
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BITTE
Geh nicht davon!
kalt wird das heiligtum
Wenn Gott und altar fortgetragen wird -
Bleib · lass mein herz dich nicht beschuldigen!
Lass meine augen keine träne spielen!
So märchenhaft
fliesst unser stilles leben ·
So gleichgestimmt ist unsrer herzen schlag
Als leuchte über unsren beiden stirnen
Derselbe als bestimmungs-stern.
Mir ist bei dir
so still so zauberhaft
Als ob ich auf der harfe töne hörte.
Kein peinender gedanke fällt mich an ·
Gleich einer zarten leier ist mein herz.
Bleib! liebe!
lass uns traumeskränze winden
In treuen ketten herzlichen umarmens -
Doch wenn du gehst zerschmettre erst die harfe ·
Dann wird es kalt - es stürzt des glückes haus.
So auf ein
prächtig schloss vom herrn verlassen
Streun angst und wehmut ihren totenblick
Und stolze pfeiler der gewölbe fallen
Und türmen auf ein trauernd trümmer-mal.
(S. 111-112)
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ÄHRENLESEN
Herrin voll
trauer! wie bereitest du leid mir
Dass du ein herz trägst gleich zerschmetterter harfe!
Noch tönt aus den saiten echo alter sänge
Indem der meister irrt in der unterwelt.
Nicht schluchze
wie der vorfahren klagefrauen
Und opfere nicht der trauer deine seufzer!
Den becher des verzichtes leere mutig
Und wenn du kannst vergiss deines herzens zögling!
Ehmals lieblich
geborgen an zärtlicher brust ·
Nach sanftern himmel fliegend in gedanken ·
Zukunft der unerforschlichen bang lauschend ...
Nun zieh durch
unsrer liebe wüste fluren
Wie mit verwehtem haar die bettlerin
Übrige ähren der erinnrung sammelnd!
(S. 113)
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Aus: Zeitgenoessische Dichter. Übertragungen von Stefan George
Zweiter Band: Verlaine, Mallarme, Rimbaud,
De Regnier, D'Annunzio, Rolicz-Lieder
Georg Bondi Berlin 1905
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