Cesare Rossi
(Ps. Ausonio) (1852-1927)
italienischer Dichter
Lache nicht!
O lache nicht! In deinem Lachen klingt
Ein feiner Hohn mit grausam scharfer Spitze.
Du bist so schön, doch dir vom Munde schwingt
Die Stimme sich, als sprühten böse Blitze.
Gleich edlen Perlen, tadellos und rein,
Glänzen die Zähne, die dein Mündchen schmücken,
Doch wie der Funke blitzt aus hartem Stein,
Pflegt manchmal Spott daraus hervorzuzücken.
Nein, lache nicht! Sobald dein Lachen gellt,
Ist mir, als ob ein eisig Graun mich schlüge.
Du lachst - und plötzlich kalt und dunkel fällt
Des Todes Schatten über deine Züge.
(S. 380)
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Liebesnacht
Wie Silberblumen stehen
Die Sterne zitternd hoch im heitren Blau.
Im sanften Windeswehen
Säuseln die Sträucher schwer vom nächt'gen Thau.
Die dichten Zweige hüten
Versteckte Nester, drin es flüsternd girrt,
Indeß von Lindenblüten
Ein schwüler Duft weitum getragen wird.
Du wandelst liebetrunken
Im weißen Kleide, jener Julia gleich,
Das Haupt zurückgesunken
Umkos't vom goldnen Monde sanft und weich.
O Wollust, zu versinken
In dieses Blütenmeer! O Wonneglück,
Selige Liebe trinken
Aus deinem Lächeln, deinen Zauberblick!
(S. 383)
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Morgenständchen
Steh auf, mein Lieb! Die Sonne
Ging auf und möchte küssen deine Wangen.
Die Gartenblumen prangen,
Alles ist Duft und Wonne.
Denkst du noch jenes klaren
Septembermorgens? Ich vergess' ihn nimmer
Und werd' im Herzen immer
Das herbe Weh bewahren.
Als ich die Hand dir reichte
Bereit, zu helfen dir vom Pferd zu steigen,
Sahst du mich an so eigen,
Daß zitternd ich erbleichte.
Steh auf, mein Lieb! Ins Zimmer
Dringt dir die Sonne, dein Gesicht zu küssen.
Die Flur will dich begrüßen
Und ich, ach, Liebste, liebe dich noch immer!
(S. 384)
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Der todte Baum
Denkst du noch, alter Baum, wie oft vereint
Dein dichter Schatten gastlich uns umfangen,
Sorgsam behütend unsern Liebesbund?
Und du empfingst uns wie ein treuer Freund
Den, der ihn heimsucht, ehrend will empfangen
Und seiner sich erfreut von Herzensgrund.
Und dich ergötzt' es, auf ihr schönes Haar
Herabzuschütten einen Blütenregen
Und dann - wie süß und lieblich lachte sie!
Des Dorfes Glocken tönten freudenklar,
Und rings auf deinen Hügeln allerwegen
Erklang des Frühlings neue Melodie.
Heut ward sie stumm. Im kahlen Waldgebiet
Stehst du wie eines weiten Reiches König,
Drin keine Freude mehr sich regen mag.
Kein Mädchenlachen, keines Vogels Lied
Belebt mehr deine Rinde jubeltönig;
Du harrst nur noch auf deinen letzten Tag.
Dahin dein Grünen, Blühn, dein Vogelflug,
Die schöne Jugend voller Kraft und Lachen,
Die mit mir wuchs und hinsinkt nun mit mir.
Nun wird die Axt dich fällen bald genug,
Und mir wird man aus deinem Holze machen
Ein Bett, darin ich ruhen kann gleich dir.
(S. 384-385)
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Das Mädchen
Jung bist du, so wie die Primel, die
Sich erschließt im ersten Frühlingshauch
Und empor zum reinen Himmelsblau
Ihre Düfte schickt.
Schön bist du, wie jener Engel ist,
Der das Herz uns kindlich gläubig macht
Und uns leitet durch die Finsterniß,
Wo wir strauchelten.
Fromm bist du, voll jener glühenden
Nächstenliebe, die den Armen hilft
Und die Thränen aller Redlichen
Liebend trocknen will.
Rein bist du, so wie der zitternde
Kuß der Mutter, den in Wonne sie
Auf die Stirn des angebeteten
Süßen Kindes haucht.
(S. 386)
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Eros
Du lachst. Dein junges Lachen, wie fröhlich klingt's
Vom reinen Grunde deines Gemüths herauf,
Drin die lebend'ge Flamme lodert,
Die dich zum Unbekannten hintreibt.
So folgst du nach dem goldenen Truggebild,
Das dich bezaubert, wandelst den steinigen
Bergpfad hinan, den Blick zur Sonne
Kehrend, die über dem Gipfel leuchtet.
Und ich, im trüben Zwielicht verstummend, muß
Dich schaun - des Eros furchtbare Gottheit ist
An meiner Seite - und vor Sehnsucht
Zitternd, begleit' ich deine Schritte.
Wie heiß vom Durst nach Küssen und Thränen dies
Mein Herz verzehrt wird, ahnst du es wirklich nicht?
Nicht wie ich ganz dir hingegeben,
Du meines Lebens letzte Liebe?
(S. 387)
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übersetzt von Paul Heyse (1830-1914)
Aus: Paul Heyse Italienische Dichter in Übersetzungen
Lyriker und Volksgesang Neue Folge
Gesammelte Werke (Gesamtausgabe)
Reihe V Band 5
George Olms Verlag Hildesheim Zürich Neu York 2002
(Nachdruck der Ausgabe Stuttgart Berlin 1905)